Das etwas andere Präsent

Weihnachten ist Spendenzeit – auch für Firmen. Wie sich Unternehmen sinnvoll engagieren können, um einen möglichst großen Nutzen zu stiften.
Harriet Austen, Ausgabe 12/2021
Die Zeit der Präsentkörbe, Weinflaschen, Kugelschreiber und sonstigen Give-aways zu Weihnachten scheint bei manchen Unternehmen endgültig vorbei zu sein. Welchen Sinn soll das haben?, fragt sich zum Beispiel Eva Widmaier (50): »Wir unterstützen lieber Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns«, erklärt die Geschäftsführerin der Firma Hans Widmaier e.K. aus Baierbrunn. Seit fünf Jahren spendet der Automobilzulieferer an gemeinnützige Einrichtungen wie den Kältebus München e.V., Lichtblick Seniorenhilfe e.V. oder die Clarissa und Michael Käfer Stiftung. Der Grund: »Obdachlose, ältere Hilfsbedürftige, Demenzkranke – das sind alles Menschen, für die es schwierig ist, Spenden zu bekommen«, begründet Widmaier ihr Engagement, über das sie ihre Geschäftspartner auf der Weihnachtskarte informiert.
»Erfahrungsgemäß ist die Spendenbereitschaft von Unternehmen zur Weihnachtszeit am höchsten«, bestätigt Matthias Winter (58), Leiter des Fachbereichs Unternehmensengagement im Sozialreferat München. Dazu tragen auch eingeführte Benefizaktionen und gezielte Anfragen von Vereinen bei, die »ein positives Spendenklima schaffen«, so Winter. Er registriert zu Weihnachten auch zunehmend Anfragen von Unternehmen, die sich engagieren wollen und ein passendes Projekt suchen.
Seine Koordinierungsstelle ist dafür gut gerüstet. »Wir informieren über Bedarfe, beraten konzeptionell und strategisch, bringen Spender und Organisationen zusammen und unterstützen bei der Umsetzung von Projekten«, beschreibt Winter das Angebot seines Teams.
Die Möglichkeiten, zur Weihnachtszeit Gutes zu tun, sind vielfältig und reichen vom Ausrichten von Weihnachtsfeiern über Sachspenden für Kinder oder Bewohner von Altenheimen bis hin zu Geldspenden an soziale Einrichtungen.
Für Jugendliche aus Brennpunktvierteln
Ein Beispiel für eine solche Einrichtung ist die gemeinnützige