Schwarze Tage, schwarze Zahlen?

Hohe Rabatte locken Kunden am »Black Friday«, »Cyber Monday« oder während der »Black Week«. Die Welle dieser neuen Shoppingtage ist vom E-Commerce längst in den stationären Handel geschwappt. Wann lohnt sich der Tausch von Marge gegen Frequenz?
EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 09/2022
Für Udo Siebzehnrübl bieten die Aktionstage rund um den Black Friday eine gute Gelegenheit, zusätzlichen Umsatz zu generieren. »Das ist eine starke, verkaufsaktive Zeit«, sagt der 62-jährige Einzelhändler, dessen Sporthaus Siebzehnrübl GmbH & Co. KG neben dem Haupthaus in Altötting fünf weitere Filialen betreibt. Vier davon befinden sich in Einkaufszentren. »Dort würden wir in diesen Tagen ohne Nachlässe kaum Umsätze machen«, sagt Siebzehnrübl. »Die Werbegemeinschaften der Center pushen die Black Week – auch die Kunden sind seit etwa fünf Jahren darauf geeicht, dass es in der letzten Novemberwoche günstige Angebote gibt.«
Auftakt zum Weihnachtsgeschäft in den USA
In den USA bildet der Black Friday den Auftakt des Weihnachtsgeschäfts. Dort ist der vierte Freitag im November ein Brückentag: Am Donnerstag zuvor wird das Familienfest Thanksgiving gefeiert. Weil die Menschen am folgenden arbeitsfreien Freitag Zeit zum Shoppen haben und die Straßen – zumindest in der Zeit vor dem Onlinehandel – traditionell schwarz vor Leuten waren, wurde dieser Tag »Black Friday« genannt.
Vor rund 20 Jahren rief ein US-Einzelhandelsverband den Montag nach Thanksgiving dann zum »Cyber Monday« aus, um den damals noch schwächeren Onlinehandel zu stärken. Heute sind Black Friday und Cyber Monday in die »Black Week«, eine Woche voller Aktionen und Schnäppchen, integriert.
Durch Onlinehandel nach Deutschland
Nach Deutschland kamen diese Aktionstage vor allem über den E-Commerce. Zunächst beteiligten sich große Plattformen und internationale Onlinehändler. Rasch zogen andere Internethändler und schließlich auch der klassische stationäre Handel nach. Während die Bekanntheit dieser Shoppingtage hierzulande mittlerweile sehr hoch ist, halten sich ihre Beliebtheit und die Glaubwürdigkeit der Rabattaktionen in Grenzen – anders als in den USA.
Aufwand für Vorbereitung nicht zu unterschätzen
Einzelhändler Siebzehnrübl ist froh, dass sich der Aktionszeitraum nicht nur auf den Black Friday beschränkt: »Ansonsten wären die Geschäfte an diesem Tag massiv überlastet. So können wir in einem größeren Zeitfenster Umsätze generieren.« Zudem dürfe der Aufwand für die Vorbereitung nicht unterschätzt werden. »Unser Team hat zwar schon eine gewisse Routine. Dennoch müssen wir die stark reduzierten Produkte auswählen, die wir in der Werbung und den Geschäften besonders herausstellen, und dafür Poster und Aufsteller produzieren«, erklärt er.
»Bei 5 bis 10 Prozent Reduzierung kommt keiner«
Für einen weiteren Teil des Sortiments räumt Siebzehnrübl 20 Prozent Rabatt ein. »Wenn ich nur um fünf oder zehn Prozent reduziere, kommt keiner. Und einen Nachlass von 25 Prozent kann sich wiederum kein Einzelhändler leisten.« Natürlich verkauft auch er lieber zum vollen Preis. »Doch wir erwirtschaften trotz Rabattierung einen Deckungsbeitrag – und die Umsätze, die wir in diesem drei bis vier Tage langen Zeitfenster generieren, sind nicht zu unterschätzen.«
Dass für den betriebswirtschaftlichen Erfolg von Black-Friday- oder Black-Week-Aktionen eine exakte Kalkulation unumgänglich ist, betont Einzelhandelsexperte Frank Rehme (61). Von einer Rabatt-Flatrate hält der Geschäftsführer des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Handel wenig bis gar nichts (siehe Kasten unten). »Mit Ausnahme der Discounter ist noch kein Handelsunternehmen allein durch Preisführerschaft erfolgreich geworden.«
»Eine Art Schlussverkauf«
Zudem nahe auch das Weihnachtsgeschäft. »Wenn Kunden das gleiche Produkt ein paar Wochen später auch zum Normalpreis kaufen würden, verschenkt der Händler durch Black-Friday-Rabatte wertvolle Marge«, so Rehme. Allerdings könnten die Shoppingtage für den Abverkauf von Einzelstücken oder älteren Artikeln genutzt werden – »als eine Art Schlussverkauf«, sagt der Experte.
