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Das Rating verbessern

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Wie nachhaltig ist ein Unternehmen? Banken fragen Daten dazu ab

Banken stufen ihre Kreditnehmer künftig auch nach Nachhaltigkeitsaspekten ein. Was die neuen Kriterien für Unternehmen und ihre Finanzierung bedeuten.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 03/2024

ESG und DNK, GRI und CSRD, ESRS und SFDR: Ein wenig fühlt man sich an den Song „Mit freundlichen Grüßen“ der Fantastischen Vier erinnert, in dem die Hip-Hopper zahlreiche Abkürzungen aneinanderreihen. Tatsächlich wächst die Liste der Abkürzungen rund ums Thema Nachhaltigkeit stetig. In diesem Jahr steht mit der GAR, der Green Asset Ratio, ein Nachhaltigkeitskürzel im Fokus, das direkt Kreditinstitute betrifft. Indirekt ist es aber auch für ihre Firmenkunden von großer Bedeutung.

Die Green Asset Ratio gehört zu den Schlüsselkennzahlen, kurz: KPI (Key Performance Indicators), zu denen Finanzinstitute ab 2024 im Rahmen der EU-Taxonomie berichten müssen. Vereinfacht gesagt, beschreibt GAR als zentrale Kennzahl den Anteil der nachhaltigen Investitionen und des nachhaltig finanzierten Geschäftsvolumens an der Bilanzsumme eines Kreditinstituts. Dafür muss jedes Institut bei seinen Firmenkunden Daten abfragen, die belegen, wie nachhaltig die Unternehmen wirtschaften.

ESG-Abfrage: Banken in der Pflicht

Zudem verpflichtet die 7. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) alle Banken dazu, ESG-Aspekte beziehungsweise -Risiken in ihrer Kreditentscheidung und -überwachung zu berücksichtigen. ESG steht dabei für Environmental, Social, Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

Im Klartext heißt das: „Künftig werden Banken ihre Kreditnehmer verstärkt nach Nachhaltigkeitsaspekten einstufen, und das kann sich auch auf deren Kreditrating auswirken“, sagt Claudia Schlebach, Referatsleiterin Handel und Dienstleistungen bei der IHK für München und Oberbayern. „Deshalb sollten sich Unternehmen intensiv und frühzeitig mit den entsprechenden KPIs und Nachhaltigkeitsfragen beschäftigen“, rät die Finanzexpertin. „Das betrifft allen voran Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, die spätestens im Zuge der neuen Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD ab 2026 rückwirkend für das Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtig werden.“

Kreditportfolio dekarbonisieren, Stranded Assets vermeiden

Von den Finanzinstituten wird erwartet, dass sie ihren Teil zur ESG-Transformation beitragen, „und damit auch zum Beispiel zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050“, ergänzt Andreas Wagner, Head of ESG Germany und Sonderfinanzierung Corporates bei der HypoVereinsbank in München. „So versuchen derzeit viele große Banken, ihre Kunden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit aktiv zu begleiten und damit ihr Kreditportfolio zu dekarbonisieren.“

Gleichzeitig würden die Institute von der BaFin dazu angehalten, „Stranded Assets“ zu vermeiden. Das sind Investitionen in Vermögenswerte, die durch umwelt- beziehungsweise klimabezogene Faktoren in vergleichsweise kurzer Zeit stark an Wert verlieren werden und so nicht nur einzelne Unternehmen und Sektoren, sondern auch deren Investoren sowie die Finanzmarktstabilität insgesamt bedrohen.

CSRD-Daten als Grundgerüst

Aber wie können sich Unternehmen auf die ESG-Abfrage ihrer Bank vorbereiten? Welche Daten müssen sie liefern? „Tatsächlich hat der Regulator keine festen Vorgaben gemacht, in welcher Form und wie detailliert die Nachhaltigkeitsinformationen vorliegen müssen“, erläutert HypoVereinsbank-Manager Wagner.

Eine Orientierung, was Privatbanken von ihren Firmenkunden wissen wollen, liefert der ESG-KPI-Grundkatalog des Bundesverbands deutscher Banken (siehe unten). Dieser nennt Schlüsselkennzahlen und orientiert sich an der CSRD, der EU-Taxonomie sowie an verschiedenen Berichtsstandards wie GRI (Global Reporting Initiative).

„Er stellt den bankseitig gemeinsam erarbeiteten Grundbedarf an Nachhaltigkeitsinformationen im Rahmen des Kreditgeschäfts dar“, so Wagner. Dabei handelt es sich größtenteils um Daten, die realwirtschaftliche Unternehmen ohnehin zur Erfüllung eigener Berichtspflichten laut CSRD erheben müssen.

