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Wandern und wachsen

Wolf Heider-Sawall ©
Im Lager – Verlagsleiter Klaus Wolfsperger, der selbst auch schon Wanderführer verfasst hat

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 02/2020

Seit 100 Jahren versorgt der Bergverlag Rother Bergfreunde mit Lesestoff. Das in München gegründete Traditionsunternehmen profitiert vom aktuellen Wandertrend, weiß aber auch die Digitalisierung für sich zu nutzen.

Die Lektoren der Bergverlag Rother GmbH beherrschen nicht nur Rechtschreibung, Grammatik und die Kunst der Textaufbereitung, sondern können auch perfekt mit GPS-Daten und Kartenmaterial umgehen. »Sie überprüfen nämlich jede einzelne Tour, die wir in unseren Berg- und Wanderführern veröffentlichen – und zwar minutiös«, betont Verlagsleiter Klaus Wolfsperger. Schließlich können sich Wanderer und Bergsteiger seit 100 Jahren auf die Angaben in den Publikationen des Verlags verlassen. Dabei hilft es natürlich, dass alle Lektoren in ihrer Freizeit gern wandern. Das gilt auch für die anderen Mitglieder des 17-köpfigen Teams, das sich laut Sortimentsprospekt durch »Leidenschaft für Berge und Bücher« auszeichnet. Einige Mitarbeiter haben sogar selbst Bücher für ihren Arbeitgeber geschrieben. Auch Wolfsperger hat bereits fünf Wanderführer, unter anderem für Teneriffa, La Gomera und Korsika, verfasst. Der heute 58-Jährige hat im Grunde sein gesamtes Arbeitsleben im Bergverlag Rother verbracht: Nach seinem Studium der Kommunikationswissenschaften startete er dort im Herbst 1989 als Volontär und erlebte gleich in den ersten Monaten den Verkauf des Unternehmens an die Wiener Kartografische Anstalt Freytag-Berndt und Artaria KG. »Der Verlag hatte damals wirtschaftlich harte Zeiten hinter sich, es gab immer weniger Bergsteiger, Wanderer und Kletterer«, erinnert sich Wolfsperger. »Zudem wollte sich der damalige geschäftsführende Gesellschafter und Sohn des Gründers, Rudolf Rother junior, nicht mehr mit der aufkommenden Digitalisierung auseinandersetzen. Da seine Kinder kein Interesse daran hatten, das Unternehmen fortzuführen, bildete der Verkauf letztlich auch die Regelung der Unternehmensnachfolge.« Der aktuelle Hauptumsatzträger wurde noch unter Rudolf Rothers Ägide eingeführt: 1985 erschien der erste Wanderführer der »Roten Reihe«. Die knapp 400 Titel decken nicht nur den gesamten Alpenund Voralpenbereich ab, sondern auch viele weitere Regionen weltweit. Mittlerweile gibt es sogar Führer für exotische Trekkingdestinationen wie etwa Armenien, Hawaii oder Tasmanien. In jeder Ausgabe sind rund fünfzig verschiedene Touren ausführlich beschrie39 Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern – 02/2020 UNTERNEHMEN + MÄRKTE | BERGVERLAG ROTHER ben. Die Palette reicht von leichteren Wanderungen bis hin zu anspruchsvollen Touren, die durchaus auch mehrere Tage dauern können. Rund 70 Prozent des Jahresumsatzes von vier Millionen Euro erwirtschaftet der Bergverlag Rother derzeit mit seiner »Roten Reihe«. »Dabei profitieren wir natürlich stark vom Outdoor- und Wandertrend, der vor ungefähr zehn Jahren begann und sich mittlerweile etabliert hat«, sagt Verlagsleiter Wolfsperger. Die etwas großformatigeren Wanderbücher greifen spezielle Themen und Zielgruppen auf. Hier finden sich Titel wie »Wandern mit Kindern«, »Wandern mit Hund«, »Trailrunning« oder »Kulturwandern«. Neben Bergkrimis und -kalendern umfasst das Verlagsprogramm noch ein kleines Sortiment an Bildbänden sowie die »Blaue Reihe« mit Führern für Skitouren, Schneeschuhwanderungen, Langlauf- und Rodelausflüge. »Im Grunde decken wir alle alpinen Themen ab – bis auf das Sportklettern«, sagt Wolfsperger. »Als sich dieser Trend entwickelte, waren unsere Mittel zu knapp, um hier zu investieren. Daher besetzte ein anderer Verlag diese Nische.« Und auch die Fahrradführer wird er auslaufen lassen, um sich voll und ganz auf das Segment Wandern zu konzentrieren, in dem der Rother Bergverlag in Deutschland mit einem Marktanteil von 50 Prozent unangefochtener Marktführer ist. Rund 650 lieferbare Titel umfasst das Programm derzeit. »Und darin sind die englischen, französischen, spanischen und italienischen Übersetzungen unserer Bücher sowie etwaige Lizenzausgaben noch gar nicht enthalten«, sagt Marketingleiterin Bettina Löneke (43), die für das Marketing zuständig ist.

