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Nachhaltig finanzieren

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Finanzieren – nachhaltige Kriterien werden wichtiger

Mit dem Green Deal der EU steigen die Anforderungen auch für Finanzierungen. Wie sich der Markt verändert und wie Mittelständler darauf reagieren können.

MONIKA HOFMANN, Ausgabe 11/2022

Der Green Deal, mit dem die EU Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorantreiben will, hat eine lebhafte Debatte über nachhaltige Finanzen entfacht. Bislang geht es dabei vor allem um Kriterien für Nachhaltigkeit bei Anlageprodukten. Wie eine nachhaltige Unternehmensfinanzierung aussehen kann, steht hingegen seltener im Fokus.

Der nachhaltige Finanzierungsmarkt unterteilt sich inzwischen in drei Bereiche: Der klassische, bereits etablierte Teilmarkt der direkten Förderung grenzt sich über die Ziele ab. So bietet etwa die LfA Förderbank Bayern in München Umweltprogramme mit niedrigen Zinsen. Hier geht es meist um innovative Verfahren, die Material einsparen, Abfall oder Abwasser vermeiden oder die Anpassung an den Klimawandel erleichtern.

Verknüpfung mit CO2-Kompensation

Einen weiteren Marktteil bilden Finanzierungen, die einen Anlass, beispielsweise die Investition in eine Maschine, mit einer freiwilligen CO2-Kompensation verbinden. Ein Beispiel dafür ist Pro climate lease, bei dem der Leasingnehmer den zu erwartenden CO2-Verbrauch über ein CO2-Zertifikat kompensiert. »Dies ist eine einfache und kostengünstige Variante, bei der Anschaffung von Maschinen einen Beitrag zur CO2-Neutralität zu leisten«, erklärt Bernhard Geyer (43), Niederlassungsleiter München der Commerzbank AG.

Nachhaltigkeit beeinflusst Zins

Aufwendiger für beide Seiten gestalten sich im dritten Marktsegment diejenigen Kredite, die über einen an ESG-Kriterien (Environment/Umwelt, Social/Soziales und Governance/Unternehmensführung) gebundenen Zinsbestandteil verfügen. Hier gibt es zum einen die an ein Nachhaltigkeitsrating gebundenen Kredite, zum Finanzieren – nachhaltige Kriterien werden wichtiger anderen die von ESG-Kennzahlen preisbeeinflussten Kredite. »Hauptbestandteil dieses Kreditzinses bleiben aber das allgemeine Zinsniveau und der Risikopreis des Kunden, der sich im Wesentlichen aus dem Rating und den Sicherheiten des Unternehmens ableiten lässt«, erläutert Geyer. »Zu diesen beiden Komponenten kommt eine dritte hinzu, die sich auf ESG-Parameter bezieht.« Je nach Bank variiert der Anteil dieser Komponenten.

Niedrigere Kreditzinsen, wenn Kriterien eingehalten werden

Die Commerzbank etwa setzt ihren Schwerpunkt auf CO2-bezogene Kriterien, wie Reduktion von Emissionen oder Kohlendioxid, auf erneuerbare Energien und soziale Faktoren, wie Diversität, Gesundheit oder Sicherheit. Die Unternehmen können bis zu zwei Kriterien selbst wählen. Sie müssen mindestens jährlich über die Entwicklung und Einhaltung der Kriterien berichten, etwa mit einem Nachhaltigkeitsbericht. »Halten sie die Kriterien ein, reduzieren wir die Kreditzinsen um den vereinbarten Prozentsatz«, so der Banker. Erreicht das Unternehmen die Vereinbarungen nicht, steigen die Zinsen so, wie es im Kreditvertrag festgelegt ist.

»ESG-Konformität als wesentlicher Erfolgsfaktor«

Bernhard Eichiner, Finanzierungsexperte der IHK für München und Oberbayern, erwartet, dass durch die steigende Komplexität der Bankenregulatorik im Zuge der Basel-III-Finalisierung und der erhöhten Anforderungen an die Kreditnehmer im Kontext der EU-Taxonomie derartig gestaffelte Finanzierungsvereinbarungen stark zunehmen werden: Die Veränderungen auf den Finanzmärkten stellen für Firmen jeder Größenordnung eine Zeitenwende dar. »Die ESG-Konformität wird einer der wesentlichen Faktoren für ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein«, so Eichiner.

