Klimaschutz | Standortpolitik
Energieträger mit viel Potenzial

Damit die Energiewende gelingen kann, braucht sie witterungsunabhängige Energieträger. Biogas kann hier eine wichtige Rolle spielen.
Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2025
Die Technik ist erprobt, sie hat sich in der Praxis längst vielfach bewährt. Rund 2.750 Anlagen produzieren in Bayern Biogas. Standorte auf dem Land dominieren den Markt. Viele Landwirte stellen aus Gülle, Ernterückständen, Futterresten und Nutzpflanzen diesen nachhaltigen Energieträger her.
Er entsteht ausschließlich aus Mikroorganismen und kann fossile Brennstoffe ohne Abstriche ersetzen. Blockheizkraftwerke produzieren aus Biogas Strom und Wärme, Reinigungs- und Entschwefelungstechnologien wandeln diesen Stoff in Biomethan um. Das macht eine Einspeisung in Erdgasnetze möglich.
Schlüsselrolle in der Energiewende
Mit einer Gesamtleistung von knapp 1.500 Megawatt können die vorhandenen Biogasanlagen laut Bayerischer Staatsregierung ein Großkraftwerk wie das stillgelegte Kernkraftwerk Isar 2 ersetzen. Bald könnten weitere Anlagen hinzukommen.
Zum einen hat der Bundestag Ende Januar 2025 ein Energiepaket beschlossen, das einige Verbesserungen etwa bei Förderung und Ausschreibungsmengen vorsieht. Zum anderen sprechen in jüngster Zeit immer mehr Experten Biogas eine Schlüsselrolle in der Energiewende zu.
Biogas als Backup
Vor allem die Dunkelflaute im Herbst 2024 hat dieser Diskussion Auftrieb gegeben. Wenn die Sonne kaum scheint und der Wind ausbleibt, muss die Stromversorgung mit weiteren nichtfossilen Energieträgern gesichert werden.
„Weil wir auch an windstillen Tagen Strom brauchen, muss der Ausbau von Wind- und Solaranlagen mit flexiblen Kraftwerken flankiert werden“, sagt Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas e.V. in Freising. „Biogas kann immer dann Strom erzeugen, wenn er benötigt wird. Wir brauchen Biogasanlagen als Backup.“ Rauh zitiert eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Nürnberg und Erlangen. Die Hochschule empfiehlt darin eine Nachrüstung der bestehenden Anlagen und Speicher. Bis 2030 sollten 12 Gigawatt gesicherte Leistung zur Verfügung stehen.
Fossile Brennstoffe sparen
Ausreichend Bedarf dürfte vorhanden sein. Denn Biogas kann auch für die Mobilität einen wichtigen Beitrag leisten. So können viele Fahrzeuge, die mit Erdgas fahren, auch Biomethan tanken. Für Flugzeuge kommt es ebenfalls infrage. Die CAPHENIA GmbH in Bernau am Chiemsee zum Beispiel arbeitet an einer Reaktortechnologie, die aus Biogas erneuerbare Kraftstoffe für Flugzeuge produziert.
„Biogas verbrennt nicht nur CO2-neutral und spart fossile Brennstoffe, sondern ist außerdem witterungsunabhängig und macht eine bedarfsgerechte Energieerzeugung möglich“, fasst Felix Riedel, Referent für Energie und Ressourcen bei der IHK für München und Oberbayern, die Vorteile zusammen. „Weil dieser Energieträger vor Ort produziert wird, fallen kurze Transportwege an.“ Das könnte langfristig auch die Preise reduzieren.
Transport übers öffentliche Netz
Die BioIN GmbH in Ingolstadt betreibt seit 2012 auf dem ehemaligen Kompostierstandort der BÜCHL-Gruppe eine Biogasanlage. An BioIN ist außer dem Entsorgungsdienstleister BÜCHL auch das kommunale Unternehmen INKB beteiligt.
Der Strom, den BioIN aus Bio- und Grünabfällen produziert, wird ins öffentliche Netz eingespeist und versorgt mehrere 1.000 Haushalte in der Region. Die Wärme, die zusätzlich anfällt, kommt vorerst nur dem BioIN-Standort zugute. Für zusätzliche Erlöse sorgt der Vertrieb von Kompost und Blumenerde.
Nicht nur Strom, auch Wärme
Der Verkauf von Wärme ist eine Herausforderung“, räumt Geschäftsführer Peter Meißner ein. Häufig fehle es an Infrastruktur für die Verteilung. Trotzdem sieht Meißner sein Unternehmen als bundesweiten Vorreiter für die Biogaserzeugung. Regelmäßig hat BioIN Ausschreibungen für die Verarbeitung von externen Bioabfällen gewonnen, 2-mal sind die Anlagen bereits erweitert worden.
In großen Dimensionen denkt auch die Wurzer Umwelt GmbH in Eitting. An seinem Standort plant der Entsorgungsdienstleister, der mit rund 430 Mitarbeitern über 73 Millionen Euro Umsatz erzielt, den Bau eines 4 Hektar großen Bioenergiezentrums (BEZ). Aus Biomüll sollen hier bis zu 90 Gigawattstunden Biomethan und bis zu 60 Gigawattstunden Wärme im Jahr gewonnen werden. „Wir bringen für diese Technologie langjähriges Know-how mit“, sagt Geschäftsführer Karsten Witte.
Paradebeispiel der Kreislaufwirtschaft
Er spielt dabei auf die Biogasanlage an, die Seniorchef Franz Wurzer bereits 1997 errichten ließ. Mit der gewonnenen CO2-freien Energie kann der 27 Hektar große Standort Eitting sich weitgehend selbst versorgen. Dort betreibt Wurzer Anlagen für die Sortierung von Gewerbemüll, die Kompostierung von Bioabfällen und die Aufbereitung von Althölzern. Zudem gibt es Außenlager für Erden, Substrate, Steinprodukte und sonstige Güter, die aus den Abfällen gewonnen werden.
Auch bei der Herstellung von Biogas fallen Kompoststoffe und Gärreste an, die als Düngemittel geeignet sind. Für Witte ist die energetische Verwertung von Bioabfällen ein „Paradebeispiel der Kreislaufwirtschaft“.
Heizkraftwerk mit Holzabfällen
Das BEZ soll diesen Anspruch mit zusätzlichen Technologien untermauern. Das Unternehmen plant ein Heizkraftwerk, das mit Holzabfällen betrieben wird. Die Anlage soll unter anderem sicherstellen, dass das erzeugte Gas vollständig als Biomethan aufbereitet wird, das fossiles Erdgas ersetzen kann. Vorausgesetzt, alle baurechtlichen Genehmigungen liegen vor, kann das BEZ ab Herbst 2025 gebaut werden.
Auch Großkunden und Europa im Blick
Wurzer möchte mit dem BEZ zum öffentlichen Versorger aufsteigen. „Aus einem Entsorgungsdienstleister wird ein Energielieferant“, freut sich Geschäftsführer Witte. Mit potenziellen Großkunden in der Region, die das Biogas in Blockheizkraftwerken verarbeiten können, wird bereits verhandelt. Es gibt noch weitere Optionen: Wenige 100 Meter von Eitting entfernt verläuft die Ferngasleitung Open Grid Europe. Sie könnte das von Wurzer produzierte Biomethan auf kurzem Weg aufnehmen.