EMAS: Sichtbar ökologisch

Stakeholder fordern verstärkt, dass Unternehmen nachhaltig handeln. Das von der Europäischen Kommission entwickelte Umweltmanagementsystem EMAS hilft, diesen Ansprüchen nachzukommen, und schafft zudem Transparenz.
Eva Müller-Tauber, Ausgabe 12/2021
Wenn Geschäftspartner fragen, wie es um die Umweltleistung der Augustiner-Bräu Wagner KG bestellt ist, reichen Konrad Stuffer (45) ein paar Klicks und schon hat der Umweltmanagementbeauftragte der Münchner Brauerei detaillierte Informationen zu Energieverbrauch, CO2-Ausstoß oder Abwasser parat. Und wer sich einen Gesamtüberblick verschaffen will, welchen Stellenwert das 500-Mitarbeiter-Unternehmen ökologischen Themen beimisst, dem schickt er per Mail die gut 50 Seiten lange Umwelterklärung. Diese hat Stuffer erst vor ein paar Monaten zusammen mit dem unternehmensinternen Umweltmanagementteam im Rahmen von EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) erstmals erstellt.
Seit März 2021 darf die Brauerei offiziell das Logo des bewährten europäischen Umweltmanagementsystems (UMS) tragen. »An sich machen wir schon lange einiges im Bereich Ökologie, stellen etwa einen Großteil unseres Stroms durch den Betrieb unseres Blockheizkraftwerks und der Photovoltaikanlagen selbst her oder nutzen zur Wärmeerzeugung auch das in unserer Abwasseraufbereitungsanlage erzeugte Biogas«, erzählt der Diplomingenieur für Brauwesen. Bereits 2012 nahm das Unternehmen am Umweltberatungsprogramm ÖKÖPROFIT (ÖKOlogisches PROjekt Für Integrierte Umwelt-Technik) teil, seit 2014 ist es gemäß der DIN EN ISO 50001 zertifiziert. »Aber wir wollten nicht nur in puncto Energie optimal aufgestellt sein, sondern generell alle Umweltschutzthemen stärker fokussieren und das, was wir diesbezüglich tun, noch mehr systematisieren.«
Das zu tun, empfiehlt sich auch für andere Unternehmen. Denn konsequenter Umwelt- und Klimaschutz wird für Wirtschaftsbetriebe künftig immer mehr zum Muss: Schließlich will die EU im Zuge des sogenannten Green Deal den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und gleichzeitig wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausstößt und ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt.
Seit 25 Jahren an rund 750 Standorten bereits genutzt
»Im Zuge dessen kommen immer mehr Berichtspflichten auf die Unternehmen zu«, sagt IHK-Fachreferentin Susanne Kneißl-Heinevetter. Generell erwarteten Stakeholder schon heute, dass Unternehmen unabhängig von Größe und Branche nachweislich umweltbewusst handeln und ihre Aktivitäten transparent machen. »Hier bietet EMAS, das seit 25 Jahren existiert und in Bayern bereits von rund 300 Organisationen an rund 750 Standorten genutzt wird, einen sehr guten systematischen und zukunftssicheren Ansatzpunkt«, so Kneißl-Heinevetter.
Das scheint auch die Augustiner-Bräu Wagner KG überzeugt zu haben. Sie wollte ein Umweltmanagementsystem (UMS) einführen, »das bei Kunden wie Behörden und weiteren Interessengruppen hoch angesehen und international bekannt ist«, erklärt der Umweltbeauftragte Stuffer. Schnell fiel die Wahl auf EMAS, das nicht nur die internationale Umweltmanagementnorm DIN EN ISO 14001 integriert, sondern darüber hinausgeht – unter anderem, weil es eine Umwelterklärung und mehr Rechtssicherheit bietet. Mithilfe ihres externen Dienstleisters, der sie schon bei ÖKOPROFIT und der Einführung ihres Energiemanagements begleitet hatte, sowie aufgrund der umfassenden Vorarbeit und der Datenlage war es möglich, dass die Augustiner-Bräu Wagner KG EMAS innerhalb eines Jahres im Unternehmen etablierte.
Vorteile auf mehreren Ebenen
Stuffers Fazit fällt schon jetzt sehr positiv aus: »Die umfassende Analyse zieht einen fortlaufenden Verbesserungsprozess nach sich, denn wir durchleuchten wiederholt den ganzen Betrieb aus interner wie externer Sicht auf umweltrelevante Aspekte, setzen uns Umweltziele, formulieren Maßnahmen, um diese zu erreichen, und prüfen deren Wirksamkeit.« Beispielsweise sparen die Vorschläge aus der Belegschaft, die Reinigungsprozesse von Tanks und Leitungen zu optimieren, nicht nur Reinigungsmittel, sondern auch Zeit. EMAS werde zudem nicht nur von Kunden honoriert, »die immer häufiger nach einer Zertifizierung fragen«, so Stuffer, sondern auch vom Staat. »So prüft uns die Überwachungsbehörde nun nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle drei Jahre«.