Individuelle Ratings für große Firmen

Ähnlich verfahren die Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Sie haben ebenfalls Rahmen-Ratings entwickeln lassen, nutzen Fragebögen und Checklisten für die ESG-Einstufung. „Ab bestimmten Größenordnungen – mindestens 50 Mitarbeitende beziehungsweise Bilanzsumme oder Nettoumsatz über 10 Millionen Euro – führen wir individuelle Ratings durch. Diese machen bei uns in der Region aufgrund unserer Kundenstruktur aber eher den kleineren Teil aus“, erklärt Renate Waßmer, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen und IHK-Vizepräsidentin. Vorrangig würden Ratings für Branchen erstellt. Alles in allem ein hoher bürokratischer Aufwand für Kunden wie für Kreditinstitute.

ESG-Abfrage: So können sich Unternehmen vorbereiten

Wie hoch waren die CO2-Emissionen Ihres Unternehmens im abgeschlossenen Geschäftsjahr? Wie groß war der Energieverbrauch und der Prozentsatz an verbrauchtem „grünem Strom“? Verfügt Ihr Unternehmen über eine Antidiskriminierungsrichtlinie? Solche und ähnliche Informationen fragen Banken von ihren Firmenkunden ab, um deren ESG-Bonität zu bestimmen. Die Fragebögen variieren sowohl inhaltlich als auch vom Umfang her.

Einen Überblick, welche nachhaltigkeitsbezogenen Daten die Kreditinstitute typischerweise von Unternehmen abfragen, gibt der ESG-KPI-Grundkatalog des Bundesverbands deutscher Banken. Er stellt einen groben Orientierungsrahmen dar und richtet sich an größere Mittelständler.

Umweltschutz am stärksten gewichtet

Was die Einstufung betreffe, seien Dienstleister und Handelsunternehmen tendenziell im Vorteil, so Waßmer. „Denn die Industrie ist in der Regel energieintensiver und das E in ESG wird jetzt und voraussichtlich auch künftig am stärksten gewichtet.“ Allerdings seien Industriebetriebe oft auch größer und würden zudem bereits viele Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ergreifen, die wiederum positiv auf die Ratingnote wirken. Auch für kleinere, nicht berichtspflichtige Betriebe biete es sich an, ihre ESG-Aktivitäten ausführlich zu dokumentieren, um so ihr Branchenrating individuell verbessern zu können.

Generell gelte auch bei diesem Thema, so Waßmer, dass Bankberater und Firmenkunden, die ihre Unternehmen nachhaltiger ausrichten wollen, bei Kreditvergabe und -konditionen partnerschaftlich Lösungen finden. Gerade kleineren Firmen rät sie daher zu einem frühzeitigen und offenen Dialog mit ihren Kundenberatern, speziell bei geplanten Neukrediten.

„Wir kennen unsere Kunden und die Märkte und schulen unsere Firmenkundenberater zu zertifizierten Nachhaltigkeitsberatern, damit diese die Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit kompetent begleiten können.“ Sich als Unternehmen nachhaltig auszurichten, würde ohnehin von allen Stakeholdern verstärkt eingefordert.

Druck aus der Lieferkette

HypoVereinsbank-Experte Wagner empfiehlt deshalb auch nicht berichtspflichtigen Firmen, Nachhaltigkeitsstrategien zu erarbeiten. „Der Druck, sich nachhaltig auszurichten, kommt aus der gesamten Lieferkette, nicht nur von den Banken – wobei wir unsere Kunden damit nicht alleinlassen, sondern sie mit zertifizierten Nachhaltigkeitsexperten und unserem HVB-ESG-Branchenbarometer auf diesem Weg begleiten.“

Dass Unternehmen die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit in ihren Planungen stets berücksichtigen sollten, rät auch Michael Dandorfer, Vorstand der Münchner Bank eG. „Es ist absehbar, dass nicht nachhaltige Investitionen auf lange Sicht entweder deutlich teurer oder nicht mehr finanziert werden können – auch weil die Banken für die Politik als Transmissionsriemen der grünen Transformation dienen sollen.“ So wird etwa die Finanzierung eines neuen Hochofens für eine Eisengießerei über einen Bankkredit künftig schwieriger und teurer, wenn für dessen Betrieb keine erneuerbaren Energien in Betracht gezogen werden.

