Standortpolitik

Versorgung gefährdet?

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Erdgasspeicher bei Etzel – Reserve für Kälteeinbrüche

Erdgas hat sich massiv verteuert, die Gasspeicher sind weniger gefüllt als im vergangenen Winter – ist die Furcht vor einer kritischen Lage gerechtfertigt?

Josef Stelzer, Ausgabe 01/2022

Erdgas stellt für die Energieversorgung eine tragende Säule dar. Deutlich über ein Fünftel der in Bayern verbrauchten Primärenergie stammt laut dem Energie-Atlas Bayern aus Erdgas. Der Erdgasanteil am bayerischen Stromerzeugungsmix belief sich 2019 auf 13,1 Prozent, deutschlandweit waren es 2020 sogar 16,3 Prozent. Nun sorgen die vor den Wintermonaten nur teilweise aufgefüllten Gasspeicher für Verunsicherung. Zudem entstehen gerade für energieintensive Unternehmen zusätzliche Kostenbelastungen durch die massiv angestiegenen Erdgaspreise.

Wie also sehen die Perspektiven für die Wirtschaft aus? Zunächst einmal gilt: Die Erdgasversorgung ist im Prinzip gesichert. Allerdings könnte es bei anhaltend strengem Dauerfrost knapp werden, wenn die Gasheizungen der laut Energiewirtschaftsgesetz bei der Wärmeversorgung besonders geschützten Privathaushalte auf Hochtouren laufen und damit der Verbrauch massiv ansteigt. »Falls dann auch die Stromlieferungen eingeschränkt werden, könnte dies für Industriebetriebe zu Störungen in der Produktion führen, ähnlich wie es im Winter 2012 vereinzelt der Fall gewesen war«, warnt Norbert Ammann, IHK-Referatsleiter Energie, Umwelt, Klima.

Speicherfüllgrade: fast leer oder fast voll 

In Deutschland sorgt ein weit über 500.000 Kilometer langes Gasleitungsnetz für Verteilung und Transport des Brennstoffs. Wesentliche Bausteine in der eng vernetzten Infrastruktur bilden die bundesweit 47 unterirdischen Erdgasspeicher, die tages- und jahreszeitliche Verbrauchsspitzen ausgleichen, vor allem während der Wintermonate.

In diesen Anlagen ist die Situation unterschiedlich. Ein Gasspeicher im oberbayerischen Breitbrunn etwa wies Anfang November 2021 einen Füllstand von rund 69 Prozent auf, am Standort Bierwang waren es knapp 73 Prozent. Der österreichische 7Fields-Speicher nahe der bayerischen Grenze soll die Gasverfügbarkeit in Österreich wie in Deutschland verbessern und erreichte immerhin fast 85 Prozent. Nahezu voll war der rund 3.500 Meter unter der Erdoberfläche gelegene Speicher in Wolfersberg im Landkreis Ebersberg.

Deutlich geringere Füllstände als sonst

Ganz anders sah es dagegen bei Deutschlands größtem Speicher im niedersächsischen Rehden aus. Die Anlage (3,9 Milliarden Kubikmeter Kapazität), die zum russischen Gazprom-Konzern gehört, war gerade einmal zu 9,4 Prozent gefüllt. Zusammen wiesen die Erdgaslager in Deutschland einen Füllstand von nur 71 Prozent auf, deutlich weniger, als es zu dieser Jahreszeit sonst üblich ist. Zum Vergleich: Anfang November 2020 waren es knapp 94 Prozent.

Ist die Erdgasversorgung für Unternehmen und Gaskraftwerke in den kommenden Wochen und Monaten also noch gesichert? Helge-Uve Braun (59), technischer Geschäftsführer der Stadtwerke München GmbH (SWM), bleibt gelassen: »Einen Versorgungsengpass sehen wir derzeit nicht, die Lage ist aus unserer Sicht keineswegs so kritisch, wie manche befürchten.« Nur bei einem extrem kalten Winter seien Engpässe möglich. »Ein Pluspunkt für die Region München ist dabei die sehr gute Anbindung an das Erdgasnetz mit der neuen Gasleitung Monaco, außerdem waren fast alle bayerischen Speicher zuletzt angemessen gefüllt.«

