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Gebäude als Kraftwerke

RE.source Projects ©
Strom vom Dach – Photovoltaikanlage auf den Neubauten von Xylem Analytics im Weilheimer Gewerbegebiet Achalaich

Viele Lagerhallen benötigen große Flächen. Manche Logistiker nutzen die Dächer für riesige Photovoltaikanlagen und speisen den Strom in öffentliche Netze ein.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2023

Wer mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen wirbt, sollte auch mit einer nachhaltigen Betriebsführung überzeugen. An einem neuen Standort lässt sich dies besonders eindrucksvoll demonstrieren, wie der 2021 eröffnete Neubau der Xylem Analytics Germany Sales GmbH & Co. KG im Weilheimer Gewerbegebiet Achalaich zeigt.

Am Bürogebäude fällt gleich die Begrünung des Daches auf. Die Produktions- und Logistikhalle daneben hat eine 9.500 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf dem Dach. Und es gibt eine Regenwasseraufbereitungsanlage für die rund 15.000 Quadratmeter große Immobilie. Für ein Unternehmen, das sich wie Xylem Analytics mit Wassertechnologie beschäftigt, ist das allerdings fast schon Pflicht.

Weit mehr als nötig: Bis zu 950.000 kWh Strom pro Jahr

Mit Photovoltaik (PV) hat das Unternehmen jedoch Neuland betreten. Die Anlage, die der internationale Immobilienentwickler und -vermieter Verdion Group Ltd. installieren ließ, produziert bis zu 950.000 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr. Das ist weit mehr, als Xylem benötigt. Verdion hat deshalb einen Anschluss ans öffentliche Netz realisieren lassen, das den überschüssigen Solarstrom aufnimmt.

Beraten ließ sich der Immobilienspezialist dabei von Teilnehmern der deutschlandweiten Unternehmensinitiative „Power of Logistics“. „Die Statik und der Dachaufbau der Weilheimer Immobilie sind genau auf die PV-Anlage ausgelegt“, versichert Tilo Nahrath, Sprecher der Initiative sowie Geschäftsführer der RE.source Projects GmbH. „Wir haben ebenso den Anschluss an das Netz so konzipiert, dass alle Nachhaltigkeitsvorteile auch dem Vermieter nutzen.“

Einspeisevergütungen für überschüssigen Strom

Von solchen Konzepten sollen beide Seiten profitieren: Der Mieter arbeitet mit hausintern produziertem Strom und spart deshalb richtig Geld, der Vermieter kann eine hochwertige Immobilie zu einem guten Preis vermieten. Zudem bezieht er beziehungsweise der Betreiber der PV-Anlage Einspeisevergütungen für den Strom, den der Mieter nicht benötigt.

Die Initiative „Power of Logistics“ zielt auf solche Effekte ab. Kuno Neumeier (53), Geschäftsführer des Münchner Logistikimmobiliendienstleisters Logivest GmbH, hat sie mit weiteren Immobilienunternehmen gegründet. „Logistikimmobilien können Energiekraftwerke sein und einen Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt Neumeier, der Sprecher der Initiative ist. „Rund 30 Millionen Quadratmeter Dachflächen von Standorten, die in den letzten 10 Jahren errichtet worden sind, können PV-Anlagen aufnehmen.“ Im Idealfall sind diese laut Neumeier in der Lage, bis zu 2,5 Terawattstunden Solarstrom zu produzieren und rund 800.000 Haushalte zu versorgen.

Bestandsbauten: Nachrüstungen müssen sich lohnen

In dieser Kalkulation nicht berücksichtigt sind ältere Bestandsbauten, die ebenfalls ausreichend Dachflächen für PV-Anlagen haben. Allerdings ergeben Nachrüstungen nur Sinn, wenn keine größeren Investitionen für Gebäudestatik und Dachdichtung anfallen.

Die Teilnehmer von „Power of Logistics“ sehen sich im Aufwind. Weil die enormen Energiepreissteigerungen von 2022 die Nebenkosten drastisch erhöht haben, bringen alternative Energieerzeugungen in Kombination mit reduzierten Energieverbräuchen geldwerte Vorteile. Außerdem sorgen CO2-Einsparungen für eine bessere Klimabilanz.