Schlechte ESG-Bonität, teurere Kredite

ESG-Kriterien fließen bereits ins Risikomanagement ein, betont Dandorfer. „Wenn sich die Bonität eines Kreditnehmers deutlich verschlechtert, müssen wir Zinsaufschläge verlangen oder im Extremfall einen Kredit kündigen. So wird es in Zukunft auch sein, wenn sich die ESG-Bonität eines Unternehmens zu sehr in die falsche Richtung entwickelt. Denn damit erhöht sich das Ausfallrisiko eines Kredits.“

Der Bankvorstand rät Betrieben, das eigene Geschäftsmodell jetzt auf den Prüfstand zu stellen: „Wie und wo bin ich betroffen? Wie kann und muss ich gegensteuern, welche Investitionen tätigen, um schrittweise nachhaltiger zu werden?“ Wer so vorbereitet in Kreditgespräche geht, zeige, dass er sich proaktiv mit Nachhaltigkeit auseinandersetzt und diese vorantreibt. „Dies verbessert bereits seine Chancen, dass Banken seine Investition und Transformation mitfinanzieren“, so Dandorfer.

Wichtig: S- und G-Kriterien nicht vernachlässigen

Bei aller Konzentration auf den Umweltaspekt dürften die Betriebe dabei die Faktoren Soziales und Unternehmensführung nicht vernachlässigen, warnt der Banker. „Es wird beispielsweise erwartet, dass die Unternehmen nicht nur gerade so den Mindestlohn zahlen oder einfach hinnehmen, wenn in der Buchhaltung ausschließlich weibliche teilzeitbeschäftigte Geringverdiener sitzen und gut bezahlte Positionen männerdominiert bleiben.“

Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel sei es wichtig, im Personalbereich mehr auf Nachhaltigkeit zu setzen, etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Vielfalt im Betrieb zu fördern. Eine gute Mischung zu schaffen, sei zum Beispiel durch eine paritätische Ausbildungsquote von Männern und Frauen möglich, regt Dandorfer an. Er ist sicher: „Über ein nachhaltiges Personalmanagement machen sich die Firmen auch als Arbeitgeber interessanter.“

Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmens-DNA

Mit der ESG-Abfrage bei Krediten kommt auf die Unternehmen einiges an Arbeit zu, weiß Laura Sasse, Vorstand Finance, Digital & ESG bei der Dr. Sasse Gruppe in München. „Unternehmen haben eine Holschuld und eine Bringschuld. Man muss Informationen einfordern und die entsprechenden Daten liefern, analysieren und Maßnahmen ergreifen. Man wird an den Erfordernissen der Taxonomie gemessen.“

Für die Unternehmerin ist dies nichts Neues. „Als Familienunternehmen und Ehrbarer Kaufmann gehört Nachhaltigkeit seit unserer Gründung zu unserer Unternehmens-DNA“, sagt sie. So hat das Unternehmen bereits seit dem Geschäftsjahr 2021 eine Erklärung gemäß dem Deutschen Nachhaltigkeits-Kodex (DNK) erstellt, obwohl es erst ab dem Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtig wird. Der DNK hilft größeren mittelständischen Unternehmen beim freiwilligen Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet einen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Timeline für Datenerhebung

Sasse empfiehlt (noch) nicht berichtspflichtigen Betrieben, sich frühzeitig vorzubereiten, Daten zur Nachhaltigkeit im Unternehmen kontinuierlich zu sammeln und nicht bis zum letzten Moment zu warten. „Wir haben eine genaue Timeline, wann welche Daten erhoben werden müssen.“ Zudem sei es sinnvoll, sich von externen Beratern unterstützen zu lassen, wenn in der Anfangsphase die neue Kennzahlenstruktur aufgebaut werden muss.

Von anderen lernen

Es gebe zahlreiche Unterstützungsangebote, wie beispielsweise Webinare der IHK zu Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Unternehmen nutzen können und sollten, sagt Sasse. Wichtig sei auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmern. „Trotz allem ist es kein Selbstläufer, Unternehmen müssen viel Zeit investieren“, so die Unternehmerin. „Aber es geht kein Weg daran vorbei, wenn ein Unternehmen in Zukunft sein Rating halten oder sogar verbessern will.“

IHK-Info: Nachhaltigkeit und Kreditrating

Einen „Leitfaden Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU“ der IHK gibt es auf ihrer Website. Dort werden auch Informationen zum „Voluntary SME Standard“ erscheinen, den die EU gerade für Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern erarbeitet und den die IHK-Organisation aktuell mit Unternehmen testet.

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