Klimaschutz | Betrieb + Praxis
Vorsprung durch Nachhaltigkeit

Wer sich nachhaltig aufstellt, erlangt auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten Vorteile. Das neue IHK-Nachhaltigkeitsmagazin 2025 zeigt, wie Unternehmen und die IHK daran mitarbeiten.
Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 09/2025
Die deutsche Wirtschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen: die Sorge vor bestehenden und zugleich neuen drohenden geopolitischen Risiken, zunehmender und von Donald Trump weiter geschürter Protektionismus, schwache Inlands- und Auslandsnachfrage, Überregulierung und Arbeitskräftemangel. Wie steht es in solchen Zeiten um die Nachhaltigkeit und die ausgewogene Balance zwischen der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Verantwortung von Unternehmen? Fällt Nachhaltigkeit zurück in einen Nice-to-have-Status?
Für Gerti Oswald, Verantwortliche für das Thema Nachhaltigkeit/CSR der IHK für München und Oberbayern, ist die Antwort eindeutig: Unternehmen haben längst erkannt, dass Nachhaltigkeit Innovationen fördert, die Marke stärkt, sie für neue Kunden, Partner, Investoren, Banken, Mitarbeitende attraktiver macht. Sie hilft dabei, Ressourcen zu schonen und langfristig Kosten zu senken. „Nachhaltigkeit trägt zu langfristigem Wachstum bei. Das gilt auch in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld.“
EU baut Hürden ab
Zugleich freut es Oswald aber, dass die EU als Treiberin der nachhaltigen Transformation derzeit regulatorische Hürden abbaut, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa in den Fokus nimmt und Unternehmen entlastet. Die IHK-Organisation hatte sich dafür eingesetzt. Die EU verfolgt weiterhin die Ziele des Green Deals und die Klimaneutralität bis 2050. Sie setzt dabei jedoch zunehmend auf mehr Praxistauglichkeit in der Umsetzung der Regularien und macht es vor allem der mittelständischen Wirtschaft einfacher, mitzuziehen. Mit dem Clean Industrial Deal soll Europa zugleich zum weltweiten Maßstab für grüne Industrien werden.
„Durch die bisherigen komplexen Vorgaben fühlten sich viele Unternehmen regelrecht erdrückt“, sagt IHK-Präsident Klaus Josef Lutz. Nun bekommen sie wieder mehr Freiraum für eigene Lösungen, die auf die Nachhaltigkeitsziele der EU einzahlen. „Die Unternehmen haben in den letzten Jahren sehr viel vorangebracht – sie denken Nachhaltigkeit inzwischen einfach immer mit“, beobachtet Oswald. „Das sollte nicht gebremst, sondern durch kluge Entlastung weiter gefördert werden.“
IHK-Zielbild: „Wirtschaft für Zukunft“
Für die IHK-Organisation ist Nachhaltigkeit schon lange ein relevantes Thema. „Per IHK-Gesetz haben wir IHKs den Auftrag, für Anstand und Sitte ehrbarer Kaufleute zu wirken. Ehrbare Kaufleute sind dabei nichts anderes als nachhaltig agierende Kaufleute, die ihr Geschäft zu Wachstum führen, ohne dabei Umwelt und Gesellschaft außer Acht zu lassen“, erläutert Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „Nachhaltigkeit gehört zur Identität der IHK.“ Der IHK-Markenkern lautet daher:
„Gemeinsam unternehmen wir Verantwortung – für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für die Region, für die Zukunft.“ Daraus leitet die IHK München ihr Zielbild „Wirtschaft für Zukunft“ ab.
Die IHK für München und Oberbayern hat diesen Ansatz – flankiert von den 2015 verabschiedeten Pariser Klimazielen und den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), zu denen die IHK sich explizit bekennt – mit ihren Mitgliedern noch weiter vertieft. Der Ausschuss Unternehmensverantwortung erarbeitete 2020 „Zehn Diskussionspunkte für zukunftsfähiges Wirtschaften“. Die Vollversammlung verabschiedete 2021 auf dieser Basis 10 „Leitlinien der Gesamtinteressenvertretung“.