Dass sich der Aufwand, EMAS im Unternehmen zu implementieren, in mehrfacher Hinsicht lohnt, kann auch Evi Weichenrieder (47) bestätigen. »Vor allem in den Anfangsjahren haben wir durch gezielte Maßnahmen enorm Wasser, Energie und Müll eingespart, was sich natürlich auch ökonomisch positiv ausgewirkt hat«, erzählt die Leiterin der HiPP-Nachhaltigkeitskommunikation. »Und heute ist die EMAS-Umwelterklärung mit ihren detaillierten und fundierten Daten eine solide Grundlage für unsere gesamte Nachhaltigkeitsberichterstattung.«
Vergleich mit DIN ESO
Der Babynahrungshersteller aus Pfaffenhofen an der Ilm hatte das europäische UMS bereits 1995 eingeführt und gehörte zu den ersten drei EMAS-zertifizierten Firmen in Deutschland. Mittlerweile dürfen alle HiPP-Standorte das Siegel tragen. Zuletzt wurde EMAS im Werk in Herford eingeführt. »Das war bereits nach der DIN EN ISO 14001 zertifiziert, insofern hatten wir dort eine gute Basis, aber EMAS ist noch anspruchsvoller, aufwendiger umzusetzen, wird dafür aber auch noch mehr geschätzt«, so Weichenrieder.
Nächstes herausforderndes Ziel von HiPP ist es, als Gesamtunternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau bis zum Zentrallager des Handels bis 2025 klimapositiv zu sein. Das scheint im Bereich des Möglichen, weil das Unternehmen kontinuierlich Verbesserungsvorschläge der Belegschaft prüft und umsetzt, aber auch, »weil wir die gesamte Wertschöpfungskette aktiv auf CO2-Ein-sparungspotenzial durchforsten und unvermeidbare Emissionen durch den Kauf von Klimazertifikaten mehr als ausgleichen«, erklärt Weichenrieder.
Umweltberichte = Nachhaltigkeitsberichte
Doch ökologisches Handeln allein reicht nicht aus, das erkannte HiPP schon um die Jahrtausendwende und erweiterte den Umweltaspekt um die soziale und ökonomische Perspektive zu einer gesamtnachhaltigen. Das Unternehmen fragte beispielsweise zusätzlich: Wie gehen wir mit Mitarbeitern und Wettbewerbern um? Wie setzen wir Gewinne ein? Schon früh hießen die Umweltberichte bei HiPP Nachhaltigkeitsberichte. Heute treiben ein fünfköpfiges Nachhaltigkeitsteam am Stammsitz und die jeweiligen Qualitätsmanagementbeauftragten an den einzelnen Standorten das Thema im Unternehmen voran.
Seit 2018 ist HiPP EMASplus zertifiziert. Das Nachhaltigkeitsmanagementsystem basiert auf EMAS und zeigt, wie sich wirtschaftsethische Werte und unternehmerische Verantwortung in die Organisationsstrategie und die Geschäftsprozesse integrieren lassen. »Wir hoffen, dass sich der noch recht junge Standard gegenüber anderen durchsetzt«, so Weichenrieder. Für sie ist und bleibt EMAS das Mittel der Wahl: »Es hilft uns standortübergreifend bei der Kommunikation und dabei, alle gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, ist international anerkannt und zwingt uns täglich zu prüfen: Wo stehen wir? Was können wir noch besser machen?«
IHK-Service: Schritt für Schritt zu EMAS mit Leitfaden
Warum kann es sinnvoll sein, EMAS zu implementieren? Welche Ressourcen sind nötig? Die IHK hat einen neuen EMAS-Leitfaden (hier zum Download) für die Praxis erstellt, der solche Fragen beantwortet. Die Broschüre zeigt auch Schnittstellen zu anderen Management- und/oder Reportingsystemen (zum Beispiel ISO 14001, ISO 50001, ISO 9001, Nachhaltigkeitsberichterstattung) sowie Unterschiede auf.
Das eigene Tempo gehen
Cassandra Heimgartner,
Umweltreferentin von Herbaria Kräuterparadies
Foto: SALUS»Für uns ist Nachhaltigkeit ein Thema, dem wir von uns aus gerecht werden wollen«, sagt Cassandra Heimgartner, Umweltreferentin der Herbaria Kräuterparadies GmbH. Das Thema werde aber auch durch die Anforderungen am Markt immer wichtiger, so die 30-Jährige, »selbst wenn wir durch rechtliche Vorgaben wie etwa das Lieferkettengesetz nur indirekt betroffen sind. Aber unsere großen Partner geben die Anforderungen an uns weiter.« Heimgartner ist auch Nachhaltigkeitsbeauftrate der SALUS-Gruppe, zu der ebenfalls der Biobetrieb mit rund 30 Mitarbeitern aus Fischbachau gehört. Schon 1997 hat dieser Betrieb EMAS eingeführt, seit 2019 ist Herbaria zudem EMASplus zertifiziert.
