Fachkräfte | Standortpolitik

Verzweifelt gesucht

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Busfahrer im Linienverkehr – weil Kollegen fehlen, fallen immer häufiger Verbindungen aus

Der Mangel an Fahrpersonal für Lkws und Busse verschärft sich. Der Gesetzgeber steuert gegen – doch nicht alle Maßnahmen greifen wie geplant.

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 03/2024

Die Kunden reagieren irritiert: Der Lieblingsjoghurt steht nicht wie gewohnt im Regal, der angekündigte Aktionsartikel ist ebenfalls nicht zu finden. Oder es fallen Linienbusse aus und die Fahrgäste warten umsonst an der Haltestelle. Ein wesentlicher Grund für auftretende Bestandslücken im Handel und ausgedünnte ÖPNV-Frequenzen ist der akute Mangel an Fahrpersonal für Lkws und Busse. Er hat Folgen für die gesamte Wirtschaft.  

Anfang vergangenen Jahres meldete die Bundesvereinigung Logistik (BVL), dass es in Deutschland rund 70.000 Berufskraftfahrer zu wenig gibt. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Die BVL prognostiziert, dass sich diese Lücke Jahr für Jahr um 20.000 fehlende Fahrer vergrößern wird.

Unattraktiver Mangelberuf: Berufskraftfahrer

Zugegeben, Schichtarbeit oder lange Abwesenheit von zu Hause beeinträchtigen die Attraktivität dieses Berufs. Doch Bus-, Transport- und Logistikunternehmen tun mittlerweile einiges, um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Viele bieten großzügige Sozialleistungen bis hin zu Werkswohnungen und berücksichtigen bei ihren Schichtplänen die Präferenzen der Fahrer.

Auch beim Recruiting ziehen sie quasi alle Register, um neues Fahrpersonal zu finden. „Doch der hiesige Arbeitsmarkt ist nahezu leergefegt“, sagt Tobias König, Referent für Fachkräfte und New Work bei der IHK für München und Oberbayern.

Qualifikationsregeln erschweren Recruiting

Das liegt auch an Zugangsbeschränkungen, die vor allem neue Interessenten ausbremsen. Denn ein Lkw- oder Busführerschein allein genügt nicht. Das auf einer EU-Richtlinie basierende Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG) schreibt vor, dass Berufskraftfahrer, die im gewerblichen Güterkraft- sowie im Personenverkehr arbeiten, neben der erforderlichen Fahrerlaubnis auch eine Grundqualifikation als Berufskraftfahrer vorweisen müssen.

Die Hogger GmbH mit Hauptsitz in Freilassing bildet seit vielen Jahren Fachkräfte im Fahrbetrieb und – seit der Übernahme einer Spedition – auch Berufskraftfahrer aus. „Es ist jedoch sehr schwierig, geeignete Kandidaten zu finden. Der Wettbewerb mit großen Industrieunternehmen der Region um Azubis ist hart“, sagt Geschäftsführer Thomas Richter. „Und es gelingt uns leider nicht immer, sie nach der Ausbildung im Unternehmen zu halten.“ Ausgebildete Bus- und Lkw-Fahrer auf dem hiesigen Arbeitsmarkt zu finden, sei schwierig bis unmöglich. „Trotz guter Entlohnung, Wechselprämien und Bonuszahlungen“, wie Richter betont.

EU-Bewerbermarkt ebenfalls „leer gefischt“

Daher beschäftigt Hogger Menschen aus knapp 20 Nationen und rekrutiert Fahrpersonal mittlerweile auch im EU-Ausland, derzeit in Ungarn, Kroatien und Rumänien. Dazu nutzt das Unternehmen auch länderspezifische Facebook-Gruppen, auf denen sich Lkw- und Busfahrer austauschen. Mitarbeitende, die aus diesen Nationen stammen, kümmern sich darum. „Allerdings kommen mittlerweile von dort immer weniger Bewerber. Auch dort ist der Arbeitsmarkt leer gefischt“, bedauert Richter.