Ein Unternehmen, das die Chancen nutzt, seine Finanzierung zugleich sozial und umweltverträglich zu gestalten, ist die MELO Group GmbH & Co KG in München. Sie ging aus dem 1945 in München gegründeten Presse-Vertrieb Hermann Trunk hervor. Für die Gruppe arbeiten heute rund 2.000 Beschäftigte in sechs Ländern. Ihre Geschäftsbereiche gliedern sich in Logistic Services, Aviation Services, Media Distribution und Content Creation. »Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns schon mit dem Thema CO2-Fußabdruck«, berichtet Geschäftsführer Frank Haiges. »Wir haben unsere Immobilien aufwendig energetisch saniert, stellen Ladestationen zur Verfügung und setzen mit unseren Kunden Konzepte zu Zero Emission um.« Zudem stockt der Betrieb derzeit den Fuhrpark um Zustellfahrzeuge mit Elektroantrieb auf.

Mittel- und langfristig planen

Mit dieser grundsätzlichen Ausrichtung eines familiengeführten Unternehmens, das mittel- und langfristig denkt und handelt, ist Haiges für die MELO Group in die Gespräche mit der Commerzbank gegangen. »Wir positionieren uns mit diesem Ansatz am Markt – und unterscheiden uns auch in diesem Thema von Wettbewerbern«, sagt der Geschäftsführer. Zumal die Verantwortung für eine nachhaltige Unternehmensführung ganz persönlich beim Gesellschafter liege, der diese Verpflichtung annehme und damit für eine glaubhafte Positionierung am Markt sorge. Haiges: »Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und für uns alle.«

Leasen und kompensieren

Beim ersten nachhaltig finanzierten Projekt ging es um das Leasing eines Vorfeld- und eines Cateringfahrzeugs über den Anbieter Pro climate lease. Damit bietet zum Beispiel die Commerz Real Mobilienleasing GmbH ihren Kunden die Möglichkeit, Treibhausgasemissionen, die durch die leasingfinanzierte Investition entstehen, zu kompensieren – über Nachhaltigkeitsprojekte, die nach hohen, internationalen Standards zertifiziert sind.

Zusatzkosten geringer als der positive Effekt 

MELO entschied sich für das Projekt Bamako Clean Cookstoves in Mali, das die Lebensbedingungen dort verbessert und gegen die Ausbreitung der Wüste kämpft. Dies soll die Abgase der zwei geleasten Fahrzeuge beziehungsweise ihre Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 100 Tonnen ausgleichen: »Die dabei anfallenden Zusatzkosten für MELO stehen in keinem Verhältnis zum positiven Effekt, weshalb wir uns bewusst dafür entschieden haben«, so Haiges.

Bei den Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten beobachtet er eine positive Resonanz. Das bestärkt den Geschäftsführer darin weiterzudenken: »Im Moment initiieren und kontrollieren wir die Emissionen über Einzelmaßnahmen bei Fuhrpark, Heizung und Kühlung. Wir prüfen aktuell Anbieter, die uns beim systematischen CO2-Monitoring unterstützen.« Dies würde auch den jährlichen Klimabericht, der für diese Finanzierung Voraussetzung ist, vereinfachen.

ESG-Finanzierung steigert Zukunftsfähigkeit

Neben den Berichtspflichten weist Commerzbank-Experte Geyer noch auf einen weiteren Aspekt hin. »Bedeutsam ist nicht nur die Kostenersparnis bei reduzierten Zinsen, sondern auch die Chance, die ESG-Finanzierung gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden zu kommunizieren«, argumentiert er. »Am wichtigsten aber ist, damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aufzuzeigen. Denn ohne überzeugende ESG-Strategie werden die Kundenbeziehungen und der kostengünstige Zugang zu Finanzmitteln infrage stehen«, ist Geyer überzeugt.

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