Das Gute am Umweltmanagementsystem (UMS) und seinem darauf aufbauenden Nachhaltigkeitsmanagementsystem sei, »dass wir uns selbst Schwerpunkte vorgeben, unser eigenes Tempo gehen, unser individuelles Potenzial ausloten können«, so Heimgartner. Und weil EMASplus auf EMAS aufsetze, könne man dieselben Strukturen für die Implementierung verwenden. Da EMAS-Betriebe jährlich durch einen externen Umweltgutachter validiert werden, prüfe man zudem ständig, was sich noch verbessern lässt.
Auf Initiative der Mitarbeiter
Aktuelles Beispiel: Verpackungen. Durch den plastikfreien Paketversand ohne Kunststoffklebeband und Luftpolsterfolie spart Herbaria seit 2020 jährlich 20.000 Meter Folie. Seit Kurzem verzichtet Herbaria außerdem komplett auf die Außenfolie beim Bio-Kräuterteesortiment im Filterbeutel und spart dadurch weitere 30.000 Meter Folie im Jahr. Die artenfreundliche Gestaltung des Firmengeländes – Stichwort Biodiversität – erfolgte ausschließlich auf Initiative der Mitarbeiter. »Diese eng in den EMAS-Prozess einzubinden, sie für das Thema zu sensibilisieren, etwa durch regelmäßige Schulungen, und die Möglichkeit, jederzeit Verbesserungsvorschläge einbringen zu können, ist besonders wichtig«, rät Heimgartner.
Deshalb werden auch die Azubis schon zu Beginn ihrer Ausbildung mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert, »dieses Jahr in Form einer Rallye, bei der sie sich einen Überblick verschaffen, was das Unternehmen diesbezüglich schon alles tut.« Unabdingbar sei zudem die entsprechende Manpower, also Verantwortliche, die die Validierung vorbereiten und das Thema stetig voranbringen. »Denn natürlich bedeutet EMAS einen nicht unerheblichen Aufwand, und nebenbei kann dessen Implementierung kaum gelingen.«
Auch international anerkannt
Paul Fischer,
Sicherheits- und Umweltmanagementbeauftragter,
Ratioform Verpackungen
Foto: Video Sessner GmbH, DachauEigentlich wollte die Ratioform Verpackungen GmbH EMAS schon 2016 einführen, »denn unsere Kunden verlangen nachhaltige Produkte und UMS macht durch die jährlich zu erstellende Umwelterklärung, das Logo und die Eintragung ins EMAS-Register unsere Umweltleistung nach innen wie außen sichtbar und nachvollziehbar«, erläutert Paul Fischer (52), Umweltmanagementbeauftragter des Mittelständlers (250 Mitarbeiter). »Zudem bringt es uns dazu, realistische Ziele zu formulieren, die wir zeitnah umsetzen«. Aber damals verfügte die Firma weder über eine Abfallbilanzierung noch über eine Übersicht der rechtlichen Vorschriften.
Anfang 2020 packte der B2B-Verpackungsdienstleister – inzwischen nach der DIN EN ISO 50001 zertifiziert – dann das Thema beherzt an. Er implementierte EMAS innerhalb von nur etwa drei Monaten in seiner Zentrale in Piening und ließ sich kurz darauf erstmals auditieren. »Durch die ISO-50001-Zertifizierung lagen 80 Prozent der geforderten Zahlen schon auf dem Tisch«, so Fischer, der sich mit einem Projektmanager zu dieser Zeit fast in Vollzeit um das Thema kümmerte. »Wir mussten uns nur noch die Materialflüsse anschauen«. Bei rund einer Million Artikel trotz allem ein aufwendiges Unterfangen.
»EMAS hat uns einen Schub gegeben«
Ratioform bildete einen Managementkreis und holte sich zur Unterstützung einen EMAS-erfahrenen externen Dienstleister. »Dazu würde ich jedem raten, um die Umsetzung systematisch und zügig durchziehen zu können«, so Fischer. Er ist überzeugt: »EMAS hat uns einen Schub gegeben.« Es herrsche nun ein ganz anderes Umweltbewusstsein im Betrieb als zuvor. Darüber hinaus würden Ziele, wie etwa die gesamten 70 Fahrzeuge der Autoflotte bis 2024 auf E-Autos und Hybride umzustellen oder die Leuchtmittel auf LED, schneller angepackt und umgesetzt. »Und EMAS trägt dazu bei, unsere Kunden von Nachhaltigkeit zu überzeugen, auch international.«
Mittlerweile hat das Unternehmen seine Standorte in der Schweiz und in Österreich ebenfalls validieren lassen. Die Validierung des Standorts in Italien ist bereits erfolgt, die Registrierung im EMAS-Register läuft derzeit, Spanien folgt 2022. Fischer: »Ich war überrascht, welches Standing EMAS auch im Ausland hat.«