Standortpolitik

BIHK-Präsident Eberhard Sasse: »Impuls für den Neustart«

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»Wir brauchen Zuversicht« – BIHK-Präsident Eberhard Sasse

BIHK-Präsident Eberhard Sasse über die Coronalockerungen, das Konjunkturpaket und die Chance Deutschlands, wieder Weltspitze in Zukunftstechnologien zu werden.

Martin Armbruster, Ausgabe 07/20

Herr Sasse, in Biergärten kommt wieder Leben, seit Mitte Juni können wir in Nachbarländer reisen, in München finden im Herbst erste Messen statt. Ist die Krise bald vorbei?

Das weiß niemand. Aber dass man sich wieder im Biergarten treffen kann, ist wichtig. Das hilft, die Starre zu lösen. Es tut der Psyche gut, wenn wir im Sommer in die Berge, an die Seen und ans Meer fahren können. Das schafft ein Gefühl von Freiheit; das hilft, die Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Daran arbeitet gerade die Bundesregierung. Wird das Konjunkturpaket wirken?

Was die Groko jetzt unter hohem Druck verabschiedet hat – dafür meinen Respekt. Das entspricht im Grundsatz dem, was wir bayerischen IHKs gefordert haben: Maßnahmen, die allen Branchen nutzen. Das ist der richtige Weg. Wenn wir das Konjunkturpaket jetzt klug umsetzen, könnte das der Impuls für den Neustart der Wirtschaft sein.

Was stimmt Sie so zuversichtlich? Bislang kommt die Wirtschaft nur mühsam in Gang.

Ausweitung des Verlustrücktrags, Senkung der Stromkosten, Investitionsanreize – das haben auch die IHKs gefordert. Jeder dieser Schritte hilft. Die Senkung der Umsatzsteuer war eine Überraschung, aber eine positive. Wenn all das zusammenwirkt, kann das den Schub bringen, den wir jetzt brauchen.

Kritiker sagen, die Senkung der Mehrwertsteuer sei nur heiße Luft. Aus Angst vor der zweiten Welle würden die Leute nichts kaufen.

Man kann die Konjunktur auch kaputtreden. Was wir jetzt brauchen, ist Zuversicht. Wir müssen Leben in unsere Citys und Läden bringen. Und selbst wenn die Steuersenkung nicht zu niedrigeren Preisen führt, bringt das den Händlern mehr Einnahmen. Auch das hilft.

Aber nur, wenn die Leute auch mit Maske shoppen gehen.

Wir müssen die Angst überwinden. Da spielt der Fußball eine wichtige Rolle. Man hat die Geisterspiele viel kritisiert. Aber es ist gut, dass es wieder um Titel und Abstieg geht. Das schafft ein Gefühl der Normalität.

Die Stimmung ist wichtig, letztlich brauchen die Firmen aber Aufträge.

Da hilft ein Punkt, den die Groko gut gelöst hat: Die Kommunen werden entschädigt für Hartz-IV-Kosten und Ausfälle der Gewerbesteuer. Bayerns Kommunen bleiben handlungsfähig. Das bedeutet viele Aufträge für Mittelständler, und das flächendeckend.

Es gibt leider Branchen, für die es selbst auf mittlere Sicht keine Kunden und Aufträge gibt.

Das haben wir der Politik gesagt, und sie hat zugehört. Die 25 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen sind gut investiert. Sie sichern unsere Branchenvielfalt. Wir werden in Bayern weiter Wirte, Hoteliers, Reisebüros und Messeveranstalter haben.

Haben Sie in den Krisenwochen auch persönlich Positives erlebt?

Ja, in meinem Unternehmen haben mich Mitarbeiter der Generation Y überrascht. Denen unterstellt man oft das Streben nach Work-Life-Balance. In der Krise haben die sich über 100 Prozent engagiert, sie sind die Extrameile gegangen. Das hat mich wirklich beeindruckt.

Hat die Krise der Digitalisierung zum Durchbruch verholfen?

Vor Corona gab es noch diese Schau’n-ma-mal-Haltung. Dann ging alles rasend schnell: Telefonkonferenzen, Video-Meetings und so weiter. In diesem Tempo müssen wir weitergehen. Vier Millionen deutsche Haushalte leben noch ohne Highspeed-Internet. Wir Familienunternehmer müssen die Generation Z, die Digital Natives, mit in die Verantwortung nehmen.

Welche Coronafolge hat Sie überrascht?

Vor Corona haben wir über verstopfte Straßen, einen überlasteten öffentlichen Personennahverkehr und Luftschadstoffe diskutiert. Das Homeoffice hat diese Probleme entschärft. Das ist eine gute Erfahrung. Als Konsequenz müssen wir jede Form öffentlichen Massenverkehrs – von der U-Bahn über den ICE bis zum Flugzeug – sicher und attraktiv gestalten.

Blicken wir auf das internationale Geschäft. Die Exporte sind eingebrochen. Wann rechnen Sie mit einer Wende?

Die Krise hat das Problem nur verschärft. Bayerns Wirtschaft hat Exportrekorde in Serie erzielt – aber mit Produkten der Vergangenheit. Das große Geschäft machen heute andere mit Software, Handelsplattformen, Smartphones. Die Frage ist doch: Wie gewinnen wir da Anschluss?

Vielleicht mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und Klimaschutz?

Guter Punkt. Klimaschutz gibt uns die Chance, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die uns an die Weltspitze bringen. Hier schiebt der Bund mit an. Mehr Geld für künstliche Intelligenz, Forschung, Entwicklung und grüne Mobilität tut sicher gut. Was fehlt, kann Berlin nicht schnell beschließen: Gründergeist.

Wie kommen Sie zu diesem Befund?

Eine Studie hat die Gründerneigung junger Menschen in 54 Ländern verglichen. Deutschland kam auf Platz 37. Wie gründe ich ein Unternehmen? Das sollte ganz schnell an deutschen Schulen und Universitäten gelehrt werden.

Zur Person

Eberhard Sasse (68) ist Präsident der IHK für München und Oberbayern und zugleich Präsident der neun bayerischen IHKs (BIHK). Sasse ist Gründer (1976) und Vorstandsvorsitzender der Dr. Sasse AG, einem Komplettanbieter im Facility Management. Die Gruppe hat rund 6.800 Mitarbeiter und einen Gruppenumsatz von 250 Millionen Euro.

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