Klimaschutz | Standortpolitik

Zusammenhalten – Wandel gestalten

Alois Dallmayr/Menschen für Menschen ©
Kaffeeernte in Äthiopien – Dallmayr unterstützt soziale Projekte in dem afrikanischen Land

Die Umstellung hin zu einer zirkulären und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur, wenn sie zugleich sozial und gerecht abläuft. Welchen Beitrag Unternehmen leisten.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 09/2023

Es sind vor allem die Kaffeebohnen aus Äthiopien, die der Hausmarke des Delikatessengeschäfts Dallmayr den unverwechselbaren Geschmack geben. „Sie tragen entscheidend zu unserem Erfolg bei“, betont Johannes Dengler, der bei der Alois Dallmayr Kaffee OHG in der Geschäftsleitung sitzt. „Deshalb ist es für uns selbstverständlich, den äthiopischen Kaffeebauern auch etwas zurückzugeben.“ Bereits seit 2008 unterstützt das Münchner Familienunternehmen die humanitäre Organisation „Menschen für Menschen“. Gemeinsam mit ihr errichtete Dallmayr in Äthiopien eine Schule für mehr als 1.000 Kinder und pflanzte mehr als 52 Millionen Bäume.

Etwas zurückzugeben, sei nicht nur philanthropisch, sondern vor allem nachhaltig – und zwar in allen 3 Dimensionen der Nachhaltigkeit, sagt Dengler: „Wirtschaftlich sichern wir unsere eigene Produktion, ökologisch tragen wir durch die Bäume zu Klima- und Bodenschutz bei, sozial erleichtern wir den Kaffeebauern durch den stabilen Absatzmarkt und die Schulen bessere Entwicklungschancen und sozialen Aufstieg.“

Soziale Dimension der Nachhaltigkeit

Die Berliner Neurowissenschaftlerin und CSR-Expertin Franca Parianen findet solche Beispiele ermutigend. Nachhaltig zu wirtschaften bedeute, Prozesse unendlich wiederholen zu können, ohne dass sie an Grenzen stoßen, Schaden anrichten und ultimativ zusammenbrechen. „Immer mehr Unternehmen setzen zum Glück die ökologischen Grenzen des Wirtschaftens, Umwelt- und Klimaschutz auf die Agenda“, erklärt Parianen. „Die sozialen Grenzen zum Beispiel von Ungerechtigkeit und Ausbeutung hatten sie lange weniger im Blick. Das ändert sich zunehmend.“

Weltweit wachsende Ungleichheit und ihre verheerenden politischen, gesundheitlichen und ökologischen Konsequenzen seien nicht mehr zu ignorieren, sie beeinträchtigten die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten bereits, sagt Parianen: „Zukunftsorientierte Betriebe wissen, dass sie hier noch mehr Verantwortung übernehmen können und müssen.“

Teilen und teilhaben lassen

Bei der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit gehe es nicht um vereinzelte Großzügigkeit, betont die Expertin. Der Inbegriff der sozialen Nachhaltigkeit ist für sie das Teilen: „Die Beschäftigten, die Orte, an denen Betriebe ihren Sitz haben, die Partner in den Lieferländern sollten dauerhaft an dem erwirtschafteten Mehrwert teilhaben, sodass ein fairer sozialer Ausgleich entsteht.“

In der Folge wirken dann auch positive wirtschaftliche Effekte zurück: „Soziale Nachhaltigkeit fördert das Vertrauen, die Motivation, die Effizienz, die Produktivität“, so Parianen. „Die Zusammenarbeit intensiviert sich, Risiken sinken, die Geschäfte entwickeln sich besser.“ Zudem wachse die Arbeitgeberattraktivität, die Zahl der Kündigungen sinkt. „Soziale Nachhaltigkeit ist ein Bindungsfaktor“, ist Parianen überzeugt.

Ohne sozialen Ausgleich keine Klimarettung

Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen soziale und ökologische Risiken verstärkt zusammendenken, ergänzt Henrike Purtik, CSR-Fachfrau der bayerischen IHKs: „Die dringend notwendige Klimawende und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft werden nur gelingen, wenn niemand durch die anstehenden Veränderungen sozial ins Abseits gerät. Wir müssen alle Menschen mitnehmen – in Bayern, Deutschland, Europa, der ganzen Welt. Unternehmen können und müssen dazu im eigenen Interesse einen Beitrag leisten.“

Investitionen in eine faire Lieferkette und das soziale Engagement in den Lieferländern sind wie im Beispiel von Dallmayr ein ganz wesentlicher Beitrag von Unternehmen für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. Doch effektives Engagement kann auch am eigenen Standort und in der Region beginnen und Wirkung entfalten. Das zeigen Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Lohngerechtigkeit, betrieblicher Gesundheitsschutz, Inklusion, Diversität und Chancengerechtigkeit. Auch durch Spenden und gesellschaftliches Engagement leisten Unternehmen nicht nur einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft, sondern verbessern gleichzeitig das eigene Bild in der Öffentlichkeit und die Arbeitgeberattraktivität.