Bei der CocoVero GmbH funktioniert dieser Ansatz sehr gut. Seit 2018 bietet das Münchner Trachtenlabel sowohl im Onlineshop als auch im Ladengeschäft Aktionsangebote am Black Friday und an den zwei, drei darauf folgenden Werktagen.
»Unsere Hauptsaison ist die Oktoberfestzeit und Anfang März, April kommt die neue Kollektion. Daher ist der kurze Zeitraum Ende November ideal, um über einen End-of-Season-Sale wieder Platz im Lager zu schaffen«, sagt Constanze Schnitzler (35), die gemeinsam mit Co-Gründerin Veronika Stork-Jacklbauer (36) die Geschäfte führt.
Lagerbestände entscheiden über Preisnachlässe
Die Rabatthöhe beginnt bei zehn Prozent, Einzelteile werden mitunter um 50 Prozent reduziert. »Wir gehen unsere Kollektion durch und entscheiden anhand der Lagerbestände über die Preisnachlässe«, so Schnitzler.
Werbung in Social Media
Die Aktion wird hauptsächlich über Instagram, TikTok und Facebook beworben. Da CocoVero auf diesen Social-Media-Kanälen nahezu 60.000 Follower hat, sorgt allein dies für ausreichend Resonanz. Im Onlineshop gibt es die Angebote von Freitag bis Sonntag, im Ladengeschäft nur Freitag und Samstag. »Online haben wir im vergangenen Jahr wirklich sehr, sehr gute Umsätze gemacht«, erinnert sich Stork-Jacklbauer.
»Im Laden immerhin noch sehr gute. Da wurden wir durch die Coronabeschränkungen etwas ausgebremst.« Mit einem neuen, größeren Ladengeschäft im Zentrum Münchens gebe es nun ganz neue Möglichkeiten – auch für Black-Friday-Aktionen.
Kunden warten schon
»Ich habe den Eindruck, dass unsere Kunden schon auf die Ankündigung warten«, sagt Schnitzler. Dass CocoVero auch in diesem Jahr wieder Angebote ausarbeiten wird, stehe bereits fest. »Was wir genau machen werden, das entscheiden wir allerdings erst nach dem Oktoberfest.«
Aktionen auch bewerben
Lohnt es, bei Aktionen rund um den Black Friday mitzumachen? Und wenn ja, wie? Fünf Empfehlungen des Einzelhandelsexperten Frank Rehme.
- Sind Sie als stationärer Händler in einem lokalen Handels- oder Marketingverbund aktiv, sollten Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen klären, ob Aktionstage sinnvoll sind. Wird eine Aktion durchgeführt, beteiligen Sie sich – aber nicht um jeden Preis.
- Ein klassischer mittelständischer Onlinehändler hat relativ geringe Chancen gegen die Marktingpower der großen E-Commerce-Anbieter. Selbst wenn Sie Ihre Preise drastisch senken, werden Sie kaum neue Kunden erreichen. Und die Kunden, die Ihre Website gezielt ansteuern, freuen sich zwar über Schnäppchen, hätten aber vielleicht auch zum vollen Preis gekauft.
- Bei Plattformhändlern sorgt die Plattform automatisiert für die Reichweite Ihrer Aktionsartikel. Rabattieren Sie jedoch nur ausgewählte Artikel, die Sie ohnehin abverkaufen möchten.
- Verzichten Sie generell auf Flatrate-Rabatte für Ihr gesamtes Sortiment. Wählen Sie genau aus, welche Artikel Sie günstiger anbieten werden. Laufen Sie dabei quasi in den Schuhen Ihrer Kunden: Gehen Sie Ihre Produktpalette durch und überlegen Sie, welche Artikel Ihre Kunden ohne Rabatt wohl nicht kaufen werden.
- Wenn Sie sich dazu entschließen, am Black Friday oder während der Black Week Aktionen durchzuführen, sollten Sie dies auch konsequent bewerben – unter anderem per Kundennewsletter sowie auf Ihren Social-Media-Kanälen.