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Die Krise meistern

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Blick nach vorn – viele Unternehmer richten ihren Kurs gerade neu aus

Wer seine Kennzahlen im Blick behält und sein Geschäftsmodell immer wieder an die neuen Marktbedingungen anpasst, wappnet sich für Umbrüche. So steuern Unternehmer ihren Betrieb durch unruhige Zeiten.

Monika Hofmann, Ausgabe 07/20

Damit hatte er schlichtweg nicht gerechnet: Dass die laufenden Betriebskosten etwa für Pacht, Personal oder Energie so schnell seine Reserven aufbrauchen, lässt Dominik Kirchberger* fast verzweifeln. Dabei hatte sich der Gastwirt aus München am Jahresanfang noch über ordentliche Gewinne gefreut. »Doch jetzt weiß ich einfach nicht, wo mein Gewinn geblieben ist«, sagt Kirchberger. Zu Beginn der Coronakrise hatte er noch gehofft, dass sein Polster ausreichen würde. Jetzt allerdings befindet er sich bereits mitten in einem Liquiditätsengpass. Erkannt hat er das mithilfe der IHK-Krisenampel und dem IHK-Liquiditätsplan. Sie alarmierten ihn gerade noch rechtzeitig. »Damit wurde mir klar, dass ich schnell handeln muss, um die Pleite zu vermeiden», sagt Kirchberger. Ob Gaststätten, Hotels, Fahrschulen, Reisebüros, Handels- oder Industriebetriebe: Sie alle haben derzeit massiv mit den Folgen der Coronakrise zu kämpfen. Bei vielen Firmen geht es inzwischen um existenzielle Fragen. Wenn sie nicht sofort handeln, riskieren sie ihren Fortbestand. (* Name geändert)

Krisen rechtzeitig erkennen

Um den Ernst der Lage zu begreifen, ist es wichtig, erst einmal zu wissen und zu akzeptieren, dass das eigene Unternehmen tatsächlich in einer Krise steckt. »Viele Geschäftsführer und Unternehmensleiter wollen das aber nicht wahrhaben«, weiß Bernhard Eichiner, Krisenexperte der IHK für München und Oberbayern. Er empfiehlt: »Zunächst sollten sie sich professionelle Hilfe ins Haus holen und sich bereits im Vorfeld informieren, welche Krisenphasen es gibt und wie sie diese meistern können.« Mit der IHK-Krisenampel, die auch Gastronom Kirchberger nutzte, lässt sich die Situation einfach einschätzen.

Zahlen kontinuierlich überwachen

Als Krisenindikatoren dienen am besten die betrieblichen Kennzahlen. Sie geben erste Hinweise auf eine Schieflage im Unternehmen. »Das erlaubt oft, noch rechtzeitig umzusteuern«, so IHK-Experte Eichiner. Das IHK-Merkblatt »9 Kennzahlen für die Früherkennung von Krisenpotenzialen« gibt Firmen die Möglichkeit, diese wichtigen Kennzahlen zu ermitteln. Gerade in einer angespannten Situation gilt es, die Zahlen kontinuierlich zu überwachen. Denn nur so lassen sich Handlungsoptionen entwickeln. Kennzahlen sind daher nicht nur für die Geschäftsleitung wichtig, sondern auch für Investoren und Banken.

Prognose auf Liquiditätsplan aufbauen

Zudem sollten Unternehmen einen Liquiditätsplan erstellen: Dabei geht es darum, zu analysieren und zu planen, wie sich die flüssigen Mittel entwickeln – meist über einen Zeitraum von sechs Monaten oder länger hinweg. Der Liquiditätsplan umfasst neben den Zahlungsein- und -ausgängen eine Umsatz- und Ertragsvorschau sowie eine Bilanzplanung. Firmen brauchen diese Zahlen, um ihre weitere Planung, Steuerung und Kontrolle danach auszurichten. Für einen Liquiditätsplan können Unternehmen auf bereits bestehende, geplante Zahlen zurückgreifen. Darauf baut dann die Prognose weiterer Szenarien auf. Aufschlussreich ist es auch, je nach Risikoszenario die verschiedenen Entwicklungen der Zahlen durchzukalkulieren.

Über Kreditalternativen nachdenken

Wer wie derzeit viele Mittelständler unerwartet in eine Schieflage gerät, sollte als Erstes seine Liquidität sichern. Gastwirt Kirchberger zum Beispiel sprach mit seiner Hausbank, die ihm den laufenden Investitionskredit stundete. Zudem schuldete er um, sodass er später geringere Raten zahlt. Auch beim Finanzamt und bei seinen Versicherungen erreichte er Stundungen. Für seine zehn Mitarbeiter beantragte er außerdem Kurzarbeit. Am wichtigsten ist es, sofort das Gespräch mit den Banken zu suchen, um die Lage zu besprechen. Genauso sollten Unternehmen aber auch über Kreditalternativen wie Leasing, Factoring und Fördergelder nachdenken – und prüfen, ob es die Möglichkeit gibt, weitere Investoren zu gewinnen.

