Klimaschutz | Standortpolitik

Nachhaltig berichten

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Wie steht es um die Nachhaltigkeit im Unternehmen?

Die EU plant, die Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit zu verschärfen. Künftig sollen weit mehr Unternehmen als bisher Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen. Wie sich Firmen vorbereiten können.

Gabriele Lüke, Ausgabe 01/2022

Grafen halten Kurs.« Mit diesem Motto, das auf den Visionär und Firmenurahn Graf Ferdinand von Zeppelin zurückgeht, beschreibt Geschäftsführer Christian Dummler (57) gern den systematischen Weg der Zeppelin GmbH in Garching zu mehr Nachhaltigkeit. 2015 mit ersten Nachhaltigkeitsüberlegungen gestartet, peilt der Baumaschinenhändler inzwischen Klimaneutralität an. »Wir wollen, dass unser Unternehmen auch in Zukunft so erfolgreich bleibt – also müssen wir zunehmend nachhaltiger agieren. Bereits 2030 wollen wir CO2-frei wirtschaften«, erklärt Dummler. Damit sieht er das Unternehmen zudem gut auf verschärfte Vorgaben vorbereitet. »Auch wir werden voraussichtlich berichtspflichtig werden und fühlen uns durch unsere bisherigen Anstrengungen gut aufgestellt.«

Seit 2017 gilt in Deutschland das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, kurz CSR-RUG. Es setzt die europäische Richtlinie zur CSR-Berichterstattung um und betrifft Themen, die unter die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, kurz: CSR) fallen – vom Umwelt- und Klimaschutz über Geschlechtergerechtigkeit bis hin zu fairen Lieferketten. Im April 2021 legte die EU-Kommission den Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor, die die Nachhaltigkeitsberichtspflichten von Unternehmen verschärfen soll.

Berichtspflicht schon 2024

Setzt sich der Kommissionsvorschlag wie erwartet durch, müssen ihn die Nationalstaaten bis Dezember 2022 umsetzen. Deutschland wird dafür das CSR-RUG überarbeiten. Ab dem zum 1. Januar 2023 beginnenden Geschäftsjahr müssten die Unternehmen dann die neuen Regeln anwenden und 2024 erstmals nach CSRD berichten. »So will die EU in CSR-Fragen mehr Transparenz in die Wirtschaft bringen und den Green Deal beschleunigen«, erklärt Frank Ebinger (53), Forschungsprofessor für nachhaltigkeitsorientiertes Innovations- und Transformationsmanagement an der TH Nürnberg.

Die CSRD sieht folgende Änderungen vor: Die Berichtspflicht bezieht nicht mehr nur kapitalmarktorientierte Unternehmen ein, sondern alle Unternehmen, die zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllen:

  • Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro
  • Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Millionen Euro
  • mindestens 250 Beschäftigte.

Zusätzlich sollen kleine und mittlere Unternehmen ab zehn Mitarbeitern ab 2026 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet werden, sofern eine Kapitalmarktorientierung vorliegt. Damit würde sich in Deutschland der Kreis der berichtspflichtigen Firmen von 500 auf rund 15.000 vergrößern.

Ebenso erweitern sich die inhaltlichen Anforderungen. Die Unternehmen müssen die für sie wesentlichen Themen der Nachhaltigkeit bestimmen und sie qualitativ, quantitativ, rückblickend sowie zukunftsgerichtet erläutern. Konkret geht es beispielsweise um Nachhaltigkeitsziele und -risiken, die 1,5-Grad-Konformität, die Rolle von Geschäftsführung und Kontrollgremien für die Nachhaltigkeit oder den Einbezug der Stakeholder. Die EU entwickelt dafür aktuell eigene Nachhaltigkeitsberichtsstandards. Formal soll der Nachhaltigkeitsbericht zwingend in den Lagebericht integriert und gleichzeitig mit ihm veröffentlicht werden. Die Nachhaltigkeitsdaten sollen extern geprüft werden und dem Bilanzeid unterliegen.

