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Batterie statt Verbrenner

Daimler Truck ©
Paulaner-Lieferung per E-Lkw – bis zu 200 Kilometer pro Tag unterwegs

Wie bewähren sich elektrisch angetriebene Lkws im Alltag? Erfahrungen von Unternehmen aus der Praxis und Forschungsergebnisse zeigen, wo die Perspektiven der E-Nutzfahrzeuge liegen – und ihre Grenzen.

JOSEF STELZER, Ausgabe 04/2022

Emissionsfrei und praktisch lautlos fährt der 23-Tonner mit Elektroantrieb vom Getränkelager der Augustiner-Bräu Wagner KG in München-Freiham in die rund 20 Kilometer entfernte Innenstadt, um dort Bier und andere Getränke an Gastronomiebetriebe auszuliefern. Die rund 1,4 Tonnen schweren Batterien ermöglichen knapp 120 Kilometer Reichweite – genug für die täglichen Liefertouren. Nachgeladen wird nachts an der betriebseigenen 22-Kilowatt-Ladestation auf dem Firmengelände in Freiham.

»Alltagseinsatz ist bestanden«

Ursprünglich war der Elektro-Lkw ein konventionell angetriebener MAN-Diesel, den der thüringische Nutzfahrzeugspezialist Framo GmbH umgebaut hat. »Seit 2019 verrichtet der umgebaute E-Truck zuverlässig seinen Dienst, die Bewährungsprobe im Alltagseinsatz ist bestanden«, sagt Augustiner-Logistikleiter Peter Scholz (44). »Aufgrund unserer guten Erfahrungen ist es denkbar, dass wir für den Verteilerverkehr in der Region München künftig weitere batteriebetriebene Lkws einsetzen.«

Wie bei Augustiner-Bräu Wagner haben sich auch in anderen Unternehmen die E-Lkws im täglichen Lieferverkehr bewährt. Insgesamt kommt die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs jedoch nur langsam voran. Das liegt auch an dem geringen Angebot an batteriebetriebenen Lastwagen sowie an fehlenden öffentlichen Lademöglichkeiten.

Immer mehr E-Modelle auf dem Markt

Doch Besserung ist in Sicht. Nach und nach kommen immer mehr E-Modelle auf den Markt. Die Daimler Truck AG etwa startete im Oktober 2021 die Serienproduktion. Ein Prototyp ist für die Logistiksparte der Münchner Paulaner Getränke und Service GmbH bereits unterwegs und versorgt die Gastronomie sowie ausgewählte Getränkemärkte im Großraum München. Der batterieelektrische Lkw legt pro Tag zwischen 100 und 200 Kilometer zurück, aufgeladen wird über Nacht auf dem Paulaner-Betriebshof.

Die MAN Truck & Bus SE übergab 2020 ihren ersten E-Lkw an die Kundschaft, nachdem die Produktion einer Kleinserie im Jahr zuvor gestartet worden war. Die Münchner Spaten-Löwenbräu-Gruppe etwa setzt seit Sommer 2020 einen vollelektrischen MAN-Lastwagen für Transporte von Bierkisten und Fässern ein. Die tägliche Fahrstrecke des 26-Tonners beträgt rund 100 Kilometer.

Studie simuliert Alltagstauglichkeit

Dass E-Lkws durchaus alltagstauglich sind, belegt auch die aktuelle Studie »Lieferverkehr mit Batterie-Lkw: Machbarkeit 2021« des Fraunhofer-Instituts für System und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Die Untersuchung basiert auf 9.500 Lkw-Touren zur Belieferung von 543 Supermarktfilialen. Wobei die Lieferfahrten mit den E-Lastwagen nicht real auf der Straße erfolgten, sondern per Computersimulation. »Die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkws mit mehr als zwölf Tonnen zulässigem Gesamtgewicht reichen heute oft schon aus, um alle in der Studie analysierten städtischen Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren zu schaffen«, fasst ISI-Studienleiter Patrick Plötz (40) die Ergebnisse zusammen.

