Klimaschutz | Betrieb + Praxis
Einfach den Wald schützen?

Trotz Vereinfachungen stellt die Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) viele Firmen vor Herausforderungen. Kostenfreie Angebote sollen Unternehmen unterstützen.
Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 10/2025
Wälder sind riesige Kohlenstoffspeicher, sie kühlen die Erde, steuern Wasserkreisläufe und das Wetter. „Ihr Schutz ist im Klimawandel unverzichtbar“, sagt IHK-Fachfrau Henrike Purtik. „Die EUDR will genau dazu beitragen – wird dies jedoch nur erreichen, wenn die Anforderungen an Unternehmen auch praxistauglich sind.“
Erleichterungen und Hilfestellungen
Das äußerst komplexe Regelwerk der EUDR gibt es seit 2023. Starten sollte es eigentlich Ende 2024. „Die EU hat den Start der Verordnung um ein Jahr verschoben und zwischenzeitlich Dokumente veröffentlicht, die die Handhabung der Verordnung erleichtern sollen. 18 EU-Staaten fordern derzeit eine erneute zeitliche Verschiebung“, erläutert Andreas Schäfer, Referatsleiter bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), der deutschen Aufsichtsbehörde für die EUDR. „Zugleich gibt es mittlerweile umfangreiche Unterstützung, um die EUDR besser umsetzen zu können“, ergänzt Katrin Merhof, Beraterin beim Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung. Das Wichtigste zum aktuellen Stand:
Was ist das Ziel der Entwaldungsverordnung EUDR?
Die EU Regulation on Deforestation-Free Products (EUDR) will sicherstellen, dass für bestimmte Rohstoffe und daraus hergestellte Erzeugnisse rückwirkend ab 31. Dezember 2020 keine Wälder mehr abgeholzt wurden. „Dies gilt für Waldflächen außerhalb wie innerhalb der EU, für entgeltlich, aber auch für unentgeltlich in Verkehr gebrachte Rohstoffe und Erzeugnisse“, erläutert BLE-Experte Schäfer.
Entscheidend: Anhang 1
Um welche Waren geht es?
Im Fokus stehen 7 Rohstoffe und daraus hergestellte Erzeugnisse: Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Kautschuk und Holz. Die relevanten Erzeugnisse sind im Anhang 1 der EUDR aufgelistet. „Diese Liste ist entscheidend“, sagt Beraterin Merhof. „Denn nur weil ein Betrieb für sein Produkt einen relevanten Rohstoff einsetzt, fällt er nicht automatisch unter die EUDR.“
Es sei immer zu prüfen, ob der HS-Code (HS steht für „Harmonisiertes System“, er dient der weltweit einheitlichen Bezeichnung und Codierung von Waren) im Anhang gelistet ist. Und wenn das der Fall ist, „ob ich damit eine EUDR-relevante Handlung vornehme“. Die EU-Kommission hat einen überarbeiteten Anhang mit Klarstellungen vorbereitet, der zeitnah verabschiedet werden soll.
Start teilweise sogar noch 2025
Wann startet die Umsetzung der EUDR?
Große und mittlere Unternehmen werden ab dem 30. Dezember 2025 in die Pflicht genommen, kleine und Kleinstfirmen ab dem 30. Juni 2026. „Ob kleinere Unternehmen unter die verlängerte Frist fallen, hängt davon ab, ob sie am 31. Dezember 2020 als kleines oder Kleinstunternehmen zugelassen waren“, so Beraterin Merhof.
Wer unterliegt der EUDR?
Die EU unterscheidet Marktteilnehmer und Händler und ordnet ihnen EUDR-relevante Handlungen zu. „Dabei kann ein Unternehmen auch beide Rollen innehaben“, sagt BLE-Experte Schäfer.
- Marktteilnehmer sind Primärerzeuger, Importeure, Exporteure und Verarbeiter. Sie bringen Rohstoffe oder Erzeugnisse erstmals innerhalb der EU in Verkehr, führen sie aus oder wandeln sie in ein weiteres Erzeugnis um. Die EU unterscheidet in der Lieferkette zwischen vor- und nachgelagerten Marktteilnehmern. Primärerzeuger, Importeure und Exporteure sind, grob definiert, vorgelagerte Marktteilnehmer. Weiterverarbeiter sind nachgelagerte Marktteilnehmer.
- Händler bieten die in Verkehr gebrachten Produkte der nachgelagerten Lieferkette zum Verkauf an.
Betroffenheit klären
Sind alle Unternehmensgrößen gleichermaßen von den Pflichten betroffen?