Prinzip der doppelten Materialität

»Mit der CSRD hält nun endgültig das Prinzip der doppelten Materialität oder Wesentlichkeit Einzug in die Lageberichte«, ergänzt Experte Ebinger. »Für die Beurteilung eines Unternehmens zählt ab 2023 nicht mehr nur die finanzielle Lage, sondern eben auch seine Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft. Beide Aspekte sind gleichermaßen wesentlich.«

Ebinger rät Unternehmen, sich auf die neuen Anforderungen gut vorzubereiten. Sie sollten rechtzeitig eine digitale, organisatorische und personelle Infrastruktur sowie Managementprozesse aufbauen. Dann könnten sie eine Bestandsaufnahme machen, die wesentlichen Themen bestimmen, Daten erheben und interpretieren und der doppelten Berichtsperspektive gerecht werden.

Integration von EMAS und GRI gefordert

Der Experte sieht Firmen im Vorteil, die bereits Tools wie das Umweltmanagementsystem EMAS nutzen oder schon nach einem anerkannten Berichtsstandard wie GRI (Global Reporting Initiative) oder DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) berichten. Ebinger weist zudem auf weitere Aspekte hin: »Die neue CSRD verlangt umfangreich Auskunft. Das gibt die Chance, weitere spezifische Berichtspflichten wie etwa zu Lieferketten und Menschenrechten gleich mitzubehandeln, Widersprüche aufzudecken, Effizienzen zu heben, Kosten zu sparen.« Gleichzeitig fordert er von der EU, beim neuen Berichtsstandard bereits bestehende und bewährte Umweltmanagementsysteme wie EMAS oder Berichtsstandards wie GRI sichtbar zu integrieren.

Die erweiterten Aufgaben der Wirtschaftsprüfer hält der Experte ebenfalls für einen Knackpunkt: »Ihr Know-how konzentriert sich auf Finanzperspektiven. Sie sollten zur Unterstützung für eine solche umfassende Prüfung ausgewiesene Experten, zum Beispiel staatlich zugelassene Umweltgutachter, gleichberechtigt hinzuziehen müssen.« Die Vorgabe, den finanziellen und nichtfinanziellen Bericht gemeinsam zuveröffentlichen, sieht er »zumindest am Anfang« als Herausforderung.

»Unternehmen, die erstmals unter die Berichtspflicht fallen, sollten sich frühzeitig mit den neuen Vorgaben auseinandersetzen«, sagt Henrike Purtik, CSR-Fachfrau der bayerischen IHKs. Sie betont auch die Vorteile: »Die doppelte Materialität zwingt die Betriebe, zukunftsorientiert zu denken. Sie werden als Arbeitgeber und Partner attraktiver und glaubwürdiger. Und auch Finanzinstitute oder Investoren werden Betriebe besser bedienen, wenn sie sich auf Nachhaltigkeit einlassen.«

Blick in die Praxis

Wie nun kann die Umsetzung konkret aussehen? Die Zeppelin GmbH hat inzwischen zwei Nachhaltigkeitsberichte erstellt und sich dabei am GRI-Standard orientiert. Als ihre wesentlichen CSR-Themen hat sie Energie, CO2, Wasser, Abfall, Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz, Mitarbeiterzufriedenheit, Spenden und Sponsoring, Compliance und Datenschutz bestimmt. Um zu diesen vielfältigen Themen berichten zu können, wurden passende Kennzahlen entwickelt und personelle Verantwortlichkeiten aufgebaut. Auch die Mitarbeiter wurden für die Themen sensibilisiert.

In der Geschäftsleitung des Gesamtkonzerns wie auf der Leitungsebene der sechs Geschäftseinheiten gibt es jeweils einen Verantwortlichen für Nachhaltigkeit sowie für Diversity und Inklusion. Sie arbeiten eng mit den Themenexperten auf der operativen Ebene zusammen, den Energiemanagern, Datenschutzbeauftragten und Arbeitsrechtlern. Aktuell wird zudem ein CSR-Managementtool ausgewählt.