Oberbayerns Wirtschaft hat sich positioniert
Die Haltung, die diese Papiere spiegeln, ist eine grundsätzliche und unabhängig von der jeweiligen Wirtschaftssituation. Zitat: „Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet, dass ökonomische, ökologische und soziale Ziele gleichgewichtig zum Wohlergehen heutiger und zukünftiger Generationen in Einklang gebracht werden. Die Soziale Marktwirtschaft ist das beste Wirtschaftsmodell, um ein angemessenes Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.“
Um neues Wachstum mit mehr Nachhaltigkeit zu verbinden, hat die oberbayerische Wirtschaft zugleich gute praktische Voraussetzungen: „Unsere Region hat sich in vielen nachhaltigkeitsrelevanten wie zukunftsweisenden Wirtschaftsfeldern zu einem führenden Standort entwickelt“, erklärt Gößl. „IT, Kreislaufwirtschaft, Life Science, klimatechnologische Industriegüter, Verteidigung oder Deeptech – wir haben hier in den Betrieben und an den Universitäten und Hochschulen fachlich enorm viel Potenzial. Fachkräfte ziehen gern hierher, Investoren geben bedeutendes Risikokapital an Start-ups und Scale-ups.“
Innovationsmotor Deeptech
Besonders hebt Gößl München als Standort für Deeptech hervor: „Deeptech – als Symbiose aus Wissenschaft, wegweisender Technologie und Unternehmertum – ist nicht nur der Innovationsmotor schlechthin, Deeptech schlägt gerade auch die Brücke zur Nachhaltigkeit, bringt sie über den Einsatz von KI, Quantentechnologie oder neue Werkstoffe noch einmal deutlich nach vorn.“
Auch Gößl begrüßt, dass die EU die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns rückt, auch mittels der aktuellen EU-Omnibus-Verfahren. „Damit ist es aber nicht getan: Wir brauchen weiteren Bürokratieabbau, Digitalisierung, Energiesicherheit, weniger Steuern, einen Umbau des Sozialstaats und einen wirklich gemeinsamen EU-Binnenmarkt. All das verhilft den Unternehmen zu Stabilität und Wachstum und schafft auch neue Freiräume für mehr Nachhaltigkeit.“
Kunden honorieren Nachhaltigkeit
Unternehmerin Kathrin Wickenhäuser-Egger beherzigt betrieblich wie privat schon immer nachhaltige Grundsätze. Sie führt das Münchner Familienunternehmen Wickenhäuser & Egger AG bereits in der vierten Generation. Das Unternehmen betreibt mehrere Gastronomiebetriebe in München und ein Festzelt auf dem Oktoberfest.
„Wer nachhaltig arbeitet, bietet bessere Qualität“, sagt Wickenhäuser-Egger. Das heißt konkret, dass sie in ihren Gaststätten und auf der Wiesn regionale, möglichst biologische Lebensmittel anbietet. Sie setzt sich für Integration ein, bildet junge Geflüchtete aus. Ihre Lieferketten sind fair, beim Transport achtet sie auf emissionsarme Lkws. „Kunden sind bereit, ein nachhaltiges Gesamtkonzept zu honorieren, es bringt uns Wettbewerbsvorteile“, sagt sie.
Ehrenamt ist Ehrensache
Ehrenämter gehören für sie ebenfalls zu einer nachhaltigen Einstellung. In der IHK ist sie Vizepräsidentin, Vorsitzende des Ausschusses Unternehmensverantwortung sowie des Berufsbildungsausschusses, außerdem aktiv im Regionalausschuss München, im Unternehmerinnenausschuss sowie im Aufsichtsrat der IHK Akademie. „Wir Unternehmen wissen, dass wir von Nachhaltigkeit profitieren. Damit sie noch weiter vorankommen kann, müssen Politik und Wirtschaft aber auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Politik muss uns zuhören, fördern, nicht wieder überfordern – jetzt umso mehr. Die IHK ist hier die perfekte Vermittlerin.“
Gemeinsam Verantwortung unternehmen
IHK-Expertin Oswald versichert: „Wir werden die Unternehmen selbstverständlich weiterhin auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen.“ Praktisch wie politisch und in engem Austausch mit ihnen in der Vollversammlung, in Ausschüssen, Peergroups, in der Region, in München, Berlin oder Brüssel – ganz nach dem Motto: „Gemeinsam unternehmen wir Verantwortung.“
Magazin zum IHK-Nachhaltigkeitsbericht
Als Querschnittsthema spielt Nachhaltigkeit in allen IHK-Bereichen eine Rolle. Zahlreiche dieser Angebote und Aktivitäten stellt die IHK in ihrem Magazin zum Nachhaltigkeitsbericht vor. Das Magazin und den Nachhaltigkeitsbericht selbst gibt es auf der IHK-Website.