Abgesehen davon, dass kleine und Kleinstunternehmen gegebenenfalls später mit der EUDR starten dürfen, gibt es für nachgelagerte Marktteilnehmer sowie Händler, die als KMU gelten, Erleichterungen bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten.
Wie können Unternehmen überprüfen, ob sie von der EUDR betroffen sind?
Helpdesk-Beraterin Merhof empfiehlt eine Prüfung in 3 Schritten:
- Setzt die Firma ein im Anhang 1 der EUDR gelistetes Erzeugnis im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit ein?
- Nimmt sie damit eine EUDR-relevante Handlung vor?
- Gilt sie demnach als Marktteilnehmer oder Händler und ist sie als KMU oder Nicht-KMU und als vor- oder nachgelagert in der Lieferkette einzustufen?
Zum Beispiel kann das kostenlose Scoping Tool von Preferred by Nature bei der Einordnung helfen.
Geodaten erforderlich
Was schreibt die EUDR betroffenen Unternehmen vor?
Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre relevanten Erzeugnisse beziehungsweise die Rohstoffe für diese aus entwaldungsfreien Gebieten beziehungsweise Gebieten ohne Waldschädigung kommen. Hierzu sind unter anderem auch Geodaten vorzulegen. Die Erzeugung muss zudem im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Erzeugerlands erfolgt sein; dies gilt etwa in Bezug auf Menschen-, Arbeits-, Landnutzungs- oder Umweltrechte oder die Rechte indigener Völker. Unternehmen müssen dazu Daten und Informationen sammeln, Risiken der Nichtkonformität erkennen und bewerten sowie gegebenenfalls Minderungsmaßnahmen ergreifen.
Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten und die Bestätigung der Konformität der Erzeugnisse sind schließlich in einer gültigen Sorgfaltserklärung in der Europäischen Datenbank EU-TRACES zu hinterlegen (Due Diligence Statement, DDS). Merhof: „Der Einsatz von Siegeln oder Zertifikaten kann insbesondere bei der Informationssammlung und bei der Risikobewertung helfen, ist aber per se noch kein Beleg der Konformität.“
Diskutiert: Null-Risiko-Kategorie
Welche Rolle spielt die Risikokategorie eines Lieferlands?
Aktuell bestehen mit Blick auf die Entwaldungsrate die Risikokategorien hoch, mittel und normal. Dabei gibt es mit Belarus, Myanmar, Nordkorea und Russland 4 Hochrisikoländer. „Je nach Risikokategorie sind die Sorgfaltspflichten umfangreicher“, sagt BLE-Experte Schäfer.
„Die EU will die Länderliste regelmäßig überprüfen. Im Sinne des Koalitionsvertrags setzt sich die Bundesregierung für die Einführung einer Null-Risiko-Variante ein.“ Damit soll die Verordnung weniger bürokratisch werden und sich der Kontrollaufwand auf Länder mit höherem Risiko für Entwaldung konzentrieren. „Wir können so eine bessere Akzeptanz und Unterstützung vor allem im ländlichen Raum erreichen“, so Schäfer.
Grad der Betroffenheit: Genügt eine Referenzierung?
Müssen alle Unternehmen eine Sorgfaltserklärung (DDS) abgeben?
Das hängt von ihrer Größe und ihrer Rolle in der Lieferkette ab:
- Vorgelagerte Marktteilnehmer müssen immer prüfen und eine DDS abgeben – egal wie groß oder klein sie sind.
- Nachgelagerte Marktteilnehmer und große Händler dürfen sich auf die DDS des vorgelagerten Marktteilnehmers beziehen (referenzieren). Sie müssen keine eigene DDS erstellen, bleiben aber dennoch vollumfänglich verantwortlich für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten. „Sie sollten Plausibilitätsprüfungen durchführen“, rät Schäfer.
- Kleine nachgelagerte Marktteilnehmer und KMU-Händler müssen keine DDS abgeben. Sie sind aber verpflichtet, die DDS-Referenznummern ihrer Produkte aufzuzeichnen.
Die EU-Kommission hat 11 Lieferkettenszenarien erstellt, die die Einordnung erleichtern. Eine deutsche Übersetzung ist auf der Website der BLE (siehe Kasten unten) abrufbar. Schäfer ergänzt: „Zudem gibt es digitale Lösungen von kommerziellen und nicht kommerziellen Anbietern, die eine einfachere Referenzierung ermöglichen.“ Einen Überblick vermittelt unter anderem die Broschüre „Softwarelösungen für die EUDR“ auf dem elan! Unterstützungsportal.
Zulieferer ins Boot holen
Müssen Unternehmensgruppen für jeden Unternehmensteil einzeln berichten?