»Aus Überzeugung, aber auch, weil es uns Nutzen bringt«

»In unserem jährlichen Strategieprozess überprüfen wir die Wirksamkeit unserer CSR-Strategie und schärfen im Bedarfsfall nach«, erklärt Geschäftsführer Dummler. So entstehe ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. »Sowohl die finanziellen als auch die nichtfinanziellen Zahlen zu erheben und damit die weitere Entwicklung des Unternehmens zu steuern, daran führt heute kein Weg mehr vorbei – wir machen das aus Überzeugung, aber auch, weil es uns Nutzen bringt«, sagt Dummler. »Wir steigern zum Beispiel unsere Arbeitgeberattraktivität, beugen steigenden CO2-Preisen vor und erhalten Fremdkapital zu guten Konditionen für Investitionen.«

Was ihn an dem EU-Vorhaben stört, sind daher weniger die inhaltlichen als die formalen Vorgaben. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Jahresabschluss einzubeziehen, werfe Unternehmen zeitlich aus der Bahn. Es wäre gut, die Berichte zu entkoppeln. Einen eigenen EU-Berichtsstandard beurteilt er ebenfalls kritisch: »Den Aufwand sollte die EU uns ersparen – es gibt bewährte Standards wie GRI.«

Auch die himolla Polstermöbel GmbH in Taufkirchen/Vils wird in Zukunft nach CSRD berichten müssen. »Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit uns zukunftsfähig hält, deshalb haben wir uns schon vor 20 Jahren auf den Weg gemacht – und sind nun auf die CSRD gut vorbereitet«, sagt himolla-Qualitäts- und Umweltmanager Anton Lechner (57). Bereits Ende der 1990er-Jahre installierte das Unternehmen das Europäische Umweltmanagementsystem EMAS.

Sechsköpfiges internes Expertenteam

Weitere CSR-Engagements sind hinzugekommen, etwa die Zertifizierung »Blauer Engel«, die Mitgliedschaft in der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel (DGM) oder im Klimapakt Bayern. »Am Anfang haben wir unser Engagement, insbesondere EMAS, über einen externen Dienstleister umgesetzt – es erwies sich später aber als besser, interne Experten aufzubauen und kontinuierlich weiterzubilden«, erklärt Lechner. »Damit konnten wir Umweltschutz und Nachhaltigkeit viel tiefer im Unternehmen verankern, alle fühlten sich plötzlich mitverantwortlich, arbeiteten den Experten zu. Nachhaltigkeit ist für jeden Beschäftigten inzwischen wichtig geworden.«

Das Expertenteam, das Lechner führt, besteht heute aus sechs Personen mit Expertise in Umwelt-, Energie- und Qualitätsmanagement, Einkauf und Technik. Sie sind im Unternehmen gut vernetzt, tauschen sich alle zwei Wochen untereinander aus. Dreimal im Jahr sitzt Lechner zudem mit der Geschäftsführung im Umwelt-Energieausschuss zusammen, berichtet und bespricht mit der Leitungsebene, welche CSR-Themen als Nächstes angegangen werden.

Keine zusätzliche Bürokratie gefordert

Was Lechner wichtig ist: »Um die Bestimmung der Themen, die Erhebung und Interpretation der Daten bestmöglich zu gewährleisten, legen wir neben dem internen Austausch auch viel Wert auf Kommunikation mit Partnern in externen Netzwerken. Man kann sehr viel voneinander lernen, kommt gemeinsam weiter.« Die Ideen der EU kann Lechner grundsätzlich mittragen – so auch das Prinzip der doppelten Materialität: »Sie erweitert die Perspektive, zeigt uns die offenen CSR-Baustellen, lässt uns aber auch erkennen, welche ökologischen und sozialen Maßnahmen sich auch langfristig finanziell rechnen.«

Zugleich fordert er, dass die CSRD den Firmen keine zusätzliche Bürokratie beschert. »Eingespielte Berichtsstandards übernehmen zu können, anstatt sich an neuen aufzureiben, wäre pragmatisch und im Sinne der Nachhaltigkeit von größerer Wirkung.«

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