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Unterschätzte Gefahr

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Extremwetterereignisse treten immer häufiger auf und verursachen zum Teil massive Schäden. Um im Ernstfall abgesichert zu sein, müssen Betriebe zwingend Eigenvorsorge betreiben.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 07/2021

Die Bilder aus den Katastrophengebieten in Rheinland-Pfalz, NRW und dem Berchtesgadener Land vor wenigen Wochen sitzen noch tief. Schon Ende Juni 2021 zeigte die Natur ihre Kraft: Ein heftiges Unwetter mit Starkregen, Sturmböen und bis zu drei Zentimeter großen Hagelkörnern wütet über dem Landkreis Starnberg, zerstört Blumenfelder, überflutet Straßen.

Auch in vielen anderen oberbayerischen Städten und Landkreisen sorgen peitschender Starkregen und Hagel für Beeinträchtigungen. Auf den Straßen bilden sich Bäche, Äste brechen von den Bäumen und fallen auf darunterstehende Fahrzeuge. Verheerende Unwetter gab es zuvor auch in Schwaben, in der Oberpfalz und in Oberfranken, immer mit ähnlichen Bildern: überflutete Keller, Autounfälle, Straßen- und Gleissperrungen. Im oberfränkischen Bindlach wird ein Gewerbegebiet komplett überflutet.

Bayern 2019 bundesweit am schlimmsten betroffen

Solche Extremwetterereignisse, die flächendeckend große Verwüstungen anrichten können, ereignen sich immer häufiger – auch in Oberbayern. Laut dem aktuellsten Naturgefahrenreport 2020 des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) war Bayern im Jahr 2019 bundesweit sogar am schlimmsten betroffen: So verursachten Stürme, Hagel und Starkregen im Freistaat versicherte Sachschäden in Höhe von 675 Millionen Euro.

Gewappnet gegen Naturgewalten

Nach Aussagen von Experten werden solche Naturgewalten wie Starkregen und Hochwasser wegen des Klimawandels weiter zunehmen. Dabei sind auch Gebäude gefährdet, die nicht in der Nähe eines Flusses oder Sees liegen. Gerade Starkregen verursacht fernab von Gewässern oder Hochwassergebieten immer wieder Überschwemmungen. Der Grund: Selbst moderne Abwassersysteme können die enormen Wassermassen nach einem anhaltenden Dauerregen nicht überall fassen. Hierdurch komme es immer wieder zu Überschwemmungen oder einem Rückstau aus den Ableitungsrohren, warnt die Bayerische Staatsregierung in einem Infoblatt zu Elementargefahren.

»Solche Ereignisse können also jeden überall zu jeder Zeit ereilen und erheblichen Schaden anrichten«, erläutert Rainer Bradl, Versicherungsexperte bei der IHK für München und Oberbayern. »Nicht nur Privatleute, auch Unternehmen müssen daher vorsorgen, um im Ernstfall gegen solche Naturgefahren bestmöglich gewappnet zu sein«.

Freistaat gewährt seit 2019 keine finanziellen Soforthilfen mehr

Vorsorgen bedeutet hier, dass Firmen einerseits bauliche Maßnahmen ergreifen und/oder sich gegen entsprechende Naturgefahren versichern können. »Das ist umso wichtiger, als der Freistaat bereits seit 2019 in der Regel nach Naturkatastrophen keine finanziellen Soforthilfen mehr gewährt«, so Bradl. Die Begründung für diesen Schritt: Staatliche Hilfen könnten kein Ersatz für einen umfassenden Versicherungsschutz sein.

Barrieren gegen die Fluten

Welche baulichen Schutzmaßnahmen für einen Betrieb sinnvoll sind, lässt sich mithilfe eines Gebäudeexperten ermitteln. Das kann etwa ein erfahrener Bauingenieur, ein Architekt oder ein öffentlich vereidigter und bestellter Sachverständiger für Gebäude sein. Hilfreich gegen Überschwemmung sind beispielsweise Schutzwände wie temporäre oder ständige Metallelemente vor Toren und Wänden sowie wasserdichte (nicht bewegliche) Fenster und Türen, die dabei helfen, das Wasser aus den Gebäuden weitgehend fernzuhalten.

