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Eine Welle erobert die Welt

citywave ©
Stehende Welle – authentisches Surfen wie im Meer oder Fluss

Die Firma action team aus Martinsried baut stehende Surfwellen für drinnen und draußen. Das Unternehmen hat mit diesem Nischenprodukt den Weltmarkt erobert und will das Geschäft weiter ausbauen.

Sabine Hölper, Ausgabe 05/2021

Die Luft ist angenehm warm und ein bisschen feucht, gleichzeitig tost und rauscht es gewaltig. So ist das am Strand, wo sich hohe Wellen brechen. Und so ist es mitten in Madrid. Hier surfen Anfänger und Profis auf einer künstlichen Welle. Entwickelt und gebaut wurde sie von der action team Veranstaltungs GmbH. 2016 installierte das Martinsrieder Unternehmen im französischen St. Gilles Croix de Vie seine erste »citywave«.

Mittlerweile ziehen 14 künstliche Wellen auf der ganzen Welt Surfer an. Zuletzt eröffnete im US-amerikanischen Seattle ein innerstädtisches Wellenparadies. Mit zwei Metern ist es der bisher höchste Brecher mit der Technologie aus Oberbayern.

Geschäftsführer Rainer Klimaschewski (67) hat action team vor fast 40 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Susi gegründet. Seither organisieren der Europameister und die Weltmeisterin im Ski-Freestyle Sportevents für Messeveranstalter und andere Firmen. Sie entwickelten zum Beispiel eine rotierende Endlosskipiste, auf der man auf der Stelle Ski fahren kann. Außerdem statteten sie die ersten Snowboard-Events im Sommer mit echtem Schnee, Quarterpipe, Schanzen und mobilen Funparks aus.

Leidenschaft fürs Surfen allen ermöglichen

Vor etwa zehn Jahren beschloss das Ehepaar, eine weitere Sportart in die Innenstädte zu bringen. Die leidenschaftlichen Surfer hatten sich in den Kopf gesetzt, auch Wellenreiten zu jeder Jahreszeit und an jedem Ort der Welt möglich zu machen. So entstand die »citywave«, eine stehende Welle, die authentisches Surfen wie im Meer oder Fluss verspricht.

Klimaschewski ist nicht nur begeisterter Sportler, sondern auch Ingenieur. Die Kombination aus beidem erlaubte es ihm, Action-Sportarten stadttauglich machen. Vor allem seine Erlebnisse als Profiskifahrer trieben ihn dazu an: »Wenn man bei Wind und Wetter auf 3000 Metern Höhe einen Skiwettkampf austrägt, steht kaum ein Zuschauer am Rand«, sagt der gebürtige Allgäuer. »Da ist es doch schöner, man veranstaltet vor 10000 Besuchern am Münchner Königsplatz einen Wettbewerb.«

Der Münchner Eisbach als Vorbild

Action team hat zahlreiche solche Veranstaltungen erfolgreich realisiert, Klimaschewski hätte also mit seiner Firma einfach so weitermachen können. Doch irgendwann nahm die Idee vom Surfen in der City Gestalt an. »München hat das Glück der Welle am Eisbach«, sagt er. Aber der Eisbach mit seiner konstanten und großen Flusswelle fließt eben nur in München.

Klimaschewski jedoch wollte, dass die Welle die Welt erobert. Nun tosen mit seiner Technologie Wellen in Japan, Russland und Israel, in Frankreich, Spanien, Österreich und in der Schweiz. Hierzulande ist seine Technologie in der Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen, in Berlin und in Osnabrück zu finden. Größtenteils befinden sich die Wellen in Hallen, aber es gibt auch Outdoorwellen, etwa im israelischen Hadera, in Wien oder in Madrid. Bevor die Pandemie ausbrach, wurden sie, egal, ob drinnen oder draußen, gut besucht. Profis trainierten auf der stehenden Welle für den nächsten Wettkampf, Hobbywellenreiter überbrückten die Zeit bis zum kommenden Urlaub am Meer, Anfänger übten, auf dem Wasser zu gleiten.