Neu ist jetzt, dass ein Bevollmächtigter für mehrere Mitglieder einer Unternehmensgruppe mit der Abgabe von Sorgfaltserklärungen im Namen aller beauftragt werden kann. „Das jeweilige Tochterunternehmen muss aber die Sorgfaltspflichten erfüllen. Auch trägt jede eigenständige juristische Person, die unter die Verordnung fällt, Verantwortung für die Konformität ihrer Erzeugnisse“, sagt Merhof.
Was ist, wenn Geodaten nicht zugänglich sind?
Nicht alle Lieferanten sind bereit, die geforderten Geodaten zu erfassen und zu teilen. Erschwerend kommt hinzu, dass wichtige Handelspartner der EU die Herausgabe verweigern. Die EU befindet sich daher in Verhandlungen mit diversen Staaten.
Merhof empfiehlt, mit Lieferanten, die keine Geodaten nennen, in den Dialog zu treten. Es könne viele Gründe geben, warum Geodaten nicht geliefert werden: Unverständnis der Vorgaben, Sorgen im Hinblick auf den Umgang mit Daten, fehlende technische Ausstattung – und nicht zuletzt, dass die Erzeugungsfläche nicht den Anforderungen der Entwaldungsfreiheit entspricht. „Miteinander sprechen kann helfen, dies herauszufinden und Unterstützungsmöglichkeiten auszuloten“, so Merhof. „Viele Unternehmen können hier auf die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Lieferanten im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zurückgreifen.“
Erleichterungen: So wird es für Firmen einfacher
Welche konkreten Vorgaben zur vereinfachten Umsetzung gibt es?
Neben den Referenzierungen sowie der Rolle des Beauftragten gibt es folgende Erleichterungen:
- Große Unternehmen dürfen bestehende DDS wiederverwenden, wenn Waren, die bereits auf dem EU-Markt waren, wieder eingeführt werden.
- Möglich ist auch eine jährliche Sammel-DDS für mehrere physische Chargen oder für Lieferungen mehrerer verschiedener Produkte. Dafür gelten vorher festgelegte Obergrenzen. Jeder einzelne Posten muss aber vollumfänglich geprüft sein.
- Bei Produkten mit mehreren relevanten Rohstoffen stellt die EU auf einen Hauptrohstoff ab – bei Schokolade wäre das Kakao, aber nicht zusätzlich Palmöl.
- Wird ein Produkt oder Erzeugnis lediglich als Verpackungsmittel genutzt, fällt es nicht unter die EUDR.
Des Weiteren wird aktuell über die Einführung von Bagatellmengen diskutiert, für welche die Sorgfaltsprüfung dann entfiele. Zur Debatte steht auch, ob kostenlose Produkte weiterhin unter die EUDR fallen. Nicht angedacht ist laut Schäfer aktuell, dass die Europäische Union die EUDR-Pflichten nur noch für große Unternehmen vorschreibt.
Strafen können drohen
Wie geben Firmen die DDS ab?
Die EU hat die Datenbank EU TRACES aufgebaut. Unternehmen geben dort die geforderten Daten ein. Daraus generiert TRACES die DDS und vergibt eine DDS-Referenznummer. Die BLE prüft die Angaben. „Dafür erproben wir ein selbst entwickeltes, mit TRACES korrespondierendes digitales Tool“, sagt Schäfer.
Was passiert, wenn die DDS nicht anerkannt wird?
Es drohen Bußgelder von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes, der Einzug der relevanten Erzeugnisse und der Einnahmen aus Transaktionen mit ihnen, Ausschlüsse von öffentlichen Vergaben und einiges mehr.
IHK-Info: Hier erhalten Unternehmen Unterstützung
- Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) informiert mit aktuellen FAQ und Schaubildern, Szenarien für die Lieferkette, Infos für Primärerzeuger, How-to-do-Anleitungen, Webinaren – auch zu Spezialfragen – sowie zum Geltungsbereich. Zudem ist die BLE Prüfstelle und damit Schnittstelle zu EU TRACES.
- Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte ist ein kostenfreies Unterstützungsangebot der Bundesregierung. Er bietet individuelle, vertrauliche und kostenfreie Erstberatung zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt einschließlich entwaldungsfreier Lieferketten für Unternehmen jeder Größe, Onlineinformationen, Veranstaltungen, Webinaren, Schulungen, Workshops und Onlinetools.
- Die IHK für München und Oberbayern informiert mit einem Ratgeber auf der IHK-Website über aktuelle Entwicklungen und weitere Unterstützungsangebote.