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Alpentransitbörse – EU-Expertin Epiney: »Rechtlich machbar, sehr effizient«

Pierre-Yves Massot ©

Die EU-Rechtsexpertin Astrid Epiney erklärt, warum die Alpentransitbörse den Brenner-Verkehr nachhaltig verbessern könnte.

Martin Armbruster, Ausgabe 02/2022

Im Alpenraum hat die Alpentransitbörse viele Befürworter. Die Alpenschutz-Kommission CIPRA, die Alpeninitiative, der Alpenverein und das iMONITRAF!-Netzwerk der Alpenregionen unter Federführung Tirols setzen sich dafür ein, die Schweiz hat das Instrument sogar gesetzlich verankert.

Definition der Konzepte

Die Alpentransitbörse ist ein Konzept, bei dem der Marktpreis die Belastung durch den Schwerverkehr steuert. Anders als etwa die Korridormaut ist die Alpentransitbörse als grenzüberschreitende Lösung für den gesamten Alpenraum angelegt.

Astrid Epiney, Professorin für Europarecht und Direktorin des Europainstituts der Universität Fribourg in der Schweiz, hat sich im Rahmen einer großen Studie mit dem Modell beschäftigt. Sie erklärt, warum Verkehrsforscher und Ökonomen die Alpentransitbörse für die beste Option halten.

»Alpentransitbörse als effizientestes Instrument«

Frau Epiney, was spricht Ihrer Meinung nach für die Einführung einer Alpentransitbörse?
Die Grundannahme der Alpentransitbörse ist, dass man gern – wie beim Emissionshandel – eine Obergrenze haben möchte. Man definiert eine Zahl X, die angibt, wie viele Transitfahrten über die Alpen erlaubt sind. Die Zahl darf nicht überschritten werden, weil der Verkehr dann nicht mehr verträglich ist. Die Lizenzen für diese Transitfahrten werden versteigert. Eine Alpentransitbörse ist das effizienteste Instrument, um diese Obergrenze umzusetzen. Das sagen die Ökonomen, die an der Studie beteiligt waren.

Wäre es nicht einfacher, stattdessen die Maut zu erhöhen?
Wir haben auch zur Maut eine Studie gemacht. Wir haben in den Alpen das Problem, dass man die Dinge bislang unkoordiniert angeht. Wenn man nur am Brenner die Maut erhöht, stellt sich sofort die Frage der Verlagerung, was den Verkehr insgesamt nicht verringert. Die Transitbörse setzt leider viel Koordination voraus. Alle Alpenstaaten müssten dafür gemeinsam ein System entwickeln. Leichter umsetzbar wäre es, wenn die Länder alle ihre Maut erhöhen. Wenn das gut koordiniert ist, könnte auch das funktionieren.

Die Alpentransitbörse erhält von der Wissenschaft viel Zuspruch. Warum zeigt die Politik daran so wenig Interesse?
Das müssen Sie die Politik fragen. Wir haben eine klare Rollenteilung zwischen Wissenschaft und Politik. Wir entwickeln Konzepte. Es ist Aufgabe der Politik, über das beste Modell zu entscheiden und das dann umzusetzen.

»Rechtlich machbar und ökonomisch sinnvoll«

Nach Ansicht der Bayerischen Staatsregierung widerspricht eine Alpentransitbörse dem EU-Recht. Wäre das Modell überhaupt machbar?
Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Alpentransitbörse technisch umsetzbar und ökonomisch sinnvoll ist. Das haben meine Kollegen, die an der Studie beteiligt waren, in langen Beiträgen nachgewiesen. Auch rechtlich ist das unproblematisch. Man müsste ein paar Änderungen vornehmen im nationalen und europäischen Recht. Aber das wäre sehr gut machbar. Es fehlt offensichtlich der politische Wille, hier etwas zu tun.

Das Schweizer Verkehrsministerium hat die Transitbörse gefordert mit dem Hinweis, die Basistunnel reichten nicht aus. Kommt dieser Befund nicht überraschend?
Nein, ich sehe das ganz genauso. Wenn man die Verkehrswege verbessert, die Transportkapazitäten erhöht und auf begleitende Maßnahmen über den Preis verzichtet, schafft man mehr Nachfrage. Die Frage ist, ob diese höhere Nachfrage, also ein Mehr an Verkehr, noch verträglich ist, selbst wenn Sie einen Tunnel haben. Wir sehen das auch am Gotthard, dass das irgendwann nicht mehr verträglich ist.

Befürchten Sie, dass der Gotthard an seine Belastungsgrenzen kommt?
Ja, das ist absehbar. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie der Brenner Basistunnel geplant und ausgelegt ist. Aber auch dort sind die Kapazitäten begrenzt.

Müsste man für eine Lösung des Transitproblems nicht auch den Pkw-Verkehr miteinbeziehen?
Selbstverständlich kann man den Privatverkehr miteinbeziehen. Wir hatten in Deutschland die Diskussion mit der Pkw-Maut. Die war an sich nicht unzulässig – nur die Kombination mit der Senkung der Kfz-Steuer war das Problem. Eine streckenabhängige Maut für Pkws, wenn sie nicht diskriminiert, ist rechtlich gut machbar und eine Idee, über die man nachdenken kann. Es ist nur die Frage, ob die Politik das will.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit gehören heute zu Europas großen Zielen. Wäre das nicht der ideale Rahmen für die Transitbörse?
Ich halte die Transitbörse unverändert für eine gute Variante. Unsere Studie hat klar gezeigt: Wenn die Politik effektiv Güterverkehr auf die Schiene verlagern und Umweltbelastungen verringern will, wäre das ein geeignetes Modell.

Zur Person: Astrid Epiney

Astrid Epiney ist Professorin für Völkerrecht, Europarecht und öffentliches Recht sowie Direktorin des Europainstituts der Universität Fribourg. Im Auftrag der Europa-Region Tirol-Südtirol-Trentino hat sie die Studie »Zur Vereinbarkeit der Einführung einer Alpentransitbörse mit den Vorgaben des EU-Rechts« erstellt.

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