Mobilität | Standortpolitik

2 Stunden für 100 Kilometer

Staatliches Bauamt Rosenheim ©
Bau der Rosenheimer Aicherpark-Brücke – Teil der B 15 neu

Seit langer Zeit wartet die Region zwischen Rosenheim und Landshut auf die B 15 neu. Jetzt macht die Wirtschaft Druck für einen umweltverträglichen Ausbau der Bundesstraße.

Stefan Bottler, Ausgabe 07/2021

Rund zwei Dutzend Mitarbeiter beschäftigt die Jeneil Bioproducts GmbH in Schechen. Viele pendeln über die B 15 in die Gemeinde zehn Kilometer nördlich von Rosenheim. »Die meisten Mitarbeiter müssen das Nadelöhr Rosenheim passieren und warten dringend auf die Fertigstellung der Westtangente«, sagt Ulrich Weidemann (43), Prokurist des mittelständischen Aromenherstellers. Voraussichtlich ab 2022 ist die 11,5 Kilometer lange Umgehungsstraße fast durchgehend bis zur Autobahn A 8 befahrbar, die endgültige Fertigstellung wird sich laut Staatlichem Bauamt jedoch wegen einer Eisenbahnüberführung bis 2025 hinziehen.

Stop-and-go bedeutet auch mehr Treibstoffverbrauch und Emissionen

Wer hingegen aus dem Norden nach Schechen kommt, hat weit über 2025 hinaus mit engen Kurven, schmalen Ortsdurchfahrten, unzähligen Kreuzungen und ständigem Stop-and-go zu kämpfen. Vor allem Verkehrsunternehmen, die täglich mit ihren Nutzfahrzeugen zwischen Rosenheim und Landshut unterwegs sind, macht die Situation zu schaffen. »Wegen des erhöhten Treibstoffverbrauchs stoßen unsere Fahrzeuge auf der B 15 deutlich mehr Emissionen als auf anderen Strecken aus«, macht Florian Haumeier (39), Verkehrs- und Dispositionsleiter der Zosseder GmbH, auf ökologische Folgeschäden des ausbleibenden Ausbaus aufmerksam. Das Tiefbau- und Entsorgungsunternehmen in Eiselfing bei Wasserburg setzt rund 80 schwere Nutzfahrzeuge ein.

Forderung dreier IHKs: Endlich eine leistungsfähige Verbindungsachse

Solche Aspekte haben die drei Verkehrs- und acht Regionalausschüsse der IHK für München und Oberbayern, der IHK für Niederbayern und der IHK Regensburg in ihrem Positionspapier zur B 15 aufgegriffen. Sie setzen sich energisch für den weiteren Ausbau dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung ab Landshut ein. Die Politik müsse endlich eine leistungsfähige Verbindungsachse bis Rosenheim realisieren, die den »aktuellen und künftigen Mobilitätsbedürfnissen« sowie der »überregionalen Netzfunktion« gerecht werde, schreiben die IHK-Ausschüsse. »Eine rund zweistündige Fahrzeit für die rund 100 Kilometer lange Fahrstrecke zwischen Landshut und Rosenheim macht den Handlungsbedarf deutlich.«

Der Neubau der B 15 in Südbayern von Regensburg über Landshut nach Rosenheim beschäftigt die Verkehrspolitik seit Jahrzehnten. An jedem Werktag nutzen Tausende Pendler, Berufskraftfahrer, Touristen und andere Verkehrsteilnehmer die wichtige Nord-Süd-Verbindung. Weil diese mit der A 92 (Regensburg), A 93 (Deggendorf), A 94 (Passau) und A 8 (Salzburg) gleich vier Autobahnen anbindet, entlastet sie auch die Metropolregion München von Durchgangsverkehr.

Weiterhin Unklarheit

2006 wurden südlich von Regensburg die Bauarbeiten aufgenommen. Mittlerweile sind bis Landshut drei vierspurige Bauabschnitte ohne Ortsdurchfahrten fertiggestellt worden. Jetzt wird mit der Ost-Süd-Umfahrung von Landshut der vierte Bauabschnitt in Angriff genommen. Über den weiteren Verlauf der B 15 neu bis Rosenheim herrscht hingegen Unklarheit. Weil nicht einmal die künftige Trasse feststeht, wurde bislang auch kein Planfeststellungsverfahren eröffnet oder gar ein Baubeginn avisiert.

»Hausaufgaben« zum Teil gemacht

Im Raum Rosenheim selbst laufen die Bauarbeiten hingegen auf Hochtouren. Der nördliche Teil der Westtangente wird inklusive einer 650 Meter langen Brücke über das Gewerbegebiet Aicherpark gerade gebaut, der südliche Teil bis zur Autobahnanbindung an die A 8 bei Raubling ist bereits eröffnet. In Rosenheim habe die Politik ihre Hausaufgaben gemacht, stellt Ingrid Obermeier-Osl, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf, fest. In den übrigen Regionen müsse sie hingegen noch liefern. Auch östlich von Landshut wird an der B 15 neu gebaut.

Anwohnerproteste

Spätestens 2023 wird eine reguläre Autobahnanbindung an die A 93 das gegenwärtige Provisorium ersetzen. Für den ersten Bauabschnitt der Ost-Süd-Umfahrung hat das Staatliche Bauamt das Planfeststellungsverfahren bereits eröffnet. Gegen die übrigen Abschnitte haben zahlreiche Anwohner Einwendungen erhoben. Manche wollen gegen absehbare Ablehnungen auf jeden Fall klagen, weswegen das Straßenbauamt keine Vorhersagen über einen Fertigstellungstermin abgeben möchte.

Solche Szenarien sind auch für den weiteren Verlauf der B 15 neu zu erwarten, wenn Klarheit über die künftige Trasse herrscht. In nahezu jedem Ort machen Bürgerinitiativen gegen mögliche Trassenvarianten mobil. Auch deshalb befürchten die IHKs, dass zwischen Landshut und Rosenheim Verkehrsteilnehmer vielleicht noch jahrzehntelang auf der alten Trasse unterwegs sein werden.

Ortsumfahrungen als neue Chancen

In ihrem Positionspapier lassen die IHK-Ausschüsse offen, ob die alte zweispurige Trasse ausgebaut oder eine neue realisiert werden sollte. Allerdings mahnen sie einen Konsens mit der Bevölkerung sowie eine Rücksichtnahme auf gewachsene Ortszentren und Dorfkerne an. Ortsumfahrungen liegen deshalb nahe. Vor allem für die Gemeinden St. Wolfgang, Dorfen und Taufkirchen/Vils, die als besondere Engpässe gelten, sind solche Lösungen sinnvoll. »Die B15 neu soll nicht nur Wirtschaftszentren miteinander verbinden, sondern auch den ländlichen Raum stärken«, betont Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim. Mit der Entlastung von Durchgangsverkehren würden sich auch für die Gemeinden entlang der B 15 vielfältige neue Chancen eröffnen. Gleichzeitig ist den Ausschüssen bewusst, dass die künftige Trasse durch eine landschaftlich sensible Region führt.

Nahziel: "vordringlicher Bedarf" im Bundesverkehrswegeplan

Ausdrücklich fordern sie einen »landschaftsverträglichen Ausbeziehungsweise Neubau« sowie einen »effizienten und verantwortungsvollen Umgang« mit den vorhandenen Flächen. Das Nahziel ist jedoch klar. »Im nächsten Bundesverkehrswegeplan muss die Trasse zwischen Landshut und Rosenheim endlich als vordringlicher Bedarf eingestuft werden«, mahnt Obermeier-Osl.

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