Klimaschutz | Unternehmen

Isoliert nachhaltig

easy2cool ©
Erfolg im zweiten Anlauf – easy2cool-Gründer Sebastian Leicht (l.) und Marco Knobloch

Wie können temperaturempfindliche Waren verschickt werden, ohne Unmengen an Verpackungsmüll zu produzieren? Mit Altpapier, sagen die Gründer von easy2cool.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 05-06/2024

Der Versandhandel mit Lebensmitteln nimmt kontinuierlich zu. Da ist es sinnvoll, dass sich jemand Gedanken macht, wie Verpackungen umweltfreundlich produziert werden können. Marco Knobloch und Sebastian Leicht haben eine Lösung gefunden. Ihr Münchner Unternehmen easy2cool GmbH stellt nachhaltige Kühlverpackungen und Isolierungen aus Altpapier her.

Rund 500 Geschäftskunden vor allem aus dem Bereich Lebensmittel, aber auch aus Tiernahrung oder Aquaristik setzen auf die Versandkühlung der Oberbayern. „Zu unseren Kunden gehören vom ersten Tag an vor allem Metzgereien“, sagt Knobloch. Die Firma beliefert außerdem Kochboxen-Versender wie zum Beispiel HelloFresh. In letzter Zeit kommen immer mehr Anbieter von gesunden, veganen Tiefkühlfertiggerichten dazu, die gerade boomen.

In Opas Garage ausgetüftelt

Als Knobloch und Leicht mit ihren Überlegungen den Grundstein für easy2cool legten, hatten sie dieses B2B-Geschäft gar nicht im Sinn. Sie dachten an Festivalbesucher und Camper, die spätestens am zweiten Tag nur noch warmes Bier und ungenießbare Bratwürste in ihrer Kühltasche vorfinden. Denn handelsübliche Akkus machen nach spätestens 24 Stunden schlapp.

Das Problem kannten die beiden Freunde als Musikfestivalbesucher selbst. Ingenieur Knobloch und Betriebswirt Leicht suchten zusammen nach einer Lösung. Zuerst „mit den wildesten Ideen“ und Versuchen in der Badewanne. Irgendwann dann aber mit einer konkreten Aktion: Auf einem Portal für gebrauchte Maschinen kauften sie eine Verpackungsmaschine, stellten sie in die Garage von Leichts Opa, bauten sie um – und produzierten nach einigen Experimenten tatsächlich Kühlakkus, die tagelang die Temperatur hielten.

Zielgruppe mit Potenzial

Der Versuch, sie auf Festivals zu vertreiben, scheiterte allerdings. „Die Festivalbetreiber haben kein Interesse daran, dass sich die Besucher mit Getränken aus dem Supermarkt eindecken“, sagt Knobloch. „Sie wollen ja ihr eigenes Essen und Trinken verkaufen.“

Also schwenkten die beiden um, boten ihre Neuheit auf Amazon an – und fanden etliche Käufer. Die Geschichte könnte damit auserzählt sein. Dabei beginnt sie erst jetzt so richtig. Denn plötzlich stand die Idee im Raum, die gerade aufkommenden Lebensmittel-Onlinehändler in den Fokus zu nehmen. Das Gründerduo wusste, dass die Versender von Kochboxen ihre Produkte in der Regel in Styroporverpackungen verschicken und dass das der Branche „ein Dorn im Auge war – weil Styropor Sondermüll ist“, erklärt Knobloch.

Isolierung mit Altpapier spart 95 Prozent CO2

Also wandten sich die beiden an die TU Dresden, mit der sie auf einer Messe in Kontakt gekommen waren. Gemeinsam entwickelten sie „paperfloc“ – umweltfreundliche Kühlboxen und Isolierverpackungen aus recyceltem Altpapier. „Wir haben sogar die Maschinen dafür entwickelt“, sagt Knobloch.

Isolierverpackungen von easy2cool sind genauso sicher und leistungsfähig wie herkömmliche aus aufgeschäumtem Polystyrol (EPS) und Kunststoff. Sie sind aber weitaus besser für Klima, Wasser und Böden. Um paperfloc herzustellen, wird Altpapier in einem speziellen Prozess zerkleinert und anschließend zu Isoliermatten oder -taschen weiterverarbeitet. Dafür werden Stanzabfälle, die zu fast 90 Prozent aus recyceltem Material bestehen, aus der regionalen Kartonageproduktion verwendet. Somit benötigt die Herstellung von paperfloc nur einen Bruchteil der Energie, die bei herkömmlichen Prozessen verbraucht wird. „Der Ausstoß an CO2 ist um 95 Prozent geringer“, so Knobloch.

Tochterunternehmen für Pharmaprodukte

Hinzu kommt, dass das Produkt komplett im Papierabfall recycelbar ist. „Der Versand von Frischeprodukten und tiefgekühlten Waren ist mit unserer Technologie klimaneutral“, sagt der Unternehmer. Das gilt im Übrigen nicht nur für Fleisch, Milch oder Obst, sondern auch für Medikamente und Life-Science-Produkte. Um diese Branche ebenfalls zu bedienen, gründeten Knobloch und Leicht ein zweites Unternehmen, die Licopharm OHG im fränkischen Lichtenfels. „Die Pharmaindustrie ist sehr konservativ und streng reguliert“, nennt Knobloch den Grund für die Trennung vom übrigen Geschäft.

Eigene Produktionsanlage in Franken

In diesem Jahr feiert easy2cool, das mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt, sein 10-jähriges Jubiläum. Das Unternehmen verfügt über eine eigene Produktionsanlage in Lichtenfels. Die Firma hat sich für diesen Standort entschieden, weil er bedeutend günstiger als München ist.

Als weltweites Patent anerkannt

Easy2cool hat inzwischen zahlreiche Preise eingesammelt. So wurde das Unternehmen zum Beispiel 2021 vom Bundeswirtschaftsministerium als Kooperationsprojekt des Jahres im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) ausgezeichnet. 2018 und 2023 erhielt es den Deutschen Verpackungspreis. 2022 zählte es zu „Bayerns Best 50“, eine Auszeichnung, die das Bayerische Wirtschaftsministerium jährlich für die wachstumsstärksten Mittelständler im Freistaat vergibt. In diesem Jahr erhielt das Unternehmen den WorldStar Global Packaging Award. Erst vor wenigen Wochen wurde das paperfloc-Verfahren außerdem als weltweites Patent anerkannt.

Weitere Internationalisierung angestrebt

Dennoch ruhen sich die Unternehmer nicht auf ihren Erfolgen aus. „Wir bauen die Produktpalette aus, entwickeln die Technologie weiter, um noch nachhaltiger zu werden“, kündigt Knobloch an. Außerdem will der Mittelständler seinen Aktionsradius vergrößern. Aktuell beliefert easy2cool insbesondere Firmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einige Abnehmer in anderen europäischen Staaten wie Italien und Frankreich. Mittelfristig sollen weitere Länder hinzukommen, auch auf anderen Kontinenten und eventuell gemeinsam mit Partnern.

Überdies denken die Bayern darüber nach, ob sie sich als Fulfillment-Dienstleister etablieren sollten. Ein Angebot für Shopbetreiber ohne eigene Logistik.

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