Klimaschutz | Standortpolitik

Viele offene Fragen

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Entwaldung – Bäume weichen neuen Anbauflächen. Die EUDR ändert bestehende Lieferbeziehungen.

Was bedeutet die im Juni 2023 in Kraft getretene Entwaldungsverordnung der EU (EU Deforestation-free Regulation, kurz EUDR) für die bestehenden Lieferbeziehungen? Drei Unternehmen aus Oberbayern berichten, wie sie sich vorbereiten. Angewandt werden müssen die Regeln ab dem 30. Dezember 2024, KMU-Händler haben eine etwas längere Übergangszeit, sie starten am 30. Juni 2025.

Hermann Ratzinger Großhandel: Gute Voraussetzungen – und viele offene Fragen

Hermann Ratzinger, Inhaber des gleichnamigen Großhandels für Confiserie-Waren in Taufkirchen, macht sich vor allem Gedanken, welchen praktischen Aufwand die EUDR für ihn nach sich zieht. Welche Dokumente akzeptiert die EU als Nachweise? Wie kann er die Nachweise praktisch erhalten?

„Wir sind als Erstinverkehrbringer von Schokoladen aus der Schweiz in der EUDR-Pflicht“, erklärt Ratzinger. „Die Forderungen sind umfangreich, als kleines Unternehmen haben wir nur beschränkte Kapazitäten.“ Besonders beunruhigt ihn, „dass bis jetzt nicht klar ist, wie wir belegen sollen, dass in den Anbaugebieten seit 2020 tatsächlich keine Entwaldung stattgefunden hat. Beziehungsweise wie die oft weitab von jeglichen Ortschaften lebenden Kleinbauern die geforderten Nachweise überhaupt beibringen können.“

Gemeinsam mit dem Lieferanten

Nachhaltigkeit und Fairness waren schon immer ein wichtiges Thema für seine Lieferanten, weiß Ratzinger. Seit den 1990er-Jahren arbeitet der Lieferant mit denselben Kakaobauern in Lateinamerika zusammen, bietet ihnen eine faire Bezahlung und sichere Abnahme.

Der Kakao wächst in nachhaltigen Mischwäldern, ist zertifiziert. Zudem besucht der Lieferant die Anbaugebiete regelmäßig, kann sie lokalisieren.

Ratzinger: „Das sind gute Voraussetzungen. Gemeinsam mit unserem Lieferanten werden wir alles daransetzen, die Nachweise zu bringen, damit wir unsere gute Geschäftsbeziehung fortsetzen können.“

Alois Dallmayr: Rückzug aus manchen Regionen

Lieferbeziehungen wegen der EUDR massiv anpassen muss der Münchner Kaffeeröster Dallmayr. Das Unternehmen ist als sogenannter Händler von der EUDR betroffen. „Viele unserer Kaffees enthalten sonnengetrocknete Kaffeebohnen aus Äthiopien“, sagt Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung. „Wir nutzen sie seit 60 Jahren, fühlen uns dem Land sehr verbunden, unterstützen Kleinbauern und haben mit 54 Millionen Baumsetzlingen viel zur Wiederbewaldung beigetragen.“

Nun bereitet sich das Unternehmen „schweren Herzens“ darauf vor, sich weitgehend aus Äthiopien zurückzuziehen. „Die Kaffeeernten stammen von vielen Kleinstbauern aus dem ganzen Land, die Bohnen werden aus Tausenden Kleinstpartien zusammengetragen, bevor sie schließlich in Europa landen“, sagt Dengler. „Äthiopien hat im Gegensatz zu den großen Kaffeeexporteuren Brasilien und Vietnam keine flächendeckenden Systeme, die die Rückverfolgung der Bohnen bis hin zum einzelnen Kleinstbauern unterstützen, um so die EUDR erfüllen zu können.“

EUDR sollte lösungsoffener sein

Dengler wünscht sich, die EU würde kleineren Erzeugerländern mehr Zeit geben, solche Nachweissysteme aufzubauen. „Oder könnte es nicht auch reichen, dass ein Land per Saldo mehr be- als entwaldet? Das ist in Äthiopien nämlich der Fall.“ Der Manager betont: „Entwaldung zu stoppen, ist richtig, aber die EUDR muss lösungsoffener sein. Aktuell zerstört sie im schlimmsten Fall bewährte Lieferketten, wirft manche Länder zurück und setzt Röster wie uns unter großen Druck.“

PIRELLI DEUTSCHLAND: Systeme zur Rückverfolgung suchen

Der italienische Reifenproduzent PIRELLI, der in Deutschland in Breuberg und München Standorte hat, ist als Erstinverkehrbringer von Naturkautschuk von der EUDR betroffen. Er importiert den Rohstoff für seine Reifen unter anderem aus Indonesien. Sich nachhaltig aufzustellen und Wälder zu schützen, ist für das Unternehmen nicht neu:

Bereits vor einigen Jahren hat es betriebsinterne Nachhaltigkeitsrichtlinien entwickelt, eine Plattform für nachhaltigen Naturkautschuk mitgegründet und zuletzt gemeinsam mit BMW und der Umweltorganisation BirdLife ein nachhaltiges, waldschonendes Naturkautschukprojekt auf Sumatra gestartet.

Operative Richtlinien definieren

Für die EUDR entwickelt das Unternehmen nun zusätzliche Maßnahmen:

„Rückverfolgbarkeit bis zur Landparzelle ist aufgrund der sozialen Struktur und Organisation der lokalen Gemeinschaften sowie der fragmentierten, komplexen Lieferkette für Naturkautschuk eine besondere Herausforderung“, sagt Wolfgang Meier, Geschäftsführer der PIRELLI DEUTSCHLAND GmbH.

Für die effiziente Umsetzung arbeitet das Unternehmen daran, operative Richtlinien zu definieren und zu realisieren sowie die besten Rückverfolgungs- und Geolokalisierungssysteme zu identifizieren. „Zudem – und das ist von grundlegender Bedeutung – bemühen wir uns intensiv, unsere Lieferanten einzubinden, die für die Umsetzung der Verordnung sehr wichtig sind“, sagt Meier.

IHK-Info zur EU-Entwaldungsverordnung

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