Standortpolitik

Energiequelle mit Zukunft

Frank Becht ©
Naturschutz und Wasserkraft – Schachtkraftwerk Großweil im Landkreis Garmisch-Partenkirchen

Wasserkraft leistet bereits einen großen Beitrag zur Stromversorgung in Bayern. Es spricht einiges dafür, die Nutzung im Zuge der Energiewende weiter umweltverträglich auszubauen.

Josef Stelzer, Ausgabe 09/2021

Für Fritz Schweiger ist Stromerzeugung per Wasserkraft Alltagsgeschäft. Der geschäftsführende Gesellschafter der E-Werk Schweiger oHG im oberbayerischen Schwaig betreibt fünf Wasserkraftwerke, die zusammen genügend Strom für rund 1 700 Haushalte bereitstellen. »Unsere Stromerzeugung ist nicht nur klima- und ressourcenschonend, sondern im Unterschied zu Sonne und Wind auch sehr gut planbar«, betont der 65-Jährige.

Die mittels Turbinen erzeugte elektrische Energie fließt ins öffentliche Netz. Wasserkraft stellt einen zentralen Baustein der Energiewende dar – und ihre Rolle könnte künftig noch gewichtiger werden. »Denn durch den Ausstieg aus Kernenergie und fossiler Energie schrumpft die gesicherte Stromerzeugungsleistung, sodass die Bedeutung der Wasserkraft für gesicherte und bezahlbare Stromversorgung am Standort Bayern weiter ansteigt«, sagt Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Wasserkraftanlagen stabilisieren die Stromnetze, da sie weitgehend konstant Strom erzeugen und die Effekte der volatilen Einspeisung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen ausgleichen können.

»Dank der bedarfsgerechten und regelbaren Stromerzeugung der Wasserkraftwerke sinkt auf allen Ebenen der Ausbaubedarf der Stromnetze«, erklärt Norbert Ammann, IHK-Referatsleiter Umwelt, Energie, Rohstoffe. Ziel müsse es daher sein, die Wasserkraftnutzung zu erhalten und umweltverträglich auszubauen. Ammann: »Die Kraftwerksbetreiber brauchen jedoch eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive, die Genehmigungsprozesse sollten vereinfacht und beschleunigt werden.«

Hälfte des deutschen Wasserkraftstroms stammt aus Bayern

Aufgrund seiner Landschaftsstruktur verfügt Bayern über günstige Voraussetzungen für Stromerzeugung per Wasserkraft. Mehr als die Hälfte des deutschen Wasserkraftstroms stammt aus dem Freistaat, knapp 4.300 Anlagen sind hier in Betrieb. Der Wasserkraftanteil an der jährlichen Bruttostromerzeugung erreicht in Bayern bis zu 16 Prozent, das entspricht rund zwölf Terawattstunden. Bis 2022 soll eine weitere Terawattstunde hinzukommen, vor allem dank Modernisierung und Nachrüstung bestehender Anlagen. Wasserkraftwerke sind jedoch nicht völlig unumstritten. So weist Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) auf die widerstreiten- den Interessen von Energiegewinnung und Gewässerökologie hin.

Naturschutzverbänden zufolge könnten Kraftwerke die Fischwanderungen behindern und die Tiere gefährden. Unternehmer Schweiger hat dem vorgebeugt: An vier Kraftwerken ließ er Fischtreppen anlegen. »Der Fischschutz stellt für die Wasserkraftwerksbetreiber eine wichtige Aufgabe dar«, bekräftigt Schweiger. Seiner Einschätzung nach sind Gewässerökologie und klimaschonende Energieerzeugung aus Wasserkraft gut vereinbar.

Ökostrom für 800 Haushalte

Das möchte ebenfalls das im Vorjahr errichtete Schachtkraftwerk Großweil im Landkreis Garmisch-Partenkirchen beweisen. Durch eine neuartige Konstruktion erübrigt sich nicht nur der Umbau des Loisach-Flusslaufs. Fische können auch wandern, ohne dass sie in die unter Wasser in einen Schacht eingebauten Turbinen geraten. Flussaufwärts hilft ihnen eine Fischtreppe. Die Investitionen für das Schachtkraftwerk, das in der Regel ausreichend Ökostrom für rund 800 Haushalte erzeugt, beliefen sich auf 5,4 Millionen Euro, der Freistaat förderte das Projekt mit 1,9 Millionen Euro.

Am Start: Neues Förderprogramm für Bestands-Kleinwasserkraftanlagen

Noch in diesem Jahr soll ein neues Förderprogramm für Bestands-Kleinwasserkraftanlagen starten. Gefördert werden zum Beispiel Modernisierungsaufwendungen, wenn dadurch die Kraftwerksleistung um mindestens zehn Prozent steigt. Mit dem Programm will die Staatsregierung eine umweltverträgliche Steigerung der Stromerzeugung in bayerischen Wasserkraftanlagen unterstützen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Die IHKs sollen als Träger öffentlicher Belange bei wasserrechtlichen Verfahren einbezogen werden. »Durch die zukünftige Einbindung der IHK in wasserrechtliche Verfahren kann das Gesamtinteresse des Wirtschaftsstandorts auch hier besser berücksichtigt werden«, ist IHK-Hauptgeschäftsführer Gößl überzeugt.

Ausgleich zwischen schwankendem Verbrauch und volatiler Einspeisung

Die Düsseldorfer Uniper SE betreibt in Deutschland und Schweden zahlreiche Wasserkraftanlagen mit insgesamt rund 4.000 Megawatt installierter Leistung. Das entspricht etwa der Leistung von vier Kernkraftwerken. Eine der Uniper-Anlagen ist das 1924 fertiggestellte Speicherkraftwerk Walchensee. In sechs 400 Meter langen Druckrohrleitungen stürzt das Wasser vom Walchensee auf die Turbinen im Maschinenhaus, das rund 200 Meter tiefer am Kochelsee liegt.

»Unsere Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke sorgen für den notwendigen, immer wichtiger werdenden Ausgleich zwischen schwankendem Verbrauch und der volatilen Einspeisung durch erneuerbare Energien wie Sonne und Wind, während unsere grundlastfähigen Laufwasserkraftwerke zu jeder Zeit für eine verlässliche Erzeugung sorgen«, betont Klaus Engels, Direktor Wasserkraft Deutschland der Uniper Kraftwerke GmbH in Landshut. »Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag, um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen.«

Stichwort: So wird Wasserkraft genutzt
  • Laufwasserkraftwerke stehen an Flüssen, ein Wehr staut das Wasser. Mittels Turbinen lässt sich der Höhenunterschied (vor und nach dem Wehr) für die direkte Stromerzeugung ohne Zeitverzug nutzen.
  • Speicherkraftwerke wie das Walchensee-Kraftwerk erzeugen Strom durch den Höhenunterschied zwischen einem Speichersee und einem unterhalb gelegenen Kraftwerk. Das im See gespeicherte Wasser lässt sich zeitversetzt zur sonstigen Stromerzeugung einsetzen.
  • Pumpspeicherkraftwerke pumpen Wasser in ein höher gelegenes, meist künstlich angelegtes Speicherbecken, wenn im Netz überschüssige Strommengen vorhanden sind. Das ist zum Beispiel bei Einspeisungen aus Wind- und Photovoltaikanlagen ohne entsprechende Abnahme der Fall. Bei einer gesteigerten Stromnachfrage wiederum lässt sich das Wasser aus dem Speicherbecken dazu nutzen, den Bedarf im Netz auszugleichen.

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