Handelsexpertin Theresa Schleicher über aktuelle Shopping-Trends

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 03/2020
Die Handels- und Trendexpertin des Zukunftsinstituts, Theresa Schleicher, fasst seit 2015 die prägenden Handelstrends im Retail Report zusammen. Sie erklärt, welche Entwicklungen speziell für den mittelständischen Einzelhandel relevant sind.
Frau Schleicher, im Retail Report 2020 schreiben Sie, dass der klassische stationäre Handel auch in Zukunft gute Chancen hat zu überleben. Was müssen Einzelhändler denn heute tun, um diese Chancen zu erkennen und zu nutzen?
Erfolgreiche Einzelhändler waren schon immer offen für neue Entwicklungen und zeigten eine hohe Bereitschaft zur evolutionären Veränderung. Durch Internet und Onlinehandel ist die Veränderungsdynamik mittlerweile jedoch ungewohnt hoch. Daher ist es heute wichtiger denn je, Veränderungen schnell umzusetzen. Dazu gehört es meiner Meinung nach, in Ökosystemen, Netzwerken und Kooperationen zu denken und zu handeln. Welche Partner und welche Handelsformate sind für meine Zielgruppen und mein Geschäft relevant? Wie können wir überall dort präsent sein, wo der Kunde uns braucht? Die Antworten auf diese Fragen geben erste Hinweise. Zukünftig wird das Thema Nähe eine Rolle spielen – und zwar einerseits die lokale, also die physische Nähe, andererseits aber auch die emotionale Nähe zu den Zielgruppen. Denn durch Onlineplattformen und -netzwerke können auch kleinere Händler große Reichweiten erzielen.
Welche Trends sind denn für inhabergeführte mittelständische Geschäfte besonders wichtig?
Das Thema Ökosysteme betrifft alle Einzelhändler. Dabei geht es um einen befruchtenden und Gewinn bringenden Zusammenschluss gleichberechtigter Partner. Wir sprechen hier auch von Copetition, also von der Zusammenarbeit mit Wettbewerbern, um zeitweise die Kräfte zu bündeln, anstatt sich im Konkurrenzkampf aufzureiben. Das gelingt auf Onlineplattformen genauso wie in den realen Einkaufsstraßen, Stadtvierteln und Regionen. Mittelständische Einzelhändler, die sich auf den Abverkauf von Produkten konzentrieren, sollten nicht nur ihr Ladenbaukonzept überprüfen, sondern auch überlegen, an welchen Knotenpunkten sie ihre Kunden mit kleinen, mobilen Flächen im Sinne des »Instant Shopping« noch besser erreichen können. Der Trend zu »Playful Stores« ist vor allem für Sortimente relevant, bei denen das Ausprobieren sowie Emotionen eine Rolle spielen. Denn selbst auf kleiner Fläche kann ein maximales Erlebnis vermittelt werden.
Was ist speziell für kleinere Onlinehändler relevant?
Neben der Logistik ist die Sichtbarkeit im Internet eine große Herausforderung im E-Commerce. Eine Möglichkeit für kleinere Anbieter ist es, sich stark zu spezialisieren und in ihre Reichweite zu investieren. Da jedoch viele Konsumenten ihre Einkäufe im Internet am liebsten nur auf zwei bis drei Onlineshopping-Zugängen erledigen möchten, sind digitale Plattformen und Ökosysteme für kleinere Anbieter besser geeignet. Auch dort hat man übrigens mit besonderen Produkten bessere Chancen.
Womit soll der mittelständische Handel denn nun konkret anfangen, um die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen?
Jeder Händler muss für sich sondieren, welche Trends für ihn relevant sind, in welchen Bereichen er sich neu erfinden muss und wo er seiner bisherigen Strategie treu bleiben kann. Das, was gut funktioniert, sollte natürlich ausgebaut werden. Auch für stationäre Händler ist eine Onlinepräsenz heute auf jeden Fall wichtig. Das muss kein eigener Shop sein, Händler müssen jedoch im Internet sichtbar sein. Nach wie vor ist es wichtig, seine Kunden zu kennen, mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen Produkte zu bieten, die für sie relevant sind. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen: Mit modernen Tools können zum Beispiel die vorhandenen Informationen über Kunden und Transaktionen so zusammengestellt werden, dass bessere Entscheidungen rund um Sortimente, Logistik und Preise getroffen werden.
Wie lässt sich vermeiden, dass bei den Schnäppchentagen des Event-Shoppings die Margen erodieren?
Aktionen und Angebote sind im Handel ja kein neues Phänomen. Das Event-Shopping bietet Aufhänger, die Kunden in die Läden und Onlineshops zu holen. Anstelle von pauschalen Preisnachlässen können Händler zu diesen Anlässen zum Beispiel limitierte Angebote, Sondergrößen oder zum Sortiment passende Dienstleistungen bieten.
Wo und wie kaufen Sie selbst ein?
Ich bin eine absolute Stationär-Einkäuferin. Zu meinen Ritualen gehört es, am Samstag über den Wochenmarkt zu bummeln. Ich kenne die Verkäufer an den Ständen, treffe mich mit Freunden und esse dann gleich etwas. Da ich viel reise und meistens spät aus dem Büro komme, kaufe ich aber auch gern in Shopping-Centern ein. Da kann ich von Käse bis Klamotten alles ohne große Umstände an einem Ort einkaufen.