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Bettenwechsel

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Bald ein Coworking-Space? Manche Hoteliers denken über Umnutzungen nach

Hotels werden äußerlich auch nach der Coronakrise kaum verändert sein. Im Inneren jedoch räumt die Branche derzeit kräftig um, damit sie auf einem veränderten Markt wettbewerbsfähig bleibt.

Ulrich Pfaffenberger, Ausgabe 06/2021

»Hotelzimmer zum Homeoffice umgewandelt.« Oder: »Landgasthof präsentiert sich als Coworking-Space.« Landauf, landab waren die kreativen Ideen von Hoteliers und Gastronomen, mit denen diese den Coronastillstand vermeiden wollten, eine Schlagzeile wert. Wer dahinter eine tiefgreifende Innovation oder gar einen grundlegenden Wandel von Geschäftsmodellen vermutet, wird bei genauem Hinsehen feststellen: Eine Reihe prominenter Einzelfälle macht noch keinen Trend – und ausbleibender Umsatz lässt sich so ebenfalls nicht kompensieren.

Verständlich daher, dass sich Stefan Wild (60), Vorsitzender des Fachbereichs Hotellerie im DEHOGA Bayern, diplomatisch äußert. »Natürlich passt nicht jedes Modell zu jedem Unternehmen. Wenn eine dauerhafte Umnutzung im Gesamtkontext eines Unternehmens aber sinnvoll erscheint, kann eine aus der Pandemie heraus geborene Idee einer Umwidmung von Räumlichkeiten sicherlich auch ein Gewinn sein«, erklärt Wild, der selbst in Ingolstadt als Hotelier arbeitet.

Ausweichstrategien sind nach Auffassung von Moritz Dietl (42) »wirtschaftlich selten tragfähig«. Die notwendigen Auslastungen, um den dafür nötigen Hotelbetrieb zu finanzieren, seien kurzfristig nicht erzielbar, sagt der geschäftsführende Partner der TREUGAST in München. Das Unternehmen berät Hoteliers und betreibt selbst mehrere Objekte. »Jetzt ist die Zeit, nach Möglichkeit langfristig zu denken und sich darauf vorzubereiten, wenn der Betrieb wieder in vollem Umfang anlaufen kann.« Dietl führt ein Haus aus dem eigenen Portfolio an, das in den vergangenen Monaten umfassend saniert wurde. »Im Sinne der Gäste und der Attraktivität des Hotels war das im Lichte der Krise eine mutige, aber hoffentlich kluge Entscheidung.«

»Kein triviales Vorgehen«

Die Transformation von Häusern oder Teilen davon etwa in Seniorenresidenzen beurteilt Dietl dagegen kritisch: »Ein solches Vorhaben ist alles andere als trivial. Es bedarf genauso der sorgfältigen Analyse und Planung wie der Hotelbetrieb, lässt sich also nicht von heute auf morgen umsetzen.« Empfehlenswert sei eine solche Veränderung in erster Linie dort, »wo es auch schon vor Corona schwierig war, den Hotelbetrieb wirtschaftlich zu gestalten«.

Etwas zuversichtlicher gibt sich Anne Schaeflein (41). Die Münchnerin berät mit ihrem Unternehmen Qannik Projects das Gastgewerbe bei der Entwicklung neuer Konzepte. Sie sieht Chancen für angepasste Geschäftsmodelle überwiegend in den Städten, die »eine Unterdeckung an Wohnraum, altersgerechtem Wohnen, Kindergartenplätzen et cetera haben und man dies damit abdecken könnte. Hierbei können Arbeitsplätze teilweise erhalten werden und die Performance des Invests ›funktioniert‹ wieder.« Auch die bestehende Infrastruktur eines Hotelbetriebs könne fast unverändert übernommen werden.

Statt Revolution eine Verstärkung bestehender Werte und Qualitäten

TREUGAST-Experte Dietl ist überzeugt, dass es weniger eine Revolution geben werde als eine Verstärkung bestehender Werte und Qualitäten, um am Markt erfolgreich zu sein. »Die Hotellerie arbeitete bei Sicherheit und Hygiene schon in der Vergangenheit mit sehr hohen Standards – insbesondere in den sensiblen Bereichen Küche und Sanitäranlagen«, erklärt er. »Zum Schutz in der Pandemie haben die Unternehmen das weiter verfeinert und vertieft. Davon wird es kein Zurück geben. Das ist prägend für unser Produkt und für jede einzelne Marke.«

Keine Schonfrist

Grundsätzlich stimmen die Fachleute überein, dass die Pandemie nicht als Auslöser, sondern als Beschleuniger dringender Veränderungen zu sehen ist: Der Handlungsbedarf, vor dem nun viele Häuser stehen, sei nicht erst im März 2020 entstanden. Nur träten jetzt die verdrängten und übersehenen Defizite einzelner Häuser und Angebote oder die veränderten Bedingungen an einem Standort früher und schonungsloser zutage. Die Schonfrist, innerhalb derer Anpassungen oder Veränderungen noch möglich gewesen wären, wurde radikal auf »null« verkürzt.

Bedürfnis nach mehr Platz in mehrfacher Hinsicht

Wer jetzt reagiert und die Phase des Stillstands am Markt nutzt, um im Inneren etwas zu bewegen, der befindet sich nach Ansicht von Beraterin Schaeflein daher auf dem richtigen Weg, etwa um Neues auszuprobieren und zum Beispiel digital aufzustocken. Was die Nachfrage angeht, erwartet sie ein verstärktes Interesse »ganz klar auf ländliche Lagen, Wellness und Erholung in der Natur ausgerichtet«. Auch die Reduzierung der Gästezahlen durch das Bedürfnis nach mehr Platz (zum Gegenüber) und mehr Privatsphäre werde die Branche noch länger begleiten.

Neue Gästeklientel zwischen Urlaub, Arbeiten und Familie

Ein anderer Bereich, den Schaeflein ihren Klienten ans Herz legt, sind Geschäftsreisen, die vermehrt mit Familie stattfinden würden. »Remote zu arbeiten, wird ein Thema bleiben. Daher sollten Hotels sich überlegen, wie Zimmer und Wohnräume angepasst werden könnten, um dieser neuen Gästeklientel den Mix zwischen Urlaub, Arbeiten und Familie zu ermöglichen.« Sie sieht hier Perspektiven für das selbst entwickelte NeuSpace-Konzept, um eine Alternative zur Nutzung von Hotels zu bieten – als Übergangslösung, bis sich der Markt wieder erholt.

Fürsorge für Gäste - und qualifiziertes Personal

Einen Aspekt, der künftig mehr denn je über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden könnte, führt Klaus-Dieter Graf von Moltke an, dessen Familie im Chiemgau das Gut Steinbach Hotel und Chalets gehört: Qualifiziertes Personal, um das sich die Branche schon lange angestrengt bemüht, brauche die besondere Fürsorge seines Arbeitgebers, sagte er unlängst beim Onlinekongress »Attraktiver Tourismus«, des Chiemgau Tourismus e.V. Eine »Leidenschaftsbranche« wie der Tourismus müsse für die dort Beschäftigten ein Umfeld schaffen, in dem sie ihre Talente gern entfalten.

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