Top-Energiequelle Erdgas 

Der Brennstoff ist für den Betrieb der Gaskraftwerke unverzichtbar. »Rund zwei Drittel des im Stadtgebiet erzeugten Stroms produzieren wir damit«, so der SWM-Geschäftsführer. Kurzfristig sei zwar kein Ersatz in Sicht. Auf lange Sicht könnte jedoch vermehrt klimaneutraler Wasserstoff statt des fossilen Energieträgers Erdgas zum Einsatz kommen. »Die Gasturbinen in unseren Heizkraftwerken München Süd und Freimann wären für den Betrieb mit Wasserstoff jedenfalls geeignet«, sagt Braun.

Hohe Belastungen für Unternehmen entstehen nicht zuletzt infolge der massiv gestiegenen Erdgaspreise. Berechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen den Preisauftrieb: Für Erdgas zahlten Unternehmen im 1. Halbjahr 2021 im Durchschnitt aller Verbrauchsgruppen 3,05 Cent je Kilowattstunde ohne Mehrwertsteuer und andere abzugsfähige Steuern. Damit war Erdgas für sie bereits 14,2 Prozent teurer als im 2. Halbjahr 2020. Und die Preise stiegen 2021 weiter drastisch.

Globalisierte Preisentstehung als Preistreiber

Der Erdgasmarkt ist weltweit eng vernetzt, der Wettbewerb zwischen Europa und Asien verschärft sich. »Im Jahr 2020 hatten wir ein hohes Angebot an flüssigem Erdgas in Mitteleuropa und ein entsprechend niedrigeres Preisniveau. Derzeit führt eine starke Nachfrage in Asien mit entsprechend hohen Preisen zum gegenteiligen Effekt für den europäischen Gasmarkt«, erläutert Günter Bauer (56), Geschäftsführer der Bayerngas GmbH, München. Einen Versorgungsengpass sieht er aber nicht: »Die Marktteilnehmer, über die Erdgas nach Deutschland kommt, erfüllen ja alle ihre Verträge. Die derzeitige Marktsituation ist vielmehr der zunehmend globalisierten Preisentstehung geschuldet.«

Thomas Rupprich (59), Geschäftsführer der Münchner bayernugs GmbH, sieht das ähnlich. »Eine der wesentlichen Ursachen für den massiven Preisanstieg liegt in der starken Nachfrage aus Asien, wo sich die Wirtschaft nach der Coronakrise rasch erholt hat.« Sein Unternehmen gehört zu Bayerngas und betreibt den Erdgasspeicher in Wolfersberg.

Dreimal so hohe Kosten wie 2021 erwartet

Energieintensive Branchen wie Lebensmittelhersteller, die Papierindustrie und die metallverarbeitende Industrie werden allerdings massiv von Preissteigerungen betroffen sein, betont Dirk Vogt (44), energiewirtschaftlicher Berater des VEA – Bundesverband der Energie-Abnehmer. Er nennt einige Beispiele aus Oberbayern: Für einen Ziegelhersteller werden 2022 Mehrkosten für Erdgas in Höhe von 478.000 Euro entstehen. Denn der vertraglich fixierte Preis pro Kilowattstunde steigt jetzt auf fünf Cent – etwa das Dreifache im Vergleich zu 2021. Ein Hersteller von Kunststoffwaren, der sein Blockheizkraftwerk mit Erdgas betreibt, berichtet über einen Anstieg von 1,52 auf 5,59 Cent pro Kilowattstunde. Die Mehrkosten summieren sich 2022 damit auf 45.000 Euro.

Tipps für Unternehmen

Was können Unternehmen tun? »Preissteigerungen lassen sich abfedern, zum Beispiel durch unterschiedlich lange Vertragslaufzeiten und verschiedene Kaufzeitpunkte«, sagt Vogt. Die Betriebe streuen dadurch die Preisrisiken und könnten von womöglich sinkenden Marktpreisen zeitnah profitieren.

Um die Energiekosten für die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen im bezahlbaren Rahmen zu halten, fordert IHK-Experte Ammann zudem: »Der staatliche Anteil am Strom- und Gaspreis mit Abgaben und Steuern muss abschmelzen.«

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