Klimaschutz | Standortpolitik

Resultate, die alarmieren

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Strom aus Erneuerbaren – die Infrastruktur hält noch nicht mit

Die Energiewende stellt die bayerischen Unternehmen vor große Herausforderungen. Fast die Hälfte der Firmen sieht negative Auswirkungen auf ihr Geschäft.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 11-12/2023

Die anhaltend hohen Energiepreise und Unsicherheiten in der Strom- und Gasversorgung machen den Unternehmen im Freistaat schwer zu schaffen. Rund 47 Prozent der Unternehmen sehen sich durch die Energiewende negativ oder gar sehr negativ betroffen, zudem ist die Wettbewerbsfähigkeit stark gefährdet. Das geht aus dem aktuellen Energiewende-Barometer 2023 der bayerischen IHKs (BIHK) hervor. „Die Zahlen sind alarmierend“, sagt BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „So viele Betriebe wie nie fürchten wegen der Energiepolitik um ihr Überleben.“

Energiewende: Mehr Risiken als Chancen

Über alle Branchen und Firmengrößen hinweg sehen die bayerischen Unternehmen mehr Risiken als Chancen in der Energiewende. Den Effekt auf ihre Wettbewerbsfähigkeit stufen sie mit einem Barometerwert von –28 ein.

Das ist ein dramatischer Absturz im Vergleich zum Vorjahr. Damals lag der Wert noch bei –3,4. Die Industriebetriebe bewerten die Energiewende sogar mit dem negativsten je gemessenen Barometerwert von –41, fast zwei Drittel fürchten energiewendebedingt „(sehr) negative“ Konsequenzen für ihre Geschäfte.

Horrende Energiepreise

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu drastischen Preisverwerfungen und Versorgungsunsicherheiten an den Strom-, Energie- und Rohstoffmärkten geführt. Zwar hat sich der Strom- und Gasmarkt zwischenzeitlich wieder beruhigt. Doch fast alle bayerischen Unternehmen waren im Zeitraum zwischen Juli 2022 und Juni 2023 horrenden Preissteigerungen ausgesetzt.

Immer öfter: Verlagerung ins Ausland

Im Branchenvergleich sorgt sich die Industrie am meisten. Ihre Wettbewerbsfähigkeit hängt vergleichsweise stark von einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung ab.

Für immer mehr Unternehmen ist angesichts des hohen Kostendrucks und der Versorgungsunsicherheiten eine teilweise oder komplette Verlagerung der Produktion ins Ausland offenbar ein gangbarer Weg, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Rund 16 Prozent aller befragten bayerischen Unternehmen und rund ein Drittel der Industriebetriebe planen solche Maßnahmen, setzen diese derzeit um oder haben sie bereits durchgeführt – so viele wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.

Politisches Hin und Her als Risiko

Die bayerischen Firmen arbeiten intensiv daran, die betriebliche Energieeffizienz zu steigern. Sie treiben seit Jahren die Optimierung ihres Energieverbrauchs voran. Mehr als drei Viertel der Betriebe, die 2023 an der Befragung teilnahmen, investieren in neue Technologien. 45 Prozent setzen auf digitale und automatisierte Mess- und Steuerungsprozesse, 41 Prozent forcieren die energetische Sanierung von Betriebsgebäuden.

Als besonders hinderlich für den betrieblichen Klimaschutz werten die Unternehmen die nicht ausgereiften energiepolitischen Entscheidungen. Häufig veränderte Vorgaben oder Regelungen stellen aus ihrer Sicht ein völlig unkalkulierbares Risiko dar und erschweren die Umsetzung von Klimaschutzbestrebungen erheblich.

Freiwillig und technologieoffen

Vor diesem Hintergrund fordert die bayerische Wirtschaft vor allem die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Eigenversorgung. Firmen plädieren für Freiwilligkeit und Technologieoffenheit als Leitprinzipien, wenn es um Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz geht. Außerdem sprechen sie sich für die Senkung der Abgaben und Steuern auf Strom aus. Rund drei Viertel der Unternehmen verlangen hierzu weitere Entlastungen, im Handel und in der Industrie sind es jeweils rund 80 Prozent.

Zwar haben sich die Strom- und Gaspreisbremsen als adäquate Notfallmaßnahmen erwiesen. Allerdings ist nur etwas mehr als jedes zehnte Unternehmen davon überzeugt, dass die Preisbremsen dazu beitragen, zu hohe Energiekosten zu dämpfen. Die komplexen Regelungen waren für viele Firmen nicht handhabbar.

Angst vor mehreren Strompreiszonen

Die Unternehmen blicken auch mit Sorge auf eine mögliche Teilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen. Die meisten Betriebe befürchten negative Konsequenzen und fordern, die einheitliche Preiszone (eher) beizubehalten, in der Industrie sind es 63 Prozent.

Netzausbau forcieren

In puncto Infrastruktur erkennen die Betriebe weiterhin dringenden Handlungsbedarf. Gut zwei Drittel aller Unternehmen in Bayern beklagen immer mehr Engpässe bei den Übertragungs- und Verteilnetzen, rund 72 Prozent fordern den Ausbau der Netzkapazitäten.

Wasserstoff als Alternative etablieren

Einen Zugang zur Wasserstoffversorgung für alle Branchen und Regionen fordern fast zwei Drittel der bayerischen Unternehmen. Und 56 Prozent plädieren dafür, dass neben Grünstrom-basiertem Wasserstoff auch CO2-arm produzierter Wasserstoff aus anderen Herstellungsverfahren einen Marktzutritt erhalten sollte.

Voraussetzung für den Einsatz von Wasserstoff als alternativer Energieträger ist eine geeignete Infrastruktur: Das Wasserstoffkernnetz sowie die Speicherkapazitäten müssen ausgebaut und die Klärung von Zertifizierungs- sowie Förderfragen von der Politik weiter forciert werden.

Emissionshandel beliebt

Um den Emissionshandel und dessen Preissignal als marktbasiertes Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu stärken, würde mehr als ein Drittel der Befragten die damit einhergehenden steigenden CO2-Preise in Kauf nehmen. Auf der anderen Seite sprechen sich 28 Prozent (eher) dagegen aus.

Unbestritten: Bayerische Betriebe pro Klimaschutz

Neben all den negativen Ergebnissen und Kritikpunkten gibt es aber auch eine gute Nachricht. „Die Betriebe stehen zum Klimaschutz“, sagt BIHK-Hauptgeschäftsführer Gößl. Mehr als die Hälfte hat ein Klimaneutralitätsziel oder ist bereits klimaneutral.

Erneuerbare Eigenversorgung im Trend

Rund 70 Prozent der befragten Unternehmen im Freistaat haben eigene Kapazitäten der Versorgung mit erneuerbaren Energien aufgebaut oder planen dies – ein Plus von 8 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Die bayerische Wirtschaft liegt damit deutlich über dem bundesweiten Wert von 63 Prozent.


IHK-Info zum Energiewendebarometer

Alle Ergebnisse des Energiewende-Barometers 2023 für Bayern gibt es auf der IHK-Website.

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