Brücken bauen

Bei der 3. Nacht der Bayerischen Wirtschaft in Berlin beherrschen die Folgen des Ukraine-Kriegs die Gespräche der 160 Teilnehmer.
MARTIN ARMBRUSTER, Ausgabe 07-08/2022
Die Veranstalter, die bayerischen IHKs (BIHK), durften zufrieden sein. Der Rahmen war perfekt für die 3. Nacht der Bayerischen Wirtschaft Anfang Juni in der Vertretung des Freistaats Bayern in Berlin. Nirgendwo in der Hauptstadt ist es so bayerisch wie in der Vertretung selbst – mit Brezn, fränkischen Weinen und Fassbier bayerischer Brauereien.
Dialog zwischen Politik und Wirtschaft fördern
Das Gebäude an der Behrenstraße ist folglich der ideale Ort für dieses Format. Ziel der Veranstaltung ist es, den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft zu fördern. Im Laufe des Abends schauten 160 Teilnehmer in der Landesvertretung vorbei. 60 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen gehörten zu den Gästen. Ein Beleg dafür, dass die Bayerische Nacht selbst in den vollen Terminkalendern der Bundespolitiker Gewicht besitzt.
Für die Wirtschaft im Freistaat waren Präsidenten, Hauptgeschäftsführer, Präsidiumsmitglieder und Mitarbeiter der bayerischen IHKs vor Ort. Verstärkt wurden sie von den Vertretern bayerischer Unternehmen, die in Berlin über eine eigene Niederlassung verfügen. Möglicherweise trug auch der coole Jazz der Band »The Swinging Pops« dazu bei, dass die Teilnehmer die lockere und entspannte Atmosphäre des Abends besonders lobten. Ganz sicher aber wirkte es befreiend, endlich einmal wieder ohne Maske auf einer Veranstaltung analog mit Menschen zu sprechen.
»Einkaufspreise steigen im Wochentakt«
Und der Gesprächsbedarf war akut. Das wurde schon während der Anfahrt im ICE Sprinter deutlich. So erklärte Karin Elsperger, IHK-Vizepräsidentin und Chefin der Modeagentur Elsperger, Mitreisenden im Detail, wie sich der »perfekte Sturm« (Spiegel), der derzeit über der Wirtschaft tobt, auf ihre Branche auswirkt. Die Einkaufspreise für Textilien steigen im Wochentakt. Ihr Rat: Wer eine Jacke oder einen Mantel braucht, sollte nicht lange warten, sondern schnell kaufen.
Wie durch die Krise kommen?
Wie kommen wir einigermaßen heil durch diese Krise? Das war die große Frage, die an diesem Abend alle beschäftigte. An den Stehtischen ging es im informellen Gespräch schnell zur Sache. Den Dialog fördern – dieses Versprechen der IHKs wurde eingelöst. BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz äußerte sich sehr zufrieden über den intensiven Austausch. Seinen Worten zufolge beschäftigten sich Abgeordnete und Unternehmer vor allem mit folgenden Fragen:
- Wie reagieren wir auf rapide steigende Energie- und Rohstoffpreise?
- Was tun wir gegen Versorgungslücken bei Öl und Erdgas?
- Schafft es die Ampelkoalition zu einer einheitlichen Linie?
Zuvor hatte Lutz in seiner Eröffnungsrede die Parlamentarier darauf hingewiesen, was diesen Abend von einem Lobby-Event unterscheidet: Gesetzlich festgeschriebene Aufgabe der bayerischen IHKs sei es, das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu vertreten. Sie stünden für 1,2 Millionen bayerische Selbstständige und Unternehmen.
»Viele Brücken bauen«
Wie ernst die Lage für die gesamte Wirtschaft ist, musste Lutz nicht eigens erklären. Er formulierte aber eine klare Erwartung. Die Bundesregierung müsse geschlossen und entschlossen auf die Megakrise reagieren. Die Ampelkoalition müsse »viele Brücken bauen«.
Egal, welche Abgeordnete man auf der Veranstaltung fragte, alle fanden die brückenbildende Idee dieser bayerischen Nacht gut. Tenor: Gerade weil der Freistaat keinen Bundesminister mehr stellt, sei es sinnvoll, die Kontakte zwischen bayerischer Politik und Wirtschaft in Berlin noch stärker zu pflegen.
Vertreter des IHK-Ehrenamts nutzten die Chance, ihre Anliegen selbst direkt mit den Politikern zu diskutieren. Vizepräsidentin Elsperger berichtete, sie habe Abgeordnete von FDP, Grünen und SPD befragt, ob weitere Hilfen für Soloselbstständige geplant seien.
50.000 Jobs gefährdet
Ingrid Obermeier-Osl, IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf, sprach mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Sandra Bubendorfer-Licht über ein drängendes regionales Problem: den Erhalt des Chemiedreiecks in Südost-Bayern. Die Energiekrise gefährdet dort die Existenz einer ganzen Branche und 50.000 Jobs.
Dominik Biersack, IHK-Vizepräsident und Chef der gleichnamigen Maschinenbaufirma aus Beilngries im Altmühltal, erläuterte Alexander Dobrindt und Andi Scheuer (beide CSU) sowie Dieter Janeczek (Bündnis 90/Die Grünen) die Hemmnisse beim Anschluss seiner betriebseigenen PV-Anlage ans Verteilnetz.
»Die Netze sind der größte Engpassfaktor«
»Die Netze sind der größte Engpassfaktor im Ausbau der erneuerbaren Energien«, war auch das Mantra von BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Er trat bei allen seinen Gesprächspartnern der Koalition und der Opposition dafür ein, dass dem gezielten Ausbau und der Bereitstellung von Anschlusskapazitäten in den Verteilnetzen auch ein übergeordnetes öffentliches Interesse bescheinigt werden muss. Das Gleiche forderte er für die Wasserkraft ein, für die die Bundesregierung aktuell noch eine Schlechterbehandlung gegenüber der Wind- oder Sonnenenergie plant.
Trend zu mehr Nachhaltigkeit geht weiter
Weiteres Ergebnis des Abends: Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit wird weitergehen. Unter dem Plakat »Wirtschaft mit Weitblick« warben dafür Katharina Reuther, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft, die beiden IHK-Vizepräsidentinnen Carola von Peinen und Kathrin Wickenhäuser-Egger sowie Gerti Oswald, BIHK-Geschäftsführerin.
Neue Allianzen bei Energie-Beschaffung
Offenbar fördert die Energiekrise auch ganz neue politische Allianzen. Der Linke-Politiker Klaus Ernst ist gemeinsam mit dem langjährigen CSU-Abgeordneten Peter Ramsauer in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar gereist, um sich über Fortschritte in Sachen Energie-Importe selbst zu erkundigen.
Was in Berlin ebenfalls Thema war: die Landtagswahl in Bayern 2023. Einige Unternehmer äußerten sich kritisch über das Coronamanagement der Staatsregierung. FDP-Politikerin Bubendorfer-Licht erwartet, dass es im Freistaat »politisch bunter und offener werden wird«.