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Flüssig bleiben, auch in der Coronakrise

Unternehmen brauchen gerade in Krisenzeiten ein konsequentes Forderungsmanagement. Welche Instrumente sie dabei einsetzen können und worauf sie besonders achten sollten.

Monika Hofmann, Ausgabe 05/2021

Max Herfurt* war schockiert. Die Möglichkeit, dass sein bester und wichtigster Großkunde zahlungsunfähig werden könnte, hatte der Industrieunternehmer überhaupt »nicht auf dem Radar«, wie er es selbst formuliert. Und dennoch war genau das in der aktuellen Coronapandemie passiert. Der mittelständische Zulieferer, den Herfurt führt, konnte den Ausfall gerade so verkraften – auch dank seiner flexiblen Banken. Der Unternehmer hat daraus vor allem eines gelernt: Wirksames Forderungsmanagement spielt gerade in Krisenzeiten eine enorm wichtige Rolle.

Inzwischen prüft Herfurt jeden Monat die Bonität aller Kunden, auch die der Bestandskunden. Zudem nutzt er Instrumente wie Forderungsausfallversicherungen und Factoring. Herfurt: »Damit fühlen wir uns jetzt besser für solche Bedrohungen gewappnet.«

Die Forderungsausfallversicherungen (Kreditversicherungen) gehören zu den wichtigsten Instrumenten eines weitsichtigen Forderungsmanagements, das Firmen vor Insolvenzen und Krisen bewahren kann. »Gerade jetzt ist das überaus wichtig«, sagt Oliver Nerz, betriebswirtschaftlicher Berater der IHK für München und Oberbayern in der Geschäftsstelle Rosenheim. »Denn nur mit einem durchdachten Forderungsmanagement sorgen die Betriebe dafür, dass ihre Rechnungen tatsächlich beglichen werden.«

Sechs wichtige Instrumente für ein professionelles Forderungsmanagement:

1. Bonität immer wieder prüfen

Bevor Unternehmen Geschäftsbeziehungen eingehen, sollten sie sich Informationen über die Bonität des Kunden verschaffen. »Das gilt aber auch für Bestandskunden«, mahnt IHK-Betriebsberater Nerz. Viele Firmen würden dies vernachlässigen. Genauso wichtig ist es, diese Informationen regelmäßig und oft zu aktualisieren, etwa mithilfe von Wirtschaftsauskunfteien. Bei guter Bonität ist es sinnvoll, den betreffenden Kunden Lieferantenkredite einzuräumen. Umgekehrt gilt als Alarmzeichen, wenn ein Unternehmen folgende Fragen zu einem Kunden überwiegend mit »Ja« beantworten muss:

  • Hat sich das ursprünglich vereinbarte Zahlungsziel des Kunden verlängert?
  • Überschreitet der Kunde es oft?
  • Zahlt er nur Teilbeträge?
  • Hat er hohe Bestände und veraltete Maschinen?
  • Lässt das Image der Produkte nach?
  • Gewährt er erhöhte Rabatte?
  • Sind die Kapazitäten nicht ausgelastet?

Treffen mehrere dieser Punkte zu, sollten Unternehmen davon ausgehen, dass sich die Bonität des Kunden verschlechtert hat. »Dann gilt es, weitere Maßnahmen zu ergreifen«, empfiehlt IHK-Betriebsberater Nerz.

2. Risiken an Versicherer auslagern

Kreditversicherungen springen immer dann ein, wenn Forderungen wegen zahlungsunfähiger Kunden ausfallen, wenn Insolvenzverfahren eröffnet und mangels Masse abgelehnt wurden oder die Zwangsvollstreckungen ohne Erfolg blieben. Als Argument für solche Versicherungen, die auch Forderungsausfallversicherungen genannt werden, verweist IHK-Betriebsberater Nerz auf die durchschnittlichen Insolvenzquoten der vergangenen Jahre, die für Firmen bei 3,9 Prozent der Forderungen lagen. Das bedeutet: Gläubiger erhielten bei Insolvenzverfahren im Durchschnitt lediglich 3,9 Prozent ihrer Forderungen zurück.

Allerdings gilt es, schnell zu reagieren und bereits vor beziehungsweise spätestens bei den ersten Anzeichen einer Bonitätsverschlechterung solche Versicherungen abzuschließen. »Sind schon erste Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt, ist dieser Weg verschlossen«, erklärt Nerz. Der Zeitpunkt für den Einsatz von Instrumenten wie Forderungsausfallversicherungen ist derzeit grundsätzlich günstig. Denn die Bundesregierung und die großen Kreditversicherer haben sich darauf geeinigt, die Lieferketten auch weiterhin mit einem gemeinsamen Schutzschirm abzusichern. Bis zum 30. Juni 2021 übernimmt die Regierung die Garantie für Entschädigungen der Kreditversicherer in einer Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro.

