Klimaschutz | Unternehmen
„Wir sind auf Kurs“
Florian Bieberbach, „Energiemanager des Jahres 2024“, über die Strategie der Stadtwerke München, Krisenerfahrungen und die Gründe, warum er an die Energiewende glaubt.
Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 10/2024
Herr Bieberbach, Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Energiemanager des Jahres. Ist der Preis auch eine Art Genugtuung für Sie?
Die Auszeichnung ehrt und freut mich natürlich, aber ich sehe das weniger als Ehrung meiner Person. Es ist vielmehr die Würdigung dessen, was die Stadtwerke München in den vergangenen Jahren geleistet haben. Wir sind auf Kurs, wir bringen die Wärme- und Energiewende mit Erfolg voran. So habe ich auch die Begründung der Jury verstanden.
Mit Volldampf in die Erneuerbaren – manche Stadträte halten das für einen Fehler. In der politischen Debatte wird die Energiewende als Irrtum kritisiert. Hat Sie das nie zum Zweifeln gebracht?
Ich glaube, am Wunsch der Menschen nach Klimaschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich kaum etwas geändert. Die Energiewende hat Rückhalt in der Bevölkerung. Wir haben Klimaziele, die verbindlich sind. Es wird auf EU-Ebene sanktioniert, wenn man diese Ziele nicht erreicht. Ich glaube daher nach wie vor, dass unsere Strategie richtig ist. Dennoch ist sicherlich auf politischer Ebene in Brüssel und Berlin so manches Nachsteuern nötig, um die finanzielle Belastung für Haushalte und Unternehmen zu reduzieren.
Wurde mit dem Streit um das „Heizungsgesetz“ nicht ein Kipppunkt erreicht?
Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, hat viele Menschen verunsichert, aber die Aufregung hat sich doch gelegt und es wird wieder sachlich diskutiert. Vor allem das Konzept der kommunalen Wärmeplanung war dabei hilfreich.
Festhalten an Strategie hat sich ausgezahlt
Im Alltag und im politischen Geschäft haben wir immer wieder Phasen erlebt, in denen es in Richtung CO₂-frei mal schneller ging oder in denen es Widerstände gab. Das gehört zu unserem Geschäft dazu. Es ist nie ganz glattgelaufen, aber insgesamt hat es sich ausgezahlt, dass wir so klar an unserer Strategie festgehalten haben. Und dabei werden wir auch bleiben.
Während der Energiekrise hat man den Stadtwerken Abrechnungschaos, Tarif-Jo-Jo und Abzockerei vorgeworfen. Was war denn da los?
Da kamen viele Sachen zusammen. Die eigentliche Ursache für die ganzen Probleme war die Gasmangellage. Die haben wir ganz gut in den Griff bekommen. Dafür gab es auch sehr gutes Feedback. Schwierig wurde es, als die höheren Preise auf München durchgeschlagen haben.
War das nicht zu erwarten?
Es war klar, dass unsere Kunden die gestiegenen Großhandelspreise irgendwann spüren würden. Wir haben aber relativ spät die Preise angepasst. Der Preissprung war dadurch sehr stark. Das würden wir so nicht mehr machen. Wir würden versuchen, den Preisauftrieb über einen längeren Zeitraum zu glätten.
Kunden verzeihen keine Preissprünge
Welche Lehren haben Sie aus dieser Krisenphase gezogen?
Wir haben gelernt, dass es sofort für Aufregung sorgt, wenn unsere Preise höher sind als die anderer Anbieter – auch wenn das nur für ein paar Wochen der Fall ist. Dann nutzt es auch nichts, wenn man zuvor lange Zeit günstiger war als die Wettbewerber. Daran erinnert sich später keiner mehr.
Trifft Sie der Vorwurf, andere Stadtwerke hätten damals die Abrechnung schneller hinbekommen?
Wir müssen selbstkritisch sagen: Bei der Umsetzung der Preisbremsen waren wir zu perfektionistisch. Wir wollten alles genau richtig machen nach den unglaublich komplexen gesetzlichen Vorgaben. Das hat die ganze Abrechnung wahnsinnig verzögert. Da würden wir beim nächsten Mal pragmatischer herangehen im Interesse unserer Kunden.
„Stromverbrauch steigt nicht über Nacht“
Droht uns das nächste Preisfiasko, weil Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge so viel Strom brauchen?
Zuletzt sehen wir eher fallende Strompreise in Deutschland wie auch in München. Anders als erwartet, geht bislang auch der Stromverbrauch etwas zurück. Der wird wieder steigen, das sehe ich wie Sie. Nur kommt das nicht über Nacht. Wir haben also die Chance, die Kapazitäten bei der Stromerzeugung und den Netzen rechtzeitig hochzufahren.
Passiert da schon etwas?
Auf Bundesebene wird gerade diskutiert, über welchen Kapazitätsmechanismus man den Zubau von Kraftwerken organisieren will. Auch wir in München planen einen weiteren Zubau von Kapazitäten für die Stromerzeugung und einen Ausbau der Netze. Zudem ist die Nachfrage für den Strompreis nicht so entscheidend. Tatsächlich sind dafür Faktoren wie der Gaspreis immer noch sehr viel wichtiger. (Der Strompreis ist durch die Merit-Order an den Gaspreis gekoppelt, die Red.)
Es hat 10 Jahre gedauert, bis die Stadtwerke ein Windrad aufstellen konnten. Gehen die Planungsprozesse inzwischen schneller?