Anlaufstelle für Unternehmen

Die Landeshauptstadt München hat seit 2013 in ihrem Sozialreferat eine zentrale Anlaufstelle für Unternehmen, die sich engagieren wollen. Matthias Winter betreut dieses deutschlandweit einmalige Angebot. Er und sein Team beraten Firmen und vergeben einmal jährlich den Preis „Münchens ausgezeichnete Unternehmen“ für besonderes gesellschaftliches Engagement.

Die Ideen, die Unternehmen einbringen, sind ganz unterschiedlich: vom Friseur, der Geflüchteten und älteren Menschen mit wenig Geld kostenlos die Haare schneidet, bis hin zu großen Firmen, die Barrierefreiheit fördern oder Kindern kostenlos IT-Kurse geben. „Entweder die Unternehmen generieren aus ihrer Kernkompetenz ein Angebot. Oder sie entwickeln mit uns gemeinsam eine Maßnahme beziehungsweise docken an bestehende Projekte an“, erläutert Winter. Wichtig sei, dass das Engagement zum Bedarf der Stadtgesellschaft passt.

Engagement bedarfsgerecht steuern

„Aktuell brauchen wir Unterstützung in den weniger wohlhabenden Stadtteilen, um die Bewohnerinnen und Bewohner, ergänzend zur öffentlichen Daseinsfürsorge, vor allem im Hinblick auf soziale Teilhabe, Nachhaltigkeit, Gesundheit oder Bildung zu stärken.“ Dabei legt Winters Team Wert darauf, dass Unternehmen möglichst nicht nur Geld spenden, sondern sich dauerhaft selbst einbringen. „Auch freuen wir uns, wenn sie nicht nur den bekannten Organisationen helfen, sondern daneben wirkungsvolle kleinere Initiativen mit innovativen Projektideen unterstützen“, so Winter.

Gutes tun und darüber reden

Wer sich sozial engagiert oder ein Unternehmen nachhaltig führt, sollte auch darüber sprechen dürfen, findet Philipp Exler, Managing Director der forStory GmbH & Impactfilm gGmbH in München. „Nachhaltigkeitskommunikation heißt, glaubwürdig zu zeigen, welche Nachhaltigkeitsansätze im Unternehmen bereits gelebt werden und wohin es gehen soll.“ Das Ziel sei, anderen Firmen praktische Impulse zu geben, damit auch sie zum Mitstreiter werden.

Ehrliche Botschaft statt perfekter Performance

„Wir nehmen die Welt über Geschichten wahr. Deshalb brauchen wir ein neues Narrativ der nachhaltigen Entwicklung.“ Seine Firma dreht für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen Filme über deren Engagement, die dann auf deren Website, auf Social-Media-Plattformen oder im Kino gezeigt werden. Dabei sollen die Filme authentisch und emotional, aber auch handlungsorientiert sein. „Viele Unternehmen befinden sich in einem Wandel und es muss noch nicht alles perfekt sein, aber ehrlich – dann kommt die Botschaft an“, so Exler.

„Regulatorik überfordert Mittelstand“

Bleibt die Frage, welche Rolle regulatorische Vorschriften bei der sozialen Nachhaltigkeit spielen sollten. Expertin Parianen hält sie für grundsätzlich notwendig: „Der Markt allein kann nicht alles regeln.“ Dallmayr-Manager Dengler hingegen meint, dass die Regulatorik absehbar übersteuert und den Mittelstand überfordert. „Alle Vorgaben wie CSR-Berichte, Sorgfalt in der Lieferkette, insbesondere auch die zu erwartende Nachweispflicht, dass Produkte wie unser Kaffee entwaldungsfrei sein müssen – das alles kostet in der Umsetzung sehr viel Zeit und Geld“, sagt er. „Wir würden das lieber direkt in unser soziales Engagement einbringen.“     

IHK-Infos zur Nachhaltigkeit

Auf der IHK-Website zur Nachhaltigkeit gibt es viele grundsätzliche und aktuelle Informationen.

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