PV-Tauglichkeit bereits in der Planung berücksichtigt

Für PV-Anlagen sind die Dächer von Logistikstandorten wegen ihrer großen Flächen prädestiniert. So wie die Xylem-Immobilie in Weilheim werden mittlerweile viele Objekte derart geplant und gebaut, dass sie aus dem Stand heraus für Photovoltaik bereit sind. Nutzer können wählen, ob sie den am Standort erzeugten Strom selbst verbrauchen oder ins Netz einspeisen.

Mit solchen Lösungen werben auch die Münchner BayWa r.e. AG und der Immobilienentwickler SEGRO GmbH. Beide Unternehmen haben 2022 eine Kooperation gegründet. Segro zieht deutschlandweit großflächige Logistik- und andere Gewerbeimmobilien hoch, auf deren Dächern BayWa r.e. (das Kürzel r.e. steht für rethink energy) PV-Anlagen installiert.

Gewerbeimmobilien: Dächer liefern Strom für mehrere Tausend Haushalte

Gegenwärtig werden an 7 Standorten, darunter die Audi-Zentrale in Ingolstadt, Anlagen mit einer Gesamtleistung von 15 Millionen Kilowattstunden im Jahr errichtet. Mit diesem Volumen könnten mehrere Tausend Haushalte 1 Jahr lang versorgt werden.

Auch in anderen europäischen Märkten baut BayWa r.e. PV-Anlagen auf großflächigen Gewerbeimmobilien. Die BayWa-Tochter, die in rund 30 Ländern regenerative Energien erzeugt, investiert vorzugsweise auf den Dächern von Logistikzentren. „An solchen Standorten verbrauchen die Nutzer selten mehr als 50 Prozent des erzeugten Solarstroms“, sagt Stephan Auracher, Geschäftsführer von BayWa r.e.

Logistikstandorte durch Solaranlagen aufwerten

Als Konsequenz können diese Standorte überdurchschnittlich viel Strom in die öffentlichen Netze ableiten und so tatsächlich als „Energiekraftwerke“ gelten. Das könnte für eine bessere Akzeptanz in der Öffentlichkeit sorgen, denn manche Bürger und Kommunalpolitiker lehnen Logistikstandorte wegen ihres oft großen Flächenbedarfs und hohen Verkehrsaufkommens ab.

Auch Logistikunternehmen werden aktiv. Die Group7 AG plant am Münchner Flughafen einen neuen Standort mit 210 Arbeitsplätzen auf 102.000 Quadratmetern. Das Unternehmen investiert unter anderem in moderne Heiz- und Kühltechnologien, Parkplätze mit E-Ladestationen, LED-Leuchten mit tageslichtabhängiger Steuerung und Gründächer. Der größte Brocken ist eine PV-Anlage auf dem Hallendach, das knapp 60.000 Quadratmeter misst. Die Anlage kann jährlich bis zu 600 Haushalte versorgen.

Nur leistungsstarke Transformatoren geeignet

Allerdings stehen Initiatoren solcher Projekte vor einer Herausforderung. Weil die Transformatoren mancher Netzbetreiber zu leistungsschwach sind, können deren Netze den überschüssigen Strom nicht in vollem Umfang aufnehmen. An einzelnen Standorten mussten Betreiber aus der Logistikwirtschaft ihre PV-Anlagen mit verminderter Leistung starten und konnten alle Module erst dann freischalten, als die Netzbetreiber ihre Infrastruktur nachgerüstet hatten.

„Bei der Planung von neuen Immobilien müssen auch die Netzanschlüsse berücksichtigt werden“, mahnt BayWa-r.e.-Geschäftsführer Auracher daher rechtzeitige Gespräche mit den Netzbetreibern an. Die neuen Großanlagen auf Logistikzentren und anderen Gewerbestandorten zeichnen sich durch Leistungen von 5 Megawatt und mehr aus. Das haben bislang nur Solarparks geschafft.

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