Man spürt, dass die Politik etwas tut. Es gibt ein neues Bundesimmissionsschutzgesetz, das Genehmigungsprozesse beschleunigt und verbessert. Auch die Bayerische Staatsregierung plant Erleichterungen. Die Politik ist auf dem richtigen Weg. Bis sich das auswirkt auf dem Markt, dauert es aber ein paar Jahre. Für künftige Projekte bin ich optimistisch. Die werden nicht mehr so lange dauern.
„Fernwärme hat Sonderkonjunktur“
Auf dem Höhepunkt der Angst vor einer Gasmangellage sagte mir der Hotelier Peter Inselkammer, er sei da ganz entspannt. Er hänge am Fernwärmenetz der Stadtwerke. Hat diese Krisenerfahrung Folgen?
Ja, das auf jeden Fall. Die Fernwärme hat in ganz Deutschland Sonderkonjunktur, es gibt eine riesige Nachfrage.
Oberbayerns Bürgermeister würden gern in Geothermie und Wärmenetze einsteigen. Sie klagen aber, ohne eine Förderung könnten sie solche großen Projekte nicht stemmen. Besteht die Gefahr, dass der Bund genau bei diesen Vorhaben sparen muss?
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung ist da schon einiges eingespart worden, aber kurzfristig sind noch Fördergelder zu haben. Es ist also nicht so, dass kein Geld mehr da wäre.
Trotzdem fühlen sich einige Kommunen schon damit überfordert, eine Wärmeplanung zu erstellen.
Das liegt eher an fehlendem Fachpersonal und an fehlenden Daten, denke ich. Dennoch würde man sich als Kommune für den Förderrahmen sicher mehr langfristige Planungssicherheit wünschen. Die Staatsregierung tut dafür leider so gut wie nichts. Die Fördermittel kommen fast nur vom Bund.
Digitalisierung ist entscheidend
Wäre mehr Digitalisierung für die Energie- und Wärmewende hilfreich?
Bei der Wärmewende hilft Digitalisierung nur punktuell. Dafür müssen wir Pumpen einbauen und Fernwärmenetze ausbauen. Da geht es um klassischen Maschinenbau und Tiefbau. Für die Energiewende ist Digitalisierung dagegen ganz wichtig, weil wir massive Spitzen bei der Stromnachfrage vermeiden müssen. Dafür brauchen wir zum Beispiel digitale Zähler, die auch eine Steuerfunktion haben.
Sie sind Vorsitzender des IHK-Ausschusses Umwelt und Energie. Was sagen die anderen Unternehmer zum Kurs der Stadtwerke?
Das ist ganz unterschiedlich. Die Stärke der IHK ist ja auch ihre Breite. Sie vertritt ganz unterschiedliche Branchen und Unternehmen, es gibt ein breites Meinungsspektrum zu diesen energiepolitischen Themen. Aber es gelingt uns in der IHK dann doch immer gut, mehrheitsfähige Positionen zu formulieren und gegenüber der Politik zu vertreten.
Trassen mit Freileitungen sinnvoll
Was halten Sie vom Vorschlag des Netzbetreibers Tennet, bei den Stromtrassen auf die Erdverkabelung zu verzichten – das würde 20 Milliarden und viel Zeit sparen?
Dem stimme ich grundsätzlich zu. Die langjährige Blockade der Trassen durch den Freistaat Bayern war sicher ein großer Fehler. Aber jetzt in laufenden Projekten noch einmal auf Freileitungen umzusteigen, kostet noch mehr Zeit. Die Planfeststellungsverfahren müssten dann noch mal neu gemacht werden. Bei künftigen Projekten sind Freileitungen aber sinnvoll, weil sich Erdverkabelung auf Dauer keiner leisten kann.
Wie groß ist das Risiko der Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen?
Das Risiko ist nicht zu unterschätzen. Die Nachteile für Bayerns Industrie wären erheblich. Dagegen hilft nur Netzausbau. Letztlich muss man die EU-Kommission davon überzeugen, dass der Netzausbau schneller geht als die Aufteilung in Strompreiszonen, was einen Vorlauf von 3 bis 5 Jahren erfordern würde.
Totgesagte leben länger
Die Energiewende wurde schon tausendfach totgesagt. Glauben Sie noch an einen Erfolg?
Ja, ich glaube das schon. Seit die Energiewende ausgerufen wurde, gab es Streit. Es wird noch viele weitere Diskussionen und Gesetze geben. Trotzdem sieht man, dass Deutschland es schafft, im Strombereich den Anteil der erneuerbaren Energien stetig auszubauen. Bei Wärme und Mobilität liegen wir noch weit zurück. Aber auch da tut sich viel. Wir sind in der richtigen Spur. Das werden wir hinkriegen.
Zur Person: Florian Bieberbach
Florian Bieberbach ist seit 2013 Geschäftsführer der Stadtwerke München und überdies Vorsitzender des IHK-Ausschusses Umwelt und Energie. Mitte September wurde Bieberbach als „Energiemanager des Jahres 2024“ ausgezeichnet. Der Preis wird seit 2001 vom Fachverlag Energie & Management (E&M) vergeben. E&M-Herausgeber und Jurymitglied Helmut Sendner begründete die Wahl mit dem Argument, der Stadtwerke-Chef habe seine Aufgabe, München CO₂-frei mit Energie zu versorgen, „bislang überzeugend erfüllt“.