Standortpolitik

»Die DSGVO ist ein Geschenk«

Tobias Hase ©
Michael Will, neuer Präsident des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht

Bayerns neuer oberster Datenschützer Michael Will über die Probleme des Mittelstands mit der DSGVO, die Risiken der Plattformökonomie und Bußgelder.

Martin Armbruster, Ausgabe 04/20

Herr Will, wo stehen wir nach zwei Jahren DSGVO in der bayerischen Wirtschaft heute?

Wir haben ein gemischtes Bild. Wir haben große Unternehmen, die beim Thema Datenschutz gut organisiert sind. Die sind schon fast wieder zum Tagesgeschäft übergegangen. Dann haben wir kleine Firmen und Vereine. Das Bisschen, das die zu tun hatten, haben die schon abgehakt.

Wo klemmt es denn dann?

Bei Mittelständlern, die etwas komplexere Geschäftsfelder und gewachsene Strukturen haben. Es kann sein, dass es da noch Aufräumarbeiten gibt. Wir erleben das immer wieder. Die haben gut angefangen, stoßen dann auf Probleme, für die sie keine schnelle Lösung haben, und gehen jetzt in die zweite Runde.

Die Unternehmer klagen über Unsicherheit. Dazu gehört auch das endlose Warten auf die ePrivacy-Verordnung.

Bei ePrivacy geht es um personenbezogene Daten. Kommt diese Verordnung nicht, greift die DSGVO. Deshalb machen sich die Leute Sorgen. Sie befürchten eine Verschärfung der Anforderungen.

Ein Grund für die Unsicherheit ist dann …

… ein Missverständnis. Und dann sind wir mitten in einem Gewöhnungsprozess. Im Datenschutz gilt heute europäisches Recht. Und das erst seit zwei Jahren. Das schafft Unsicherheit, aber das lässt sich aushalten. Dazu kommen neue Begriffe wie Datenschutz-Folgenabschätzung. Die klingen bedrohlich, weil wir noch wenig Erfahrung damit haben.

Wie vertragen sich Google und Facebook mit der DSGVO? Hier wünschen sich Unternehmen von Ihnen Antworten. Haben Sie die schon?

Da stoßen wir auf viele Fragen. Da ist erstens die gesellschaftliche Bedeutung. Facebook, YouTube oder WhatsApp – das ist für viele heute wichtiger als Zeitung und Fernsehen. Diese Kanäle sind auch ein wichtiges Arbeitsinstrument. Es gibt viele Betriebe, die für ihren Webshop eine Facebook-Fanseite nutzen. Schon deshalb müssen wir uns anschauen, was da genau passiert.

Die Neigung der US-Konzerne zur Offenheit scheint begrenzt.

Ich finde es frustrierend und ärgerlich, dass wir mit den Plattformen, die unser Leben bestimmen, so viele Rechtsstreitigkeiten und Konflikte haben. Unsere Aufgabe ist, für Unternehmen und Verbraucher hier für mehr Klarheit zu sorgen.

Die Datenschutz-Grundverordnung erschwert das doch, eben weil sie vieles unklar lässt.

Gegen diese Sichtweise wehre ich mich. Die DSGVO ist kein Defizit, sie ist ein Geschenk – auch für uns in der Beratung. Wir können mit ihren 40 Artikeln, das ist das gesamte materielle Recht, uns erlauben, alle Fragen zu beantworten. Unsicherheiten klären wir im Vollzug. Jeder kann zu uns kommen und uns fragen: »Wie seht ihr das? « oder »Mache ich das so richtig? «

Das kostet aber Zeit, das bedeutet Aufwand.

Wenn der Verantwortliche im Unternehmen meint, »Ich weiß das selbst, ich habe gute Berater«, kann er sehr gerne anfangen, seine Datenverarbeitung zu betreiben. Das ist doch genau das, was für eine dynamische, digitale Entwicklung hilfreich sein kann.

Es gibt kaum Fälle, in denen Behörden ein Bußgeld verhängt haben. Trotzdem spielt in der Diskussion das Bußgeld eine zentrale Rolle. Wie erklären Sie sich das?

Das ist ein Missverhältnis. Das führt zu einer angstgetriebenen Verhaltensweise. Das halte ich nicht für die richtige Motivation. Die Angst, den Führerschein zu verlieren, ist doch nicht der Grund, dass ich mit dem Auto vor einer roten Ampel stehen bleibe. Ich weiß, dass das für meine Sicherheit und die Sicherheit vieler anderer Menschen gut ist.

Immerhin geht es um Bußgelder in Millionenhöhe.

Ja, das ist die Neuerung. Diese Diskussion hatten wir in der Anfangszeit. Aber Strafen können nicht die Erklärung der Grundverordnung sein. Das müssen wir ändern. Mittlerweile sehen doch alle: Es hagelt nicht serienweise hohe Bußgelder.

Sind Chinas Handelsplattformen die nächste Aufgabe, der sich Europa stellen muss?

Diese Aufgabe ist schon da. China ist heute einer unserer wichtigsten Handelspartner. Das bedeutet einen wachsenden Datenverkehr. Das findet auf der Grundlage statt, die gerade vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wird: Standardvertragsklauseln. Genau wie bei der DSGVO werbe ich um Vertrauen, dass wir auch diese neuen Probleme unter Kontrolle bekommen.

Ihr Fazit: Ist die DSGVO ein Erfolg?

Ja, definitiv. Sie ist vor allem ein Versprechen. Wir haben zu viel über ihre Schattenseiten diskutiert. Jetzt müssen wir uns ansehen, wie sich das für uns im Wettbewerb auswirkt, wie sich der europäische Vollzug entwickelt. Aber ich bin sicher: Die DSGVO ist ein Gewinn für ganz Europa.
 

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