Über die Idee zum Produkt: Rainer Seßner, Chef von Bayern Innovativ

Damit technische Innovationen ökonomisch erfolgreich sind, brauchen Firmen bei der Entwicklung zur Serienfertigung noch gezieltere Fördermöglichkeiten, sagt Rainer Seßner (48), Geschäftsführer der Bayern Innovativ GmbH in Nürnberg.
EVA MÜLLER-TAUBER, Ausgabe 05/2022
Herr Seßner, wie schätzen Sie die Innovationsstärke des Freistaats ein?
Bayern steht sehr gut da. Aber die Gesellschaft ist in puncto Innovationen etwas gesättigt. Vor 20 Jahren hätten sich die meisten gefreut, wenn sich ein Unternehmen neu ansiedelt. Heute gibt es durchaus gesellschaftliche Vorbehalte. Eine technische Innovation muss deshalb heute anders sein als früher.
Was heißt das konkret?
Eine Innovation muss mehr adressieren als allein die Technologie und sollte allen drei Aspekten der Nachhaltigkeit–Ökonomie, Ökologie und Soziales – gerecht werden. Daraus lassen sich dann zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Was das Thema Nachhaltigkeit angeht, könnten wir in Bayern mit den entsprechenden Innovationen sogar international eine Vorreiterrolle einnehmen.
Wie lassen sich speziell nicht digitale Innovationen gezielt vorantreiben?
Zum einen durch Unterstützung im Innovationsprozess mit Impulsen durch Trends und neue Technologien, aber auch durch Technologieförderung, wie sie der Freistaat anbietet. Zum anderen über die Innovationsnetzwerke bei Bayern Innovativ und den Partnernetzwerken, die Potenziale entlang der Wertschöpfungskette aufzeigen, etwa eine neue Beschichtung, ein neues Bedienkonzept oder Innovationen in der Materialfertigung.
Sie leiten Bayern Innovativ seit 2016. Was hat sich bis heute vor allem geändert?
Bayern Innovativ wurde 1995 als klassische Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer gegründet. Heute haben wir umgerechnet rund 240 Vollzeitbeschäftigte in branchen- und technologieübergreifenden Expertenteams, verfügen über ein breites Netzwerk mit über 32.000 Unternehmen und mehr als 75.000 aktiven Kontakten. Wir vernetzen nicht nur Unternehmen mit Hochschulen und Forschungsinstituten, sondern auch die Gesellschaften und Initiativen des Freistaats Bayern und viele weitere Technologie- und Wissensnetzwerke im Innovations-Ökosystem zu einem noch stärkeren Thinktank – dem Thinknet Bayern.
»Stichwort: Open Innovation«
Welche Vorteile hat das für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die Sie beraten und fördern?
Alle Organisationen und Partner arbeiten heute verzahnter und offener miteinander zusammen – Stichwort: Open Innovation – und sind über eine KI-gestützte Plattform miteinander verbunden. So entsteht ein ganzheitliches Angebot. Egal, bei welchem Partner ein KMU anfragt, es bekommt zeitnah Antworten und Unterstützung, weil es im Netzwerk für alles Experten gibt, die sich schnell benennen und hinzuziehen lassen. Dennoch bleibt die erste vom Unternehmen angefragte Organisation für dieses der Hauptansprechpartner.
Und welche Strukturen sind im Unternehmen selbst erforderlich, damit Neuerungen zu gefragten Produkten und Lösungen werden können?
Es braucht vor allem eine Firmenleitung, die sich bewusst ist, dass sich ein Unternehmen immer weiterentwickeln muss, und die das Thema Innovation in ihre Organisation hineinträgt. Zudem ist eine offene Innovations- und Fehlerkultur wichtig. Auch dürfen Unternehmen das Thema selbst bei vollen Auftragsbüchern und trotz stressigen Tagesgeschäfts nie aus den Augen verlieren.
Hürden bei der Serienfertigung
Wo liegen die größten Hürden, um aus einer tragfähigen Idee eine Innovation zu machen?
Technologische Innovationen sind oft von Menschen getrieben, die ihre Technologie lieben. Aber sie müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte auch zeitnah in den Markt kommen. Bis zum Prototyp lassen sich Innovationen staatlich gut finanziell fördern. Was die Entwicklung zur Serienfertigung betrifft, erlaubt das EU-Beihilferecht jedoch keine staatliche Förderung. Doch gerade in dieser Phase liegt häufig das viel größere Risiko. Lassen sich die Technologie, das Produkt, das Geschäftsmodell so skalieren, dass es wirtschaftlich erfolgreich wird?
Das sind oft größere Hürden als die technische Machbarkeit. In diesem Punkt müssen wir auf staatlicher Seite das Bewusstsein schaffen, um bessere Fördermöglichkeiten zu etablieren.
Wie lassen sich Firmen außerdem unterstützen?
Wir können Unternehmen noch intensiver miteinander vernetzen, damit sie Innovationen zusammen vorantreiben. Auch Business Angels sind eine Möglichkeit – gerade bei Start-ups mit einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell. Da haben wir eine starke Szene in Bayern.