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Bausteine für die H₂-Wirtschaft

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Hohe Erwartungen – kommt die Wasserstoffwirtschaft schnell genug voran?

Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für die Energieversorgung. Der Aufbau der Infrastruktur hat begonnen. Wie sind die Erfahrungen?

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 09/2025

Das oberbayerische Hohenwart hat zumindest den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft bereits geschafft. Immerhin 10 Privathaushalte und ein Gewerbebetrieb heizen dort mit Wasserstoff (H2). Die Münchner Energie Südbayern GmbH liefert das farb- und geruchlose Gas seit Herbst 2023 gemeinsam mit Partnerfirmen über das bestehende lokale Leitungsnetz an die Kunden. Aus dem Praxisbetrieb ist klar: Heizen mit Wasserstoff statt mit Erdgas funktioniert.

Die nächsten Schritte sind schon geplant. Voraussichtlich ab 2027 wird in Hohenwart grüner, also klimaneutraler, Wasserstoff durch die Leitungen fließen. Für die Herstellung soll vor Ort ein Elektrolyseur sorgen, der Wasser mithilfe von Strom aus einer Photovoltaikanlage in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet.

Schlüsselrolle bei Klimaneutralität

Grüner Wasserstoff gilt seit Jahren als Energieträger der Zukunft. Er spielt eine Schlüsselrolle bei dem Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, also nicht mehr Treibhausgase auszustoßen, als auf natürliche Weise oder mittels technischer Verfahren gespeichert werden können. So kann grüner Wasserstoff dabei helfen, zum Beispiel industrielle Prozesse klimaneutral zu machen. Norbert Ammann, IHK-Referatsleiter Umwelt, Energie, Klima, bekräftigt: „Grüner Wasserstoff ist unentbehrlich, um die Klimaneutralität zu erreichen.“

Als im September 2022 in Wunsiedel Bayerns größter Elektrolyseur startete, war die Aufmerksamkeit entsprechend groß (siehe auch den Artikel IHK-Magazin 10/2022 „Start ins H2-Zeitalter“). Wasserstoff, so die Perspektive, sollte möglichst schnell in vielen Bereichen die fossilen Energieträger zumindest teilweise ersetzen. Inzwischen sind 3 Jahre vergangen. Welche Fortschritte hat es seither gegeben?

Mehr als 9.000 Kilometer Transportnetz

Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft ist ein gut ausgebautes Leitungsnetz. Die Genehmigung des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur im Oktober 2024 war daher ein wichtiger Schritt. Dieses Leitungsnetz soll bundesweit mehr als 9.000 Kilometer für den Transport von Wasserstoff zwischen Produktions-, Import- sowie Verbrauchszentren umfassen und zu rund 60 Prozent auf bestehenden Erdgasleitungen basieren. Damit wird das Kernnetz ein zentraler Baustein für die bundesweite Wasserstoffversorgung sein.

„Die Genehmigung des Kernnetzes war der Startschuss für den H2-Markthochlauf“, bestätigt Jonas Heilhecker, der bei der Münchner bayernets GmbH für die Projektentwicklung Wasserstoff zuständig ist. Das Unternehmen betreibt in Südbayern ein Erdgasfernleitungsnetz mit einer Gesamtlänge von rund 1.700 Kilometern. Bereits im nächsten Jahr sollen hier die ersten Wasserstoffleitungen betriebsbereit sein.

Schrittweiser Ausbau der Infrastruktur

Im Raum Burghausen wird bayernets zunächst einen etwa 14 Kilometer langen Abschnitt für den Wasserstofftransport umstellen. Die Inbetriebnahme ist 2026 vorgesehen. Daraufhin folgt ein Projekt in der Region Ingolstadt, das den Wasserstofftransport für Industriepartner ermöglichen soll, beispielsweise für Mineralölraffinerien.
Anschließend werden diese Teilnetze miteinander verbunden, das südbayerischen H2-Transportnetz schrittweise erweitert sowie die internationale Anbindung am Grenzübergangspunkt Burghausen nach Österreich geschaffen.

Der sogenannte SoutH2 Corridor, an dem neben bayernets weitere europäische Fernleitungsnetzbetreiber beteiligt sind, soll in den frühen 2030er-Jahren Nordafrika, Italien, Österreich sowie Deutschland verbinden und Mitteleuropa mit grünem Wasserstoff aus dem südlichen Mittelmeerraum zu wettbewerbsfähigen Preisen versorgen.

