Phönix aus der Asche

Sanieren statt neu bauen – das kann auch bei brachliegenden Gewerbestandorten funktionieren. Welche Voraussetzungen gegeben sein sollten und wo die Vorteile liegen, zeigen Beispiele aus Oberbayern.
STEFAN BOTTLER, Ausgabe 05/2022
Gewerbestandorte benötigen große Flächen, haben ein hohes Verkehrsaufkommen, verursachen zahlreiche Emissionen und gelten außerdem als architektonisch wenig attraktiv. Solche Bedenken werden vor allem dann laut, wenn Logistikflächen geplant sind.
Verzicht auf weiteren Landschaftsverbrauch
Bei City Dock, dem neuen Businesspark für Produktion und Logistik in Kirchheim im Landkreis München, ist dies nicht der Fall. »Wir erweitern unser Angebot an Gewerbeflächen im Bestand und verzichten auf weiteren Landschaftsverbrauch«, freut sich Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) über den Bau, der Ende 2022 auf einer aufgelassenen Gewerbeimmobilie fertiggestellt werden soll. »Die nachhaltige Bauweise wird zeigen, dass ökonomische und ökologische Interessen in Einklang gebracht werden können«, so der 38-jährige Gemeindechef.
»neue Maßstäbe für nachhaltige Gewerbeimmobilien«
Der Projektentwickler Panattoni Germany Properties GmbH will mit diesem Bauvorhaben, das auf 16.000 Quadratmetern Flächen für kleine und mittlere Unternehmen schaffen will und unweit von zwei Autobahnen liegt, »neue Maßstäbe für nachhaltige Gewerbeimmobilien« setzen, wie es Managing Partner Fred-Markus Bohne formuliert.
Filter für 50 Prozent weniger Feinstaub
Mit Wärmedämmung, LED-Leuchten und anderen energiesparenden Maßnahmen möchte sich Panattoni deshalb nicht begnügen. City Dock plant mit Photovoltaikanlagen, Insektenhotels und durchgehend grünen Fassaden- und Dachflächen. Eine hochmoderne Luftfilteranlage soll Feinstäube um mehr als 50 Prozent reduzieren und ein architektonisch ansprechendes Bürogebäude an der Straßenfront »städtebauliche Akzente« (Bohne) setzen.
Auch in Sachen Flächenverbrauch will City Dock vorangehen. Der Businesspark entsteht auf dem Gelände eines ehemaligen Gleisbauunternehmens. Die alten Gebäude und Gleisanlagen wurden vollständig abgerissen. »Wir schaffen einen Mehrwert auch für Kommune und Bevölkerung«, versichert Bohne.
Areale wiederbeleben
Brachliegende Standorte von aufgegebenen oder weggezogenen Unternehmen existieren in zahlreichen Städten, daher sind Konzepte für eine Revitalisierung solcher Brownfields, wie Industriebrachen auch genannt werden, neuerdings sehr gefragt. Wenn eine Wohnbebauung nicht infrage kommt, liegt eine weitere gewerbliche Nutzung nahe.
Für Hans-Wolfgang Niedermair, Gründer und Geschäftsführer der Intaurus GmbH in Dachau, bieten Brownfields zahlreiche Vorteile. »In der Regel zeichnen sie sich durch gute Verkehrsanbindungen und bewährte Infrastrukturkonzepte aus«, erklärt er. »Außerdem existieren bereits Bebauungspläne, sodass Baumaßnahmen sofort angepackt werden können.«
Niedermair hat Erfahrung mit der Sanierung von aufgelassenen Unternehmensstandorten. Als Referenzbeispiel nennt er gern den Gewerbepark Karlsfeld im Norden von München. Vor rund fünf Jahren baute Intaurus den jahrelang verwaisten Einkaufsmarkt aus den 1970er-Jahren für rund zwölf Millionen Euro zu einem modernen Gewerbestandort um.
50 Prozent Unterschreitung der Energiesparverordnung
Mit runderneuerten Böden, Lichtbändern auf dem Dach, modernen Wärmedämmungen und LED-Leuchten konnte das Gebäude die Anforderungen der Energiesparverordnung um 50 Prozent unterschreiten. Die 15.000 Quadratmeter großen Flächen waren auch deshalb schnell vermietet. Außer einem Tochterunternehmen von MAN Bus & Truck SE sind Handwerksbetriebe, kleinere Logistikunternehmen und die Artdeco cosmetic GmbH eingezogen.
Anders als beim City Dock war der Abriss der Bestandsgebäude in Karlsfeld nicht nur wegen der deutlich jüngeren Bausubstanz kein Thema. Für Niedermair rechnen sich Brownfields vor allem dann, wenn eine Sanierung der Altbauten möglich ist. Der Entwickler spart sich so die Kosten für Abriss und Entsorgung.
»Baukosten dürfen Grundstückswert nicht übersteigen«
»Grundsätzlich dürfen die Baukosten den Grundstückswert nicht übersteigen«, schränkt der Immobilienexperte ein. Schließlich wollen Mieter für einen sanierten Bau nicht mehr zahlen als für einen Neubau«.
Ansonsten machen Entwickler die Erhaltung der vorhandenen Bausubstanz vom Einzelfall abhängig. Der Zustand des Dachs ist ebenso wichtig wie mögliche Belastungen der Böden. Außerdem müssen Nachrüstungen für den Brandschutz sowie neue Vorschriften für Bautechnik und -statik beachtet werden. Gerade auf diesen Feldern hat der Gesetzgeber die Anforderungen deutlich verschärft. Und natürlich sondieren Entwickler auch das Interesse von Investoren an erneuerten Standorten.
Beim Gewerbepark Karlsfeld ist diese Rechnung aufgegangen. Im Oktober 2020 verkaufte Intaurus das Objekt an den Versicherungskonzern Swiss Life AG in Garching. Dessen Immobilientochter Beos AG hat selbst Erfahrung mit der Sanierung von aufgelassenen Gewerbeimmobilien gesammelt. In Oberschleißheim im Landkreis München machte sie aus dem früheren Standort des Traditionsunternehmens Bruckmann Tiefdruck mit Bauten aus 1979er- und 1990er-Jahren den Gewerbepark Druckwerk.
Teilabriss, Revitalisierung und Neubau
Die Beos-Macher entschieden sich für eine Zwischenlösung mit Teilabrissen und Revitalisierungen. Gebäudeteile, die für die Produktion von Zeitschriften, Katalogen und Prospekten konzipiert waren, wurden durch multifunktionale Neubauten ersetzt.
Das Ergebnis ist ein Komplex aus fünf zusammenhängenden Bauten mit 27.000 Quadratmetern Mietfläche. Außerdem entstand auf der Südseite ein Ladehof, der eine ebenerdige Belieferung über die früheren Untergeschosse ermöglicht.
Dem Referenzobjekt sollen weitere folgen
Der runderneuerte Bau lockte prominente Mieter an. Die BMW AG entwickelt hier 3-D-Druckverfahren für Pkw-Teile, der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna konzipiert automatische Fahrsysteme, die Würth-Gruppe verkauft Werkzeug und Befestigungsmaterial. Von einem »modernen Campus mit individuellen Flächenkonzepten« schwärmen die Beos-Macher – und wollen dem Referenzbeispiel weitere folgen lassen.