Die Bagger kommen

Neue Sicherheitsbestimmungen führen bei vielen Baustellen zu großräumigeren Umfahrungen als bisher – mit negativen Folgen für den Verkehr. Wie lässt sich das verhindern?
Stefan Bottler, Ausgabe 03/21
Stefan Kerscher (44), Geschäftsführer der Rapid Kurierdienste KG, ist genervt. »Immer mehr Baustellen ziehen sich über Wochen oder gar Monate hin und können nur großräumig umfahren werden«, sagt der Unternehmer. »Für zahlreiche Touren müssen wir deswegen lange Umwege planen.« Als unlängst in Grünwald im Landkreis München Durchgangsstraßen über mehrere Monate hinweg saniert wurden, leiteten die kommunalen Behörden sämtliche Verkehre über Taufkirchen um. Pro Tour mussten die Kurierfahrer fast 20 Kilometer zusätzlich zurücklegen.
Verkehrsexperten bestätigen Kerschers Beobachtung. »Als Folge der anspruchsvolleren Schutzbestimmungen für Bauarbeiter müssen bei der Einrichtung von Baustellen größere Sicherheitsabstände eingehalten werden«, sagt Tobias König, Referent für Verkehr bei der IHK für München und Oberbayern.
Neue Arbeitsstättenregel gilt
Denn die neue Arbeitsstättenregel (ASR) schreibt strengere Sicherheitsvorschriften vor, die bei der Verkehrsführung durch die Baustelle oder bei der Umleitungsstrecke zu berücksichtigen sind. Reichen zum Beispiel auf einer Fahrspur die Abstände nicht aus, muss auch die benachbarte Fahrbahn gesperrt werden. Wenn dadurch die Straße in beiden Richtungen blockiert ist, müssen Autofahrer oft lange Umwege zurücklegen.
Mehr Vollsperrungen auf Landstraßen erwartet
Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat deshalb eine »Handlungshilfe« für Behörden und Bauunternehmen ausgearbeitet. »Möglichst bereits in der Planungsphase« sollen diese das neue Regelwerk berücksichtigen, heißt es aus dem Ministerium: Es sei zu erwarten, dass die »Gesamtabwägung von Arbeitsschutz und Verkehrssicherheit insbesondere auf Landstraßen vermehrt zu Vollsperrungen« führen werde.
Aber auch in den Innenstädten verursachen Baustellen Engpässe, die Unternehmen schwer zu schaffen machen. Die IHK rät, sich präventiv am Baustellenmanagement zu beteiligen. »Kooperieren Sie mit Bauträgern, Behörden und weiteren betroffenen Unternehmen und stimmen Sie Zufahrtswege, Parkmöglichkeiten und Ausschilderungen ab«, empfiehlt IHK-Referent Joseph Seybold.
Oft kein oder zu wenig Info-Vorlauf vor Baumaßnahmen
Voraussetzung hierfür ist, dass die Betriebe rechtzeitig über geplante Baumaßnahmen Bescheid wissen. Genau daran hapert es jedoch oft. Viele Rathäuser und Landratsämter informieren über geplante Baustellen zwar in Pressemitteilungen und auf ihren Webseiten. Allerdings werden vor allem kleinere Baumaßnahmen nicht ausreichend kommuniziert. Manches Unternehmen erfährt von ihnen erst, wenn die Bagger am Firmeneingang vorfahren. Insbesondere Betriebe in Großstädten berichten von solchen Erfahrungen.
1 Koordinator für mehr als 1.000 städtische Baustellen pro Jahr
Kein Wunder: Auch gut eingespielte Behörden haben Mühe, die zahlreichen Baustellen im Stadtgebiet zu koordinieren. In München betreut der hauptamtliche Koordinator des Baureferats jährlich mehr als 1.000 Baustellen. Hinzu kommen Projekte überregionaler Bauträger und privater Investoren. Die Landeshauptstadt informiert über die wichtigsten Brennpunkte in einer Jahresübersicht und listet laufende Baustellen auf muenchen.de auf. »Das genügt jedoch nicht«, sagt IHK-Experte Seybold.
Online-Portal für Baustellenmanagement geplant
Für die Zukunft plant die Landeshauptstadt ein Onlineportal, über das Baustellen angemeldet und öffentlich bekannt gegeben werden sollen. Zugleich soll es über die Dauer und den Umfang der jeweiligen Baumaßnahme informieren und es Betroffenen ermöglichen, auf das Baustellenmanagement Einfluss zu nehmen.
Die Ausschreibung für das Vorhaben mit dem Arbeitstitel BAU-ER (Baustellen- und Ereignismanagement) hat das IT-Unternehmen Prisma Solutions für sich entschieden. Das österreichische Systemhaus hat bereits vergleichbare Projekte in mehreren norditalienischen Städten realisiert. Jetzt jedoch liegt BAU-ER wegen der Coronakrise auf Eis. Einen konkreten Einführungstermin kann die Stadt nicht nennen.
Bei Unternehmen würde ein solches Portal auf reges Interesse stoßen. Sie drängen schon länger auf eine bessere Einbindung in geplante Baumaßnahmen. »Jede Straßenbaustelle sollte mit den betroffenen Gewerbetreibenden abgestimmt werden«, fordert Gert Wohlgemuth (72), Geschäftsführer des Münchner Taxi Zentrums (MTZ). »Häufig werden deren Geschäfte weit mehr als notwendig beeinträchtigt.«
Wiederholt musste das MTZ die Erfahrung machen, dass Flächen für Taxistände ungefragt für die Baustellenversorgung eingeplant werden. »Die städtischen Behörden bieten häufig keine adäquaten Ersatzflächen an«, sagt Wohlgemuth, der auch Vorstand des Taxiverbands München ist. Als Konsequenz gibt es heute am Münchner Hauptbahnhof nur noch einen Taxistand. Vor den aktuellen Bauarbeiten waren es drei.
IHK-Service: Weitere Informationen zum Baustellenmanagement auf der IHK-Website.