»In den vergangenen zehn Jahren haben wir unseren Umsatz verdoppelt.« Klaus Wolfsperger, Verlagsleiter Bergverlag Rother

Mit E-Book und Touren App

Nach einigen schwierigeren Jahren, die nach dem Verkauf zu meistern waren, arbeitet der Bergverlag Rother profitabel und wächst kontinuierlich. »In den vergangenen zehn Jahren haben wir unseren Umsatz verdoppelt«, berichtet der Verlagsleiter, dem die Muttergesellschaft in Wien im operativen Geschäft freie Hand lässt. Lediglich strategische Entscheidungen stimmt er mit der Geschäftsführung von Freytag-Berndt ab. Dass deren Partnerbuchhandlungen in Regensburg und Wien die Abwicklung der Bestellungen übernehmen, die im Webshop des Bergverlags Rother eingehen, weiß Wolfsperger durchaus zu schätzen. »Allerdings spielen die Verkäufe über diese Kanäle eine eher untergeordnete Rolle.« Weitaus wichtigster Absatzkanal ist der Buchhandel – online wie stationär. Einen mit rund zwei Prozent zwar nur kleinen, aber wachsenden Umsatzanteil erwirtschaftet der Verlag dennoch digital – mit E-Books und der Rother Touren App. Der Download dieser Smartphone-App ist gratis. Wer sich jedoch einen der knapp 200 digitalen Wanderführer herunterladen möchte, muss dafür bezahlen, wobei der Download günstiger ist als die gedruckte Ausgabe. »Zudem haben die Nutzer den Vorteil, dass sie kein Buch mit sich herumtragen müssen«, betont Marketingleiterin Löneke. Über ein Passwort in jeder Printausgabe haben die Buchkäufer ebenfalls Zugriff auf GPSTracks und Koordinaten der Ausgangspunkte. Angesichts der hohen Smartphone-Affinität der jüngeren Generationen rechnet Wolfsperger fest damit, dass die Bedeutung des Digitalangebots künftig steigen wird. Den aktuell niedrigen Umsatzanteil führt er darauf zurück, dass im Internet sehr viele kostenfreie Tourenbeschreibungen kursieren. Er geht allerdings davon aus, dass bei Wanderlustigen, die mit Gratisangeboten keine ganz so guten Erfahrungen gemacht haben, die Zahlungsbereitschaft für professionell aufbereitete Produkte steigt. Für die nächsten Jahre plant er daher, die digitalen Angebote weiter auszubauen. Im Jubiläumsjahr findet zudem ein optischer Relaunch der »Roten Reihe« statt. Das Firmenlogo wurde bereits Ende 2019 überarbeitet. »Allerdings sehr behutsam«, betont Wolfsperger. »Denn wir sind stolz auf unser Image als mittlerweile 100-jähriger Traditionsverlag.«

Zum Unternehmen

  • 1920 übernimmt Rudolf Rother senior den von Bergsteigern als Genossenschaft gegründeten Bergverlag.
  • seit 1990 Tochtergesellschaft der Wiener Kartografischen Anstalt Freytag-Berndt und Artaria KG
  • rund 650 lieferbare Titel im Sortiment
  • vier Millionen Euro Jahresumsatz
  • 17 Mitarbeiter

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