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Trend: Digitale Lagerlogistik

Idealworks ©
Allein unterwegs – mobile Roboter wie der iw.hub optimieren Logistik

Viele Unternehmen investieren derzeit in ihre Lagerlogistik. Mit Robotik, fahrerlosen Transportsystemen, Drohnen und anderen digitalen Technologien sparen sie Kosten und beschleunigen Prozesse.

STEFAN BOTTLER, Ausgabe 05/2022

Die BMW AG zählt zu den erfolgreichsten Fahrzeugherstellern der Welt. Aber der Münchner Konzern kann nicht nur Autos bauen. Mit dem mobilen Roboter iw.hub ist BMW unlängst in den Markt für Intralogistik eingetreten.

Das rund 1,5 Meter lange Hightech-Fahrzeug, das über eine cloudbasierte Plattform gesteuert wird, organisiert mit künstlicher Intelligenz (KI) innerbetrieliche Workflows und fährt ausschließlich autonom. Ein Fahrer ist nicht einmal als Aushilfskraft notwendig.

20 Kilometer autonome Intralogistik täglich

Der Alleskönner, den BMW zusammen mit dem US-Konzern Nvidia entwickelt hat, kann täglich über 20 Kilometer zurücklegen und findet sich auch in sehr unübersichtlichen Umgebungen zurecht. Für die Weiterentwicklung und Vermarktung ist das BMW-Tochterunternehmen Idealworks GmbH verantwortlich. Außer dem Autokonzern setzen auch Automotive-Zulieferer, E-Commerce-Konzerne und Logistikdienstleister die Lösung bereits ein.

Lukrative Perspektiven

BMW ist in einen vielversprechenden Markt aufgebrochen. Über Jahre hinweg hat die Logistikbranche vor allem die Transportdienstleistungen digitalisiert und in IT-gestützte Lösungen für Tourenplanung, Ladeprozesse, Fahrzeugauslastungen und Sendungsverfolgung investiert. Mittlerweile hat die Digitalisierung auch die Intralogistik erfasst – also die Waren- und Materialflüsse, die auf einem Betriebsgelände stattfinden. Mit Lagerverwaltungs- und Warenwirtschaftssystemen kann nahezu jeder innerbetriebliche Logistikprozess optimiert werden.

Viele Unternehmen investieren außerdem in innovative Hardware. Das Spektrum reicht von Drohnen zur Unterstützung von Controllingprozessen über RFID-gestützte Lösungen zur Produktidentifikation und Prozessbeschleunigung bis hin zu sogenannten Exoskeletten, die schwere körperliche Arbeiten leichter machen.

Am meisten nachgefragt werden jedoch mobile Roboter und fahrerlose Transportsysteme. Mit ihnen haben Anwender eine interessante Alternative zu klassischen Flurförderfahrzeugen. Außer BMW haben zahlreiche mittelständische Hersteller und Start-ups wie die Magazino GmbH in München solche Fahrzeuge entwickelt. Am weitesten verbreitet sind Systeme für innerbetriebliche Transporte. Außerdem gibt es Roboter, die Waren einlagern, sortieren oder kommissionieren.

Wettbewerbsvorteile durch optimierte Prozesse

Solche Systeme entlasteten Mitarbeiter und würden allein deshalb bereits Wettbewerbsvorteile bieten, versichert Peter Lowet (61), Bereichsleiter Kontraktlogistik bei Reichhart Logistik GmbH in Gilching im Landkreis Starnberg. Hinzu kämen wachsende Anforderungen der Kunden an immer kürzere Lieferzeiten und höhere Termintreue. Lowet: »An einer Optimierung der Prozesse führt kein Weg vorbei.«

Seit 2019 setzt Reichhart Logistik an einem Standort nahe München drei fahrerlose Transportsysteme ein. Die Fahrzeuge, die vor allem Europaletten und Gitterboxen transportieren, sollen innerbetriebliche Verkehre mit Flurförderfahrzeugen unterstützen. »Mit fahrerlosen Transportsystemen können vor allem standardisierte Warenflüsse und Prozesse effizienter gemacht werden«, sagt Lowet.

Kein Programmierer notwendig

Das technische Level ist hoch: Wenn Software die Fahrzeuge steuert, werden abhängig von der Auftragslage Fahrziel und -tempo automatisch bestimmt. Auch die Abrufvolumina können ohne Programmierer geändert werden.

Und die Kosten?

Für viele fahrerlose Transport- beziehungsweise Robotiksysteme sind Investitionen in mittlerer fünfstelliger Höhe notwendig, die in der Regel vergleichsweise schnell wieder eingefahren werden können. Wohl auch deshalb dürften sich in Zukunft viele mittelständische Unternehmen für den Einstieg in autonome Technologien entscheiden.

Bei der Group7 AG in Schwaig ist deren Einführung an allen deutschen Standorten bereits beschlossen. Der Logistikdienstleister möchte dabei von seinen bisherigen Erfahrungen mit digitalen Lösungen profitieren. Er hat unter anderem bereits Drohnen eingesetzt und Anwendungen beispielsweise für die Erfassung von Beständen oder die Abwicklung von Inventuren entwickelt.

Daten für die Wirtschaftsprüfer

Bei der Inventur zum Beispiel werden die ermittelten Zahlen elektronisch an Wirtschaftsprüfer übermittelt, die dann einzelne Artikel für Stichproben auswählen. Die Drohne fliegt anschließend deren Lagerplätze an, erfasst die gewünschten Daten und schickt sie inklusive Bildern per Skype an die Prüfer. Von »begeisterten Geschäftspartnern« spricht Hubert Borghoff (57), Logistikchef und Prokurist von Group7. »Wir benötigen nur die Hälfte der Zeit und sparen zusätzlich Reisekosten.«

Jede fünfte Logistikfirma plant KI fürs Lager

Solche Erfolge festigen den Ruf der Logistikbranche, für digitale Lösungen besonders aufgeschlossen zu sein. Der Benchmark-Studie »Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/21« zufolge, welche die IT-Beratung techconsult GmbH im Auftrag der Deutschen Telekom AG erstellte, haben insbesondere Firmen aus der Logistik ihre Geschäftsmodelle und Prozesse während der Pandemie digitalisiert. Jeder fünfte Marktteilnehmer plant vor allem KI-gestützte Anwendungen fürs Lager.

Schon warnen manche Experten vor einer Überschätzung der digitalen Technologien im Logistikalltag. »Viele autonome Systeme sollen Artikel selbstständig aus den Regalen nehmen beziehungsweise dort einlagern«, sagt Johannes Fottner (51), Logistikwissenschaftler an der Technischen Universität (TU) München. »Mit den sensorischen Fähigkeiten des Menschen kann jedoch bislang keine Technologie mithalten.« An körperlichen Arbeiten führe weiterhin kein Weg vorbei.

Exoskelett: 3.500 Kilogramm Entlastung täglich

Allerdings gibt es auch hierfür KI-gestützte Technologien in Form von Exoskeletten. Sie werden wie ein Rucksack auf den Rücken geschnallt und helfen beim Heben und Tragen von besonders schweren und sperrigen Gegenständen. Der Effekt ist enorm. Der Logistikdienstleister Hermes Fulfillment GmbH, der Exoskelette der Augsburger German Bionic Systems GmbH in einem bayerischen Standort einsetzt, ermittelte eine Entlastung von 3.500 Kilogramm pro Mitarbeiter täglich.

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