Alle Seiten gewinnen

Immer mehr Unternehmen fördern das freiwillige Engagement ihrer Belegschaft. Sie haben die Vorteile und Chancen erkannt, die damit verbunden sind.
HARRIET AUSTEN, Ausgabe 12/2022
Unsere Arbeit ist eng mit der Gesellschaft verbunden«, sagt Paul Hansen-Resch, Prokurist der LaSalle Management Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH. »Da wollen wir die Augen nicht vor Not und Bedürftigkeit verschließen und unseren Beitrag leisten.« Er organisiert zusammen mit zwei Kollegen die Corporate-Volunteering-Aktivitäten der Firma. Damit ist die Förderung des freiwilligen Engagements von Mitarbeitern gemeint.
Das hat bei LaSalle weltweit Tradition, ist recht vielfältig und reicht von Einsätzen bei der Münchner Tafel über Weihnachtsgeschenke für ein Waisenhaus bis hin zu Ausflügen mit Demenzerkrankten.
Corporate-Volunteering statt Geldspende
Daran nehmen immer wieder andere der 50 Mitarbeiter in München teil. »So ist jeder mal dran«, bekräftigt Hansen-Resch. Die Teams sammeln dadurch wertvolle Erfahrungen: Sie verlassen ihre Komfortzone, schenken Freude und bekommen ein positives Feedback von den sozialen Einrichtungen und ihren Klienten. »Mehr kann man nicht wollen«, findet der 43-Jährige. Er merkt, wie zufrieden und motiviert die Mitarbeiter sind, wenn sie sich selbst einbringen, statt nur Geld zu spenden.
Alle gewinnen
Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter regelmäßig für einen kurz- oder längerfristigen gemeinnützigen Einsatz freistellen, haben erkannt, dass dadurch alle gewinnen: das Unternehmen, dessen Image bei Arbeitnehmern, Kunden, Shareholdern und in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen wird; die Mitarbeiter, deren Motivation und Bindung steigen, und nicht zuletzt die Gemeinwohlorganisationen, die den zeitlichen und fachlichen Input der Ehrenamtlichen dringend benötigen.
Corporate Volunteering (CV) hat aber noch ein weiteres Plus: Das Konzept eignet sich als besondere Maßnahme zur Personalentwicklung und -qualifizierung, als ideales Lernfeld fernab von Bildschirm und Seminarraum.
»Ein anderer Blick auf die Welt«
»Wir leben in einer isolierten Zahlenwelt«, sagt Stefan Brücklmeier, Director Procurement der Infineon Technologies AG aus Neubiberg. Für ihn ist »ein anderer Blick auf die Welt« ein Grund, 20 Mitarbeiter im Einkauf für einen Social Volunteering Day zu gewinnen. »Die Mitarbeit in gemeinnützigen Einrichtungen fördert Teamarbeit und Teamgeist und stärkt die fachliche und persönliche Kompetenz«, ergänzt der 42-Jährige. Er bearbeitete mit der Gruppe im Sommer den Garten eines Wohnheims für hilfsbedürftige junge Frauen und fand es »eine großartige Gelegenheit«, etwas zurückzugeben.
Doch wo findet man den geeigneten Kooperationspartner, um Corporate-Volunteering-Projekte zu planen? Unternehmen können sich zum Beispiel an den Lagfa Bayern e.V. wenden. Der Dachverband vertritt aktuell 126 Freiwilligenagenturen und -zentren sowie Koordinierungsstellen in ganz Bayern. Diese bringen Unternehmen und gemeinnützige Organisationen zusammen, beraten individuell und finden so das passende Engagement. Viele Wohlfahrtseinrichtungen verfügen aber auch über eigene Ehrenamtskoordinatoren.
2022: »Marktplatz Gute Geschäfte« vereinbart 69 Projekte
Brücklmeier und Hansen-Resch wählten einen anderen Weg. Sie nahmen wie 33 andere Unternehmen und Selbstständige am Marktplatz Gute Geschäfte teil, den die Münchner Freiwilligenagentur Tatendrang mit Unterstützung der Landeshauptstadt und der IHK veranstaltet. Dort treffen sich seit 2007 alle zwei Jahre Vertreter von Münchner Betrieben und sozialen Einrichtungen, um miteinander Geschäfte auszuhandeln. »In diesem Jahr wurden 69 Sozial- und Umweltprojekte vereinbart, in denen sich 425 Mitarbeiter mit 2.921 gespendeten Stunden engagieren«, freut sich Projektleiterin Isabel Schrimpf.
Sie bekam danach ein ganz besonderes Feedback: Es sei bisher der beste Marktplatz gewesen. »Das lag vor allem an der erzwungenen Coronapause«, berichtete Frau Schrimpf. Nach monatelangem Homeoffice konnten die Mitarbeiter endlich wieder zusammenkommen und gemeinsam etwas Sinnvolles auf die Beine stellen.
Auch IHK-Mitarbeiter nutzten diese Gelegenheit. Sie besuchten mit Senioren im Rollstuhl den Tierpark, gingen mit Pflegeheimbewohnern spazieren oder ein Eis essen. »Es war ein unglaubliches Erlebnis für uns, denn das Älterwerden und auch die Pflege sind leider immer noch ein Tabuthema, das uns aber alle begleiten wird«, lautet das Fazit von Corinna Bruder, Koordinatorin eines von der IHK München übernommenen Projekts.
Follow-ups geplant
»Wir werden in jedem Fall wieder am Marktplatz teilnehmen«, versichert LaSalle-Prokurist Hansen-Resch, der zum ersten Mal dabei war. Für ihn liegt der Vorteil vor allem darin, dass die Veranstaltung schnell und unkompliziert beide Seiten zusammenbringt, viel Spaß macht und sehr gut koordiniert ist. Er will in engem Austausch mit seinem Sozialpartner MünchenStift bleiben und noch weitere Follow-ups planen.
Langfristige Engagements als Ziel
Langfristige Engagements einzufädeln, ist auch ein Ziel des Marktplatzes. »Dann müssen die Unternehmen nicht jedes Jahr ein neues Projekt suchen«, hebt Projektleiterin Schrimpf hervor. Sie nennt auch gleich einige Erfolgsfaktoren für gelungene CV-Projekte: aktive Unterstützung durch die Unternehmensleitung einholen, Wünsche und Kompetenzen der Mitarbeiter berücksichtigen, Vorbehalte und Ängste ernst nehmen, Beschäftigte in Vorbereitung und Planung einbinden, auf Freiwilligkeit achten und auf die wirklichen Bedürfnisse der Hilfsbedürftigen eingehen.
Problembewusstsein durch Gespräche
»Wichtig ist auch, sich auf Augenhöhe zu begegnen und mit der anderen Seite ins Gespräch zu kommen«, fügt Schrimpf hinzu.Genau darin sieht auch Stefan Brücklmeier von Infineon einen positiven Effekt: »Wir haben viel über die Probleme der gemeinnützigen Einrichtungen geredet. Das alles erfährt man ja als Außenstehender sonst nicht.«