Fahrradcheck per Skype

Regina Renz' E-Bike-Laden trotzt der Coronakrise: mit Webshop, Videoberatung und Probefahrt zu Hause. Damit steht sie beispielhaft für viele Unternehmer, die aus der Ausnahmesituation das Beste zu machen versuchen.
Ausgabe 05/2020, Klaus Mergel
Der Laden ist leer, aber keineswegs still. Aus der Werkstatt tönt Radiomusik, der Mechaniker stellt pfeifend ein Fahrrad ein. Und es passiert immer wieder, dass das Telefon läutet: Gerade erkundigt sich ein Kunde nach einem E-Bike. »Sie können leider nicht vorbeikommen. Aber ich stelle Ihnen gerne einige Modelle vor«, sagt Regina Renz, Chefin der e-Bike Welt Fuchstal. Sie vereinbart einen Telefontermin und sagt: »Sie können sie dann zu Hause testen.« E-Bikes sind seit Jahren im Frühjahr Kassenschlager – normalerweise. Mit der Coronakrise brach auch bei Renz in Fuchstal (Kreis Landsberg) der Umsatz ein, ihr E-Bike-Laden musste schließen. Doch die 42-Jährige fand eine Lösung: Sie berät Kunden per Telefon, Mail und Live-Video über Skype und WhatsApp.
Der Businessplan ist überholt
Renz startete ihr Unternehmen RR E-Bike GmbH erst im März 2019: Sie erfüllte sich damit einen Traum, nachdem sie über 18 Jahre als Führungskraft in der Logistik eines Automobilzulieferers tätig war. Schon nach neun Monaten konnte sie mit dem Jahresumsatz von 1,02 Millionen Euro ihren Businessplan übertreffen. Für 2020 lautete das Ziel 1,4 Millionen Euro – was sich vorerst erledigt hat.
Ihr Lizenzpartner, die e-motion experts GmbH aus Köln, reagierte schnell auf die Coronakrise und stellte ihr innerhalb weniger Tage einen Onlineshop auf die Beine. »Aber ein E-Bike für einige Tausend Euro kauft man nicht online. Das will man anfassen und testen«, sagt Renz. Ihr Beratungsangebot leistet das.
Wenn die Unternehmerin »digital berät«, sieht das für Außenstehende zunächst seltsam aus. Sie geht um das Bike herum, spricht wie mit sich selbst. Sie hält ihr Tablet vor einzelne Teile des E-Bikes: Schaltung, Bremsen oder Motor. Über Skype oder WhatsApp sieht der Kunde alles und erfährt Details. In diesem Fall: ein echtes Kraftpaket. »Mit dem neuen Bosch-Akku mit 625 Wattstunden sind Sie gut dabei«, sagt Renz. Sie führt auf Wunsch auch weitere Modelle vor, die sie vor Ort hat – die Versorgung vom Hersteller ist derzeit kein Problem.
»In der Krise zeigt sich, was in einem steckt.«
Wie viele Unternehmer hat die Händlerin hohe Fixkosten: etwa 4.500 Euro Monatsmiete für 680 Quadratmeter Ladenfläche. Die Lizenzgebühr an den Franchisegeber, immerhin im niedrigen vierstelligen Bereich. Und nicht zuletzt Personalkosten für vier Vollzeitkräfte und acht Arbeitnehmer auf 450-Euro-Basis. Seit Anfang April herrscht Kurzarbeit, auch die bayerische Soforthilfe hat Renz erhalten. »Da ist gerade die Miete drin«, sagt sie. Doch Jammern ist nicht ihr Ding: »In der Krise zeigt sich, was in einem steckt.«
Weiter Anzeigen schalten und online da sein
Gefällt dem Kunden ein Modell, bringt sie es mit dem Transporter bis vor dessen Haustür. Ausnahme: Risikopersonen. Kontaktpunkte wie Sattel und Griffe werden desinfiziert. Zusätzlich trägt Renz Schutzhandschuhe und bleibt auf Distanz. »Immer eine Fahrradlänge«, sagt sie und lacht. Ihr Probefahrtservice ist kostenlos. Möchte ein Kunde ein Fahrzeug einen ganzen Tag oder ein Wochenende lang testen, kann er das gegen eine Gebühr von 50 Euro. »Wenn er es kauft, verrechnen wir das mit dem Kaufpreis«, erklärt Renz. Natürlich, so ihre Vermutung, werde sie dennoch Umsatzeinbußen haben. Aber es ist vielleicht ihre Unbeirrbarkeit, die langfristig Erfolg bringt: Sie hat trotz knapper Kasse nicht aufgehört, Anzeigen zu schalten und Marketing auf sozialen Kanälen zu machen. »Die Leute sollen wissen, dass wir da sind«, sagt Renz. »Das Motto der Stunde lautet: proaktiv handeln. « Und: Seit 27. April dürfen Fahrradhändler in Bayern wieder ihre Läden öffnen.