Digital führend

Auch kleine und mittelständische Unternehmer können die Digitalisierung nutzen. Wie der mittelständische Handel profitiert, zeigen die digitalen Champions Lamplhof und Sole Runner.
Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 11/20
Frische Fleisch- und Wurstwaren online verkaufen und per Paketdienst verschicken? Was für einige große Internet- und Lebensmittelhändler nach wie vor eine gewisse Herausforderung darstellt, meistert die Lamplhof Hofmetzgerei GmbH bereits seit Jahren: Seit 2015 können Kunden auf der Firmenwebsite Rumpsteaks, Tafelspitz, Roastbeef und viele weitere Spezialitäten aus eigener Herstellung bestellen.
Jeden Mittwoch versendet das Unternehmen die Produkte per Express in nachhaltigen und kompostierbaren Boxen aus Hanffasern mit Kühlakkus. »Wir erzeugen Ochsenfleisch in Spitzenqualität und veredeln es in unserer Metzgerei nach US-amerikanischer Zerlegetechnik«, sagt Michael Lampl junior (31). Selbst das Futter der rund 170 Ochsen, die auf dem Lamplhof in Pfaffenhofen an der Glonn heranwachsen, komme von den eigenen Äckern.
Zeit nehmen bei Auswahl der digitalen Dienstleister
Der gelernte Bankkaufmann, Metzgermeister und Betriebswirt kümmert sich im Familienunternehmen um die Digitalisierung – vom Onlineshop über den Kundennewsletter bis hin zu den Social-Media-Aktivitäten auf Facebook und Instagram. Der Onlineshop trägt derzeit rund zehn Prozent zum Jahresumsatz in Höhe von 1,1 Millionen Euro bei – Tendenz stark steigend. »Ins Onlinegeschäft sind wir etwas blauäugig und ohne große Vorkenntnisse gestartet«, erinnert sich Lampl junior, der sich mit heutigem Wissen etwas mehr Zeit bei der Auswahl und der Zusammenarbeit mit Dienstleistern nehmen würde. »Mittlerweile arbeiten wir jedoch sehr gut und auf Augenhöhe mit einem Programmierer und einer Marketingagentur zusammen.«
Für interessante Bilder sorgt ein Profifotograf. »Insgesamt haben sich der Onlineverkauf und die internen Prozesse, vor allem die Logistik, gut eingespielt«, sagt Lampl junior. »Es hat sich gelohnt, dass wir unsere Mitarbeiter von Anfang an mit eingebunden haben.«
Authentische Kommunikation auf Social Media
Wie es dem Lamplhof gelang, die Herausforderungen rund um den Versand von Fleisch- und Wurstwaren zu meistern und das Einzugsgebiet mit einem Onlineshop zu erweitern, der die Wertigkeit der Produkte und des gesamten Betriebs bestens vermittelt, das findet Johann Faltermeier (33), Senior Consultant bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH, sehr beeindruckend. Genauso wie die »intensive und authentische Kommunikation des Unternehmens über Social-Media-Kanäle«.
Diese Punkte waren ausschlaggebend dafür, dass die Lamplhof Hofmetzgerei ein »digitaler Champion« wurde. Mit diesem Titel zeichnet das Bayerische Wirtschaftsministerium Betriebe aus, die auf beispielhafte und herausragende Weise die Digitalisierung umgesetzt haben. In der Sparte E-Commerce identifizierte das Projektteam von ibi research neben dem Lamplhof acht weitere Handelsunternehmen als digitale Champions. Die Auswahl fiel nicht leicht: »Wir waren überrascht, wie viele Mittelständler sich aktiv und höchst professionell mit digitalen Lösungen beschäftigen«, sagt Faltermeier.
Digitalisierung als kontinuierlicher Prozess
Trotz aller Unterschiede bei Größe, Handelsbranche und Digitalisierungsprojekten lassen sich Erfolgsfaktoren identifizieren, die alle digitalen Champions auszeichnen. Dazu zählt das Integrieren der Digitalisierungsprojekte in die Unternehmensstrategie, was nicht zuletzt dafür sorgt, dass die Vorhaben auch tatsächlich zu Wettbewerbsvorteilen führen. »Außerdem setzen die Unternehmer auf effizientes Projektmanagement und haben ihre Mitarbeiter frühzeitig eingebunden«, zählt Faltermeier auf. »Und sie sehen die Digitalisierung als kontinuierlichen Prozess und greifen immer wieder neue Entwicklungen auf.«
Als prägnantes Beispiel dafür, wie weit Digitalisierung gehen kann, nennt Faltermeier Sole Runner aus Dießen am Ammersee: »Das Unternehmen hat es nicht nur geschafft, eine Marke aufzubauen, die online sehr gut funktioniert«, sagt der Experte. »Dank eines hohen Automatisierungsgrads und digitaler Archivierung gelingt es Sole Runner zudem, die Vision des papierlosen Büros umzusetzen.«
Nur zu dritt in Vollzeit
Darauf ist auch Gründer und Inhaber Thorsten Ludwig (59) stolz: »Die Digitalisierung ermöglicht es uns, Lager, Logistik, Telefonservice, Buchhaltung, Faktoring, Produktentwicklung, Produktion, Informationstechnologie und die Grafik auszulagern.« Die Konsequenz ist eine extrem schlanke Organisation: Neben Ludwig sind lediglich zwei weitere Vollzeitmitarbeiter mit an Bord. Das dreiköpfige Team koordiniert nicht nur das Design und die Produktion der eigenen Kollektion von Barfußschuhen der Marke Sole Runner. Es stemmt auch deren Vertrieb an den Einzelhandel, betreibt den Showroom in Diessen am Ammersee sowie die beiden Webshops, organisiert den Verkauf über Marktplätze wie Amazon, Ebay und Rakuten.
Trotz der Einbußen wegen Corona rechnet Ludwig damit, dass Sole Runner auch 2020 wieder die Umsatzschwelle von einer Million Euro knacken wird. Die erste Version des Firmen-Webshops launchte Ludwig bereits Anfang 2006. »Damals mit einer Marke und einem Modell in einer Farbe«, erinnert er sich. 2011 stellte Ludwig mit Sole Runner seine eigene Kollektion auf der Outdoor-Messe in Friedrichshafen vor. Die Modelle wurden über den Webshop, aber auch über den klassischen Einzelhandel vertrieben.
Im Webshop sehr zurückhaltend mit Rabatten
Erst 2013 startete Ludwig den marken- bzw. namensgleichen Onlineshop. Mit seinen Handelspartnern erwirtschaftet dieser rund 42 Prozent des Umsatzes. »Um diesen Kanal zu schützen, sind wir im Webshop sehr zurückhaltend mit Rabatten«, sagt Ludwig. Über E-Commerce-Marktplätze verkauft er grundsätzlich nur Barfußschuhe anderer Hersteller. Die Entwicklungen in diesem Segment des Onlinehandels verfolgt Ludwig sehr interessiert. »Bei einigen neueren Marktplätzen, zu denen unsere Sortimente gut gepasst hätten, scheiterte eine Zusammenarbeit jedoch daran, dass wir dort nicht so automatisiert verkaufen können, wie wir es seit Jahren gewohnt sind.«
Eine interaktive Karte im Web präsentiert digitale Champions aus allen Branchen.