Deutlicher Gesamtkostenvorteil gegenüber Dieselfahrzeugen

Gerade im Regionalverkehr und – je nach Jahresfahrleistung – teilweise auch im städtischen Einsatz erzielen E-Lkws einen deutlichen Gesamtkostenvorteil gegenüber Dieselfahrzeugen. »Bei Lastwagen über 18 Tonnen kann der Kostenvorteil bei einigen Zehntausend Euro liegen, wenn man Anschaffungskosten, die Förderung von bis zu 80 Prozent und die Betriebskosten samt Wartung einbezieht«, schätzt Plötz. Die staatliche Kaufprämie für E-Lkws beträgt bis zu 80 Prozent der Mehrausgaben gegenüber vergleichbaren Diesel-Lkws. Förderanträge nimmt das Bundesamt für Güterverkehr entgegen (www.bag.bund.de).

Mehr Schnellladepunkte gefordert

Die E-Lkws können erheblich zur Senkung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen im Verkehr beitragen. Derzeit verursacht der Straßengüterverkehr über ein Drittel der CO2-Emissionen des Verkehrssektors. Allerdings fehlen noch öffentliche Ladepunkte, die sich für Lastwagen eignen. »Gerade im Fernverkehr wären Schnellladepunkte nötig, am besten ab 300 Kilowatt, und im nächsten Schritt das sogenannte Megawattladen«, sagt ISI-Experte Plötz. Damit dürfte sich die Ladezeit selbst bei großen Lkw-Batterien auf etwa 30 Minuten und weniger reduzieren.

Innovationsprojekt »E-Highway Bayern« gestartet

Der Freistaat hat hierzu mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums unter anderem das Innovationsprojekt »E-Highway Bayern« gestartet. Im Vordergrund steht die Erprobung des Ladens von Batterie und Brennstoffzellen-Lkws, etwa entlang der Autobahn A 9 von München über Ingolstadt nach Nürnberg oder an der A 92 von München über Landshut und Dingolfing nach Deggendorf.

Die Lastwagen sollen auf der Teststrecke den Strom für ihren E-Antrieb über eine Oberleitung erhalten. Zudem laden sich die Batterien während der Fahrt auf. Zwischenstopps an Ladestationen werden damit seltener notwendig oder können ganz entfallen. Im Einzugsgebiet einer Oberleitungsstrecke sollen zudem ein ergänzendes Netz von Wasserstofftankstellen sowie stationäre E-Schnellladestationen auf Rast und Betriebshöfen entstehen.

Um den Aufbau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben, planen die Lastwagenhersteller Daimler Truck, die Volkswagen-Tochter Traton SE und die Volvo Car Corporation ein gemeinsames europaweites Netz von Elektrotankstellen. Vorgesehen sind 1.700 Ladestellen für elektrisch angetriebene Schwerlaster und Busse. Die ersten sollen ab 2022 bereitstehen.

Brennstoffzellen-Lkws als Alternative künftig denkbar

Für längere Touren über mehrere Hundert Kilometer sind künftig auch Brennstoffzellen-Lkws als Alternative zu batteriebetriebenen Nutzfahrzeugen denkbar. Die Brennstoffzellen erzeugen Strom mit dem in speziellen Tanks gespeicherten Wasserstoff. Damit haben die Fahrzeuge gewissermaßen ein eigenes Minikraftwerk an Bord, das Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometern und mehr ohne Tankzwischenstopp ermöglichen soll.

Allerdings dürfte es noch einige Jahre dauern, bis ein dichtes Netz an Wasserstofftankstellen verfügbar ist. In München gab es zuletzt lediglich fünf Stationen. Augustiner-Logistikleiter Scholz ist von den Potenzialen der Technologie gleichwohl überzeugt. »Brennstoffzellen-Lkws ermöglichen deutlich längere Reichweiten als die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge und eignen sich daher viel besser für Überlandfahrten und den Fernverkehr.«

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