Ab acht Jahren aufs Board

Auch Kinder ab etwa acht Jahren können surfen – zunächst mithilfe einer Stange. Die Eltern, die am Rand zuschauen, staunen nicht schlecht, wenn ihre Sprösslinge schon nach 20 Minuten ohne Hilfsmittel auf dem Board stehen können. Das ist der Vorteil der künstlichen Welle: Im Meer muss man es erst einmal schaffen, eine Welle zu erwischen. Im Becken steigt man, mithilfe der Trainer, vom Beckenrand aus direkt darauf.

Dämpfer durch Corona

Möglich ist das derzeit nur in wenigen Städten, etwa in Madrid oder – ganz neu – in Seattle. »Meines Wissens steckt man sich beim Surfen nicht mit Corona an«, sagt Klimaschewski. Das Wasser sei chlorhaltig, die Abstände könnten gewahrt werden. Dennoch: Fast überall auf der Welt sind die Becken verwaist. Die Schließungen treffen action team nicht direkt, da das Unternehmen die Anlagen nicht betreibt. Dennoch hat es seit Corona erhebliche Umsatzeinbußen verkraften müssen. Etwa, weil im vergangenen Jahr die Düsseldorfer Messe »boot« ausfiel. Seit Jahren hatten die Bayern dort eine Welle installiert.

Hinzu kommt das schleppende Neugeschäft. Vertragsverhandlungen ziehen sich in die Länge, Anlagen können nicht wie geplant aufgebaut werden. In Japan etwa hätte längst eine weitere Welle stehen sollen. Verschieben ist an der Tagesordnung. Geduld und Ausdauer sind gefragt. Der Unternehmer ist in beiden Disziplinen geübt.

Technologie anfangs hobbymäßig entwickelt

Jahrelang hatte Klimaschewski die Technologie für die stehende Welle entwickelt, »zunächst eher hobbymäßig neben der eigentlichen Arbeit«, wie er sagt. Anfangs saß er allein am Computer, stellte Berechnungen an, zeichnete und baute Modelle. »Es dauert seine Zeit, bis man es schafft, dass sich eine Welle auf Knopfdruck anund ausschalten lässt«, sagt er.

Anfangs bildete sich gar keine Welle, es wurde nur Weißwasser produziert. Später war die Welle zwar da, aber kein Weißwasser dahinter. »Es ist eine Annäherung in Schritten«, sagt Klimaschewski. »Irgendwann ist das Resultat gut genug, um einen Prototyp bauen zu können.«

Nach einigen Jahren Tüftelei war die »citywave« endlich eine funktionierende, einsatzbereite Welle. Zehn Mitarbeiter kümmern sich heute um die Woge. Klimaschewski entwickelt die Technik stetig weiter, sodass die Welle höher und höher wird.

Marke und Anziehungspunkt

Vor allem aber will der Unternehmer das Geschäftsmodell in den kommenden Jahren überarbeiten. Bislang liefert action team nur die Technologie. Zukünftig will Klimaschewski die Anlagen auch selbst betreiben. Er verspricht sich davon größere Margen, vor allem aber mehr Kontrolle über die eingetragene Marke »citywave«.

Die Welle solle nicht zu einer »Zirkusattraktion« werden, sondern Anziehungspunkt für Sportler sein. Das Miteinander, so wie der Unternehmer es vom Surfen am Eisbach kennt, will er in die Hallen holen. Und er möchte, dass auch benachteiligte Kinder daran teilhaben können. Sie sollen Surfkurse machen, Sport und Spaß erleben. Bislang ist das Surfen in der Innenstadt indes kein günstiges Vergnügen. Eine Stunde Wellenreiten kostet mindestens 40 Euro.

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