Und wie sieht ein risikogerechter Versicherungsschutz aus? Schutz vor Sturm und Hagel bietet die Gebäude- oder Inhaltsversicherung. Um sich gegen Elementargefahren wie Starkregen, Flusshochwasser, Erdrutsch und Schneedruck abzusichern, ist jedoch eine erweiterte Naturgefahren-Versicherungspolice notwendig.

Nur 36 Prozent der privat genutzten Gebäude in Bayern versichert

Viele Versicherer bieten sie im Paket mit der Gebäudeversicherung an, manche mittlerweile aber auch einzeln. In den vergangenen Jahren wurden solche speziellen Elementarschadenversicherungen immer häufiger abgeschlossen. Trotzdem sind laut GDV gerade einmal 36 Prozent der privat genutzten Gebäude in Bayern derzeit gegen Elementarschäden versichert, die Quote bei gewerblichen Bauten dürfte noch weit darunterliegen.

Schutz gegen Überschwemmung, Schneedruck und Erdrutsch

»Die Leute können mit dem Begriff Elementarschäden nach wie vor wenig anfangen«, bestätigt Anjo Scheel, Inhaber der SVK Finanz in Ingolstadt. »Sie denken dabei an Erdbeben und Vulkanausbruch, aber zu den erweiterten Naturgefahren zählen eben auch Überschwemmung, Schneedruck und Erdrutsch – und davor ist keiner gänzlich gefeit.«

Wie unerwartet einem das Schicksal mitspielen kann, zeigt das Beispiel eines Privatmanns aus einer kleinen bayerischen Gemeinde. Er sah sein Haus am Hang gegen Überschwemmung gut geschützt, entschied sich aber dennoch zum Abschluss einer Elementarschadenversicherung – zu seinem Glück. Denn als die Wasserleitung der Gemeinde einmal undicht war, kam der an sein Grundstück angrenzende Hang durch das austretende Wasser ins Rutschen. Sein Haus erlitt dadurch Risse. Über die Elementarschadenversicherung bekam er zeitnah einen finanziellen Ausgleich für den Schaden.

Wichtig: Elementarschadenversicherungen unterscheiden sich deutlich in puncto Höhe der abgedeckten Schadenssummen, der monatlichen Beiträge und der versicherten Schadensfälle. »Darum empfiehlt es sich, von mehreren Versicherungen individuelle Angebote zum Vergleich einzuholen«, so IHK-Experte Bradl. »Zudem sollte man wissen, dass viele Elementarschadenversicherungen eine Selbstbeteiligung beinhalten«, ergänzt Scheel.

Die genaue Ausgestaltung des Schutzes hänge »von der Lage der Immobilie einerseits und dem individuellen Sicherheitsdenken des Unternehmers andererseits ab. Am besten eruiert man das im Dialog mit seinem Makler.« Versicherbar seien die meisten Immobilien, betont Scheel. »Auch wenn man in der Nähe eines Gewässers wohnt.«

Weitere Informationen für Unternehmen bietet

IHK-Service: Versicherungsschutz ergänzen

Wer sich umfassend gegen Elementarschäden versichern will, sollte zusätzlich erwägen, eine Betriebsunterbrechungspolice abzuschließen. Diese trägt bei einem Betriebsstillstand laufende Kosten bis zum Wiederaufbau des Betriebs. Solange keine Erträge erwirtschaftet werden, kommt die Versicherung beispielsweise für Löhne, Gehälter oder Mieten und Pachtzahlungen auf. Wichtig: Die Police muss für den speziellen Schadensfall ausgelegt sein, also etwa explizit bei einer Überschwemmung durch Hochwasser greifen.

Zudem ist es mitunter sinnvoll, die Elementarschadenversicherung zu erweitern. Dann nämlich, wenn nennenswertes Fremdeigentum wie etwa Leasingwagen oder -maschinen auf dem Firmengelände vorhanden ist und durch Elementarschäden in Mitleidenschaft gezogen werden kann. »Zu den Details seines Versicherungsschutzes sollte sich jeder Unternehmer unbedingt individuell beraten lassen und Angebote einholen, die die spezifischen Belange seines Betriebs berücksichtigen«, rät IHK-Experte Rainer Bradl.

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