SoutH2 Corridor als Rückgrat der Wasserstoffversorgung

Die Leitung erstreckt sich über eine Gesamtlänge von 3.300 Kilometern. Davon basieren mehr als 65 Prozent auf der Umstellung bereits bestehender Erdgaspipelines. Entlang der Route soll eine Vielzahl von Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff samt der zugehörigen Infrastruktur entstehen. Letztlich soll der SoutH2 Corridor als Weichenstellung für die Dekarbonisierung der Energieversorgung dienen und gewissermaßen das Rückgrat der Wasserstoffversorgung bilden.

Zugleich gewinnt die H2-Herstellung durch Elektrolyseure vor Ort an Bedeutung. Seit Herbst 2022 produziert die Anlage in Wunsiedel mittels Photovoltaik und grünen Netzstroms jährlich rund 300 Tonnen klimaneutralen Wasserstoff. Der lokale Anlagenbetreiber WUN H2 GmbH liefert das Gas vorwiegend per Lkw-Trailer aus, zumeist an Tankstellen.

Testlauf im Verbund

In Pfeffenhausen, Landkreis Landshut, ist aktuell eine neue Elektrolyseanlage im Testbetrieb. „Derzeit produzieren wir damit monatlich zwischen 15 und 20 Tonnen grünen Wasserstoff, im Regelbetrieb sollen es rund 35 Tonnen werden“, sagt Tobias Christoph Brunner (53), Geschäftsführer der Eigentümerfirma Hy2B Wasserstoff GmbH in Grasbrunn.

Beteiligt sind mehrere Unternehmen, Landkreise und Energiegenossenschaften. Zu den Abnehmern gehören zwei Tankstellen in Hofolding und in Schlacht bei Glonn, die Busse für den öffentlichen Nahverkehr und Lkw-Flotten versorgen, sowie weitere Kunden. „Momentan optimieren wir die Anlage zusammen mit unserem Anlagenbauer, sie hat aber bereits den Nachweis geliefert, dass sie eine dauerhaft robuste H2-Produktion ermöglicht“, zieht Brunner ein Zwischenfazit.

Bestandteile unterschiedlicher Hersteller

Die diversen Komponenten samt Elektrolyseur, Verdichter, H2-Abfüllanlagen sowie Lkw-Trailer stammen von verschiedenen Herstellern und wurden integriert. Für die Wasserstoffherstellung kommt nicht nur selbst produzierter Photovoltaikstrom zum Einsatz. „Wir nutzen auch Strom aus dem Netz, wenn der erneuerbare Anteil im Netz hoch ist und die Spotmarktkosten niedrig sind“, erläutert der Unternehmer.

Brunner nennt einige Einsatzbereiche für den klimaneutralen Energieträger: „Wasserstoff ermöglicht auch für größere Lkw- oder Busflotten eine schnelle Betankung und eignet sich genauso für Bau- und Landmaschinen, für zahlreiche industrielle Anwendungen sowie als Energiespeicher, etwa für überschüssige Solar- oder Windenergie.“ Er ergänzt: „In Zukunft soll unsere Anlage auch Regelleistung für die Netzstabilisierung zur Verfügung stellen.“ Für die Netzbetreiber ist dies erforderlich, um unvorhergesehene Leistungsschwankungen in ihren Stromnetzen auszugleichen.

Noch zu geringe Mengen

Die Projekte zeigen, dass die Produktion prinzipiell funktioniert. Die hergestellten Mengen von wenigen Tonnen pro Jahr sind jedoch winzig, gemessen an dem Bedarf an grünem Wasserstoff. Das zeigt eine Vergleichszahl: Allein der internationale Energiekonzern TotalEnergies hat europaweit eine Menge von 500.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr ausgeschrieben, um seine Raffinerien in Europa zu dekarbonisieren.

Mehrere Förderprogramme

Bayern unterstützt den Wasserstoffhochlauf im Freistaat mit verschiedenen Programmen. Das Bayerische Elektrolyseur-Förderprogramm etwa konzentriert sich auf Anlagen mit einer elektrischen Mindestleistung von einem Megawatt und fördert bislang 23 Unternehmen. Das Bayerische Energieforschungsprogramm zielt allgemein auf innovative Energietechnologien und Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz.

Das Bayerische Förderprogramm zum Aufbau einer Wasserstofftankstelleninfrastruktur wiederum hat die Errichtung von 30 Tankstellen unterstützt – es wurde allerdings Ende 2024 beendet.

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