Betrieb + Praxis

Einkaufen zum Erlebnis machen

Kochevents im Laden animieren Kunden zum Probieren – und Einkaufen

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 03/2020

Der langjährige Trend zum Einkaufserlebnis gewinnt weiter an Bedeutung für den stationären Handel. Die Kunden schätzen reale Erfahrungen, Begegnungen und Inspiration.

Vor mehr als 20 Jahren führte die Idee noch zu heftigen Debatten bei der F.S. Kustermann GmbH: Sollte tatsächlich kostbare Verkaufsfläche geopfert werden, um im Eingangsbereich eine Versuchsküche einzurichten? Mittlerweile finden dort beinahe täglich Events statt, bei denen vor allem die Lieferanten für interessante Kochshows, gute Stimmung und kulinarische Entdeckungen sorgen. Die Versuchsküche kam bei den Kunden gut an. Daher baute das Münchner Traditionsgeschäft für Haushaltswaren gezielt weitere klassische Warenregale ab. »Damit schufen wir Platz für Pop-up-Flächen, auf denen wir neben Vorführungen zum Beispiel auch temporäre Angebote oder Arbeiten von Künstlern zeigen«, erklärt Geschäftsführer Caspar-Friederich Brauckmann (59). Es gehe nicht mehr vor allem darum, nur die Ware möglichst schön zu präsentieren: »Heute kommt es vielmehr auf die Stimmung, auf Action und Rambazamba im Laden an.

Händler als Gastgeber

Dies bestätigt der Retail Report 2020 des Zukunftsinstituts, in dem die prägenden Trends für den Handel vorgestellt werden. Einer davon sind Playful Stores: So bezeichnet Autorin Theresa Schleicher stationäre Ladengeschäfte, die nicht nur Waren, sondern Erlebnisse verkaufen und laut Retail Report »innovative Lebensräume, Spiel- und Spaßstätten sowie Serviceorte rund um die Produkte« sind. Instagram-taugliche Inszenierungen zählen ebenso dazu wie Gastronomie, kulturelle Veranstaltungen oder die Möglichkeit, Neues kennenzulernen und zu testen. Kustermann-Geschäftsführer Brauckmann ist fest davon überzeugt, dass es für den stationären Einzelhandel immer wichtiger wird, seine Flächen als Stätten der Begegnung zu nutzen. »Wir Menschen sind soziale Wesen und wollen nicht nur online kommunizieren und einkaufen, sondern auch gemeinsame Erlebnisse in schönem Ambiente genießen.« Die Zeiten, in denen die Schlacht allein mit der Ware gewonnen wurde, seien längst vorbei. »Heute sehen wir uns als Gastgeber.« Zu dieser Rolle passt es bestens, dass Kustermann seit einigen Jahren eine Kochschule mit modernen Eventräumen plus Terrasse betreibt. 2019 wurden in dem historischen Gebäude zwischen Rinder- und Viktualienmarkt zwei zusätzliche Räume für Meetings, Familienfeiern, Führungskräftetagungen und dergleichen ausgebaut. »Der Eventbereich arbeitet profitabel«, betont Brauckmann. »Er steigert aber auch die Umsätze in unserem Einzelhandel, weil die Gäste, die bei einer Veranstaltung an einem schön gedeckten Tisch Platz genommen haben, Inspirationen für zu Hause mitnehmen und die passenden Produkte bei uns kaufen können.« Dass Events Händler dabei unterstützen, Kunden zu finden und zu binden, betont auch Retailexperte Carsten Szameitat (43), Gründer und Vorstandsvorsitzender der Location Based Marketing Association (LBMA) sowie Direktor der Fachmesse Internet World Expo.

»Im Laden erleichtern digitale Produktinformationssysteme und interaktive Displays das Einkaufen.«Carsten Szameitat, Vorstandschef der Location Based Marketing Association und Direktor der Internet World Expo

Er betont, dass nicht zuletzt neue Technologien das Einkaufserlebnis verbessern können. »Sie helfen Einzelhändlern dabei, ihre Kunden besser kennenzulernen und leichter anzusprechen. Im Laden erleichtern digitale Produktinformationssysteme und interaktive Displays das Einkaufen.« Der Versuch, Kunden ausschließlich mit technischen Spielereien in die Läden zu locken, sei jedoch wenig zielführend. Neue Gadgets und Technologien wie etwa menschenähnliche Roboter, Augmented oder Virtual Reality sollten Teil eines Gesamtkonzepts sein und zum Sortiment und zu den Zielgruppen passen, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. »So ist es etwa für ein Autohaus durchaus sinnvoll, Prospekte durch Video- oder Augmented-Reality-Lösungen zu ersetzen, um Interessenten Ausstattungsvarianten der Fahrzeuge bestmöglich vorzuführen«, erklärt Szameitat. Dass dies selbst auf kleinster Fläche funktioniert, zeigen die stets gut besuchten Innenstadt-Dependancen des Elektroautobauers Tesla. Auch andere Unternehmen zieht es verstärkt in die City. Das schwedische Möbelhaus Ikea etwa eröffnet immer mehr kleinere Geschäfte im Zentrum, in dem sich Kunden in inszenierten Wohnwelten informieren und beraten lassen können. Experte Szameitat sieht dies als Indiz dafür, dass die Bedeutung des stationären Handels als Endpunkt der Logistikkette abnimmt und sich dessen Kernkompetenzen mehr und mehr auf das Erklären, Zeigen und Inspirieren verlagern. Natürlich ist es für Einzelhändler in den Top-Lagen großer Städte einfacher, Kunden in ihre Läden zu locken. »Dort sind schließlich nach wie vor viele Menschen unterwegs«, sagt Szameitat. Schwieriger sei dies in ländlichen Regionen, wo die Zahl der Passanten in den Ortskernen mitunter rapide schrumpfe. Mangels Laufkundschaft muss der Handel dort seine Zielgruppen direkt ansprechen und dazu einladen, in den Laden zu kommen. »Hier kann eine Zusammenarbeit mit regionalen Vereinen und Interessengruppen sinnvoll sein«, rät Szameitat. So könne zum Beispiel ein Sportartikelhändler die Mitglieder der Facebook-Laufgruppe im Ort zu einem exklusiven Laufschuh-Test einladen. Selbst auf kleinen Flächen lasse sich immer ein Tisch freiräumen, auf dem lokale Initiativen, Hersteller oder Kunsthandwerker ihre Angebote präsentieren können. Gastronomische Angebote wiederum erhöhen den Wohlfühlfaktor und die Aufenthaltsdauer, was letztlich zu höheren Umsätzen führt. Wer keinen Platz für ein komplettes Café hat, kann vielleicht eine kleine Kaffeebar einbauen. »Und meist lässt sich ja auch zusammen mit einem benachbarten Händler etwas organisieren«, sagt Szameitat und plädiert dafür, das Konkurrenzdenken zurückzustellen, um die Frequenzen in einem Ort oder einer Einkaufsstraße zu verbessern und den Kunden gemeinsam gute Erlebnisse zu bieten.

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