Thomas Stephan, geschäftsführender Gesellschafter der Hansekontor Süd Maklergesellschaft mbH in Herrsching bei München, sieht darin prinzipiell eine gute Nachricht für Unternehmen. Denn Versicherer mussten lange Zeit damit zurechtkommen, dass ihre Risikoprämien über Jahre hinweg sanken. »Jetzt haben sie ihre Prozesse optimiert, sie sind schneller und digitaler geworden, haben dabei auch ihre Portfolios bereinigt«, so Stephan. Firmen müssten dennoch nicht befürchten, dass die Versicherer einen Schnitt vornehmen und ganze Branchen ausschließen, betont er: »Viele Unternehmen werden individuell beurteilt und bewertet.« Das gelte ebenfalls für die Zeit nach Auslaufen der Staatsgarantie. Allerdings sollten Firmen damit rechnen, dass die Prämien für Kreditversicherungen künftig wieder steigen werden.

Betriebsberater Nerz fürchtet jedoch, dass das Ende der Staatsgarantie einige Firmen in eine Zwickmühle bringen könnte: »Bereits jetzt ist feststellbar, dass so mancher Kreditversicherer seine Deckungen kürzt oder dass die Kosten hierfür steigen.« Das wirke sich beispielsweise auf Unternehmen aus, die Factoring (siehe 3.) nutzen. Denn dafür ist eine bestehende Forderungsausfallversicherung Voraussetzung. »Unternehmer sollten daher prüfen, ob sie als Alternative ausreichend Betriebsmittellinien zur Verfügung haben«, rät der IHK-Berater.

3. Factoring zur Finanzierung nutzen

Beim Factoring verkauft ein Unternehmen seine Außenstände ganz oder teilweise an eine Factoringfirma, die das Bonitäts- und Insolvenzrisiko übernimmt. Im Gegenzug erhält das Unternehmen sofort einen Großteil der offenen Forderungen, was seine Liquidität deutlich steigert.

»Wer auf Factoring setzt, lagert damit nicht nur das Risiko gefährdeter Forderungen aus«, beschreibt Hansekontor-Geschäftsführer Stephan die wichtigsten Pluspunkte: »Er steigert zudem seine Liquidität, entlastet seine Bilanz, verbessert die Eigenkapitalquote und kann Factoring daher als Finanzierungsinstrument einsetzen.« Factoring eignet sich für Unternehmen jeder Größe.

4. Zahlungsvereinbarungen optimieren

Mit angepassten Zahlungsvereinbarungen lassen sich in Krisen oft noch Teilforderungen sichern. Ebenso können sich Firmen, sobald eine Forderung entsteht, ein Sicherungsrecht an den Vermögenswerten des Kunden einräumen lassen. So können sie ihre Ansprüche bei einer späteren Insolvenz leichter durchsetzen. IHK-Berater Nerz: »In schwierigen Zeiten vereinbaren die Unternehmen am besten Vorkasse, um die eigene Stabilität zu sichern.«

5. Forderungen gezielt steuern

»Unternehmen, die ihre Kennziffern immer im Blick behalten, können die Forderungen quasi über ein Cockpit steuern«, sagt IHK-Betriebsberater Nerz. Dazu müssen Firmen jedoch regelmäßig die wichtigsten Kennziffern des Forderungsmanagements ermitteln, sie immer wieder aktualisieren und ständig überwachen. So können sie verhindern, dass sie ins Schleudern geraten, weil sie Krisensignale übersehen. Wer Risiken rechtzeitig identifiziert, kann noch umsteuern und etwa umschulden oder umstrukturieren.

6. Professionell mahnen

Was tun, wenn Rechnungen nicht fristgerecht bezahlt werden? »Vor allem geht es darum, Ausfälle zu vermeiden und mit unbezahlten Außenständen effektiv umzugehen«, betont IHK-Betriebsberater Nerz. Selbst bei wichtigen Kunden sollten Unternehmen sich nicht scheuen, möglichst rasch weitere Schritte einzuleiten. Dabei ist es wichtig, zunächst die Situation der Kunden zu prüfen und – falls nötig – Mahnprozesse zu starten.

Über reduzierte Beträge und vereinfachte Zahlungspflichten sollten die Firmen noch verhandeln, bevor sie bei erfolglosem Inkasso gerichtliche Mahnbescheide beantragen. Damit erhalten sie einen gerichtlichen Titel, der für Forderungen 30 Jahre gültig bleibt. Am besten suchen die Unternehmen gemeinsam mit jedem ihrer krisengeschüttelten Kunden nach Lösungen, mit denen beide Seiten leben können. So lässt sich die Geschäftsbeziehung für die Zukunft erhalten.

Weitere Informationen zum Forderungsmanagement auf der IHK-Webseite zum Forderungsmanagement

*Der Unternehmer möchte anonym bleiben. Sein Name ist der Redaktion bekannt.

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