Größer ist der Bewerberpool jenseits der EU. Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland zu holen, war bisher vor dem Hintergrund des Erhalts der Arbeitserlaubnis meist langwierig und schwierig. Bei Berufskraftfahrern prüfte bis vor Kurzem noch die Bundesagentur für Arbeit, ob Bewerber die erforderlichen Voraussetzungen erfüllten, bevor sie in Deutschland arbeiten durften. Mit den Regelungen zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, die seit November 2023 in mehreren Stufen in Kraft treten, wird dies außer Kraft gesetzt (siehe auch Artikel "Zuwanderung: Mehr Chancen").

Herausfordernd: Recruiting in Drittstaaten

„Seither sind die Unternehmer in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass ein angeworbener Fahrer aus einem Drittland die notwendigen Voraussetzungen zum gewerblichen Fahren mitbringt“, sagt IHK-Prüfungskoordinator Andreas Dietze. „Angesichts der vielen Besonderheiten bei internationalen Führerscheinen ist das durchaus eine Herausforderung.“

Die IHK fordert deshalb – wie auch andere Institutionen und Branchenverbände –, dass im Fachinformationszentrum Einwanderung (FizE) eine Stelle eingerichtet wird, die Unternehmern eine rechtsverbindliche Beratung zu diesen Themen bietet. Zudem müssen Berufskraftfahrer aus Drittstaaten, die in Deutschland arbeiten möchten, nun keine Sprachkenntnisse mehr vorweisen. „Auch das kann sich beim Erwerb der Grundqualifikation, wie auch insgesamt für den Weg zur Integration in den Arbeitsmarkt, als schwierig erweisen“, sagt Dietze.

IHK fordert praxisgerechte Lösungen

In Summe ist festzuhalten, dass sich die gewünschten Wirkungen der gesetzgeberischen Neuerungen nicht in allen Branchen in ausreichendem Maße niederschlagen und weitere Anstrengungen notwendig sind, um dem Berufskraftfahrermangel effektiv entgegenzutreten. Die IHK engagiert sich für möglichst praxisgerechte Lösungen bei den anstehenden gesetzlichen Änderungen wie beispielsweise die Einführung von Fremdsprachen bei der Prüfung zur beschleunigten Grundqualifikation.

Darüber hinaus arbeitet die IHK mit bayerischen Ministerien, Verbänden und Unternehmen zusammen, um Imagekampagnen zur Gewinnung neuer Berufskraftfahrer zu starten. Unternehmen können von der Bundesagentur für Arbeit Fördermittel erhalten, um Personal auszubilden oder zu qualifizieren.

Potenziale heben, Geflüchtete einstellen

Auch Stefan Füssl, Prokurist und Leiter der Ingolstädter Niederlassung des Logistikdienstleisters M. Preymesser GmbH & Co. KG, ist kontinuierlich auf der Suche nach neuen Berufskraftfahrern, um Lücken, die sich durch Ruhestand oder Fluktuation ergeben, füllen zu können. Aufgrund positiver Erfahrungen setzt er vor allem auf Asylbewerber. „Ich halte es für sinnvoll, die Menschen zu beschäftigen, die bereits im Land sind“, betont er. „Hier schlummert ein riesiges Potenzial.“ Als Arbeitgeber sollte man Engagement zeigen und bereit sein, partnerschaftlich mit den Geflüchteten, der Agentur für Arbeit und den Ausländerbehörden zusammenzuarbeiten.

Lernzeiten finanziell kompensieren

Dass es öffentliche Fördermaßnahmen gibt, die Arbeitgebern die Ausbildung von Berufskraftfahrern erleichtern, begrüßt Füssl. „Doch es wäre sinnvoll, wenn wir auch für die Zeiten finanziell voll entlastet werden, in denen diese Mitarbeitenden dem Betrieb nicht zur Verfügung stehen, weil sie Kurse absolvieren.“

IHK-Info zu Berufskraftfahrern

Mehr Informationen zum Thema Berufskraftfahrer gibt es auf der IHK-Website.

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