Zugleich gilt es, sich von nicht betriebsnotwendigem Vermögen zu trennen: Neben dem Auflösen von Festgeldern und dem Verkauf von Wertpapieren kann vor allem die Veräußerung nicht mehr genutzter Maschinen und Produktionsstätten dazu beitragen, die Liquidität des Unternehmens zu erhöhen. Der Abbau von Lagerbeständen und Warenvorräten bringt ebenfalls schnell Cash.

Geschäftsmodell anpassen

In Krisenzeiten müssen Betriebe ihr Forderungsmanagement neu strukturieren. Nur wenn sie es gezielt und konsequent gestalten, sichern sie, dass alle Rechnungen zeitnah an die Kunden gehen und Fälligkeiten ständig geprüft werden. Entscheidend ist jetzt außerdem, das Geschäftsmodell genau zu prüfen und es bei Bedarf an die neuen Marktbedingungen anzupassen. »Krisen müssen nicht das Aus bedeuten, sondern bringen oft die Chance auf einen Neustart mit verändertem Geschäftsmodell mit sich«, betont IHK-Krisenexperte Eichiner.

Umsteuern mit neuen Konzepten

Gastwirt Kirchberger setzte in seinem Geschäftsmodell bislang stark auf einen nachhaltigen Restaurantbetrieb sowie auf Lieferdienste für Vereine und Feste. »Es lief in den vergangenen Jahren gut, doch die Coronakrise macht uns einen fetten Strich durch die Umsatzplanung für 2020, vor allem auch wegen zahlreicher abgesagter Veranstaltungen», bedauert der Gastronom.

Daher steuert der Unternehmer jetzt um. Er bietet seine Lieferdienste auch Privatleuten an und richtete neben seinem Restaurant einen Biergarten ein, der das Essen mit gebotenem Abstand erlaubt. Im Juni eröffnete er seine Gaststätte wieder mit neuem Konzept. »Nicht nur ich konnte es kaum erwarten, wieder Gäste bewirten zu dürfen«, sagt Kirchberger. »Auch unsere Mitarbeiter freuten sich schon sehr darauf.«

Mit Mitarbeitern an einem Strang ziehen

Die Beschäftigten gehören zu jenen, die sehr frühzeitig von einer Firmenkrise erfahren sollten. Am besten berichten Unternehmenslenker ihnen sachlich und wahrheitsgetreu von den Herausforderungen. Nur so lassen sich die Mitarbeiter dafür gewinnen, mit der Leitung an einem Strang zu ziehen. »Wichtig ist auch, mit allen Abteilungsleitern eine sofortige Taskforce einzusetzen, um täglich über die aktuelle Lage zu sprechen«, empfiehlt IHK-Experte Eichiner. Das Monitoring einzelner Bereiche, aber auch der gesamten Firmenentwicklung sei unerlässlich, betont er. Zudem ist der Steuerberater ein wichtiger Ansprechpartner, gerade wenn es um Steuerstundungen geht.

Einheitlich, verständlich, regelmäßig kommunzieren

Genauso ist gegenüber Kunden und Geschäftspartnern eine möglichst ehrliche, transparente und zeitnahe Kommunikation angebracht. Erfolgreiche Krisenkommunikation muss einheitlich, kurz und verständlich gestaltet sein. Wer außerdem weitere Entwicklungen regelmäßig mitteilt, hat gute Chancen, dass alle Beteiligten mitziehen und das Unternehmen mit seinem neuen Geschäftskonzept durchstarten kann – und auf positive Resonanz stößt.

IHK-Service: Beratung und Tools nutzen

Die IHK für München und Oberbayern bietet ihren Mitgliedern umfassenden Krisenservice:
Telefonische Beratung: Über die Hotline 089 5116-0 können Unternehmen Fragen zur aktuellen Situation stellen. Die IHK-Ansprechpartner geben fundierte Antworten zu wichtigen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Themen. Diese Erstberatung dient als Basis für eine weiterführende Beratung. Auch möglich per Email: beratung(at)muenchen.ihk.de

Informationen rund um Corona: Die IHK-Website bietet alle wichtigen und aktuellen Informationen zu Corona und zur Krisenbewältigung – von der Infektionsschutzordnung
über Konditionen der Überbrückungshilfe bis hin zur Kurzarbeit: www.ihk-muenchen.de/corona

Services zum Krisenmanagement: Mit der IHK-Krisenampel lässt sich die bestehende
Situation eines Betriebs schnell einschätzen. Das IHK-Merkblatt »9 Kennzahlen
für die Früherkennung von Krisenpotenzialen« hilft, gefährliche Lagen rasch
zu erfassen. Beide Instrumente sind hier verfügbar mit weiteren Tipps und Tools zu Liquiditätsplanung, Forderungsmanagement und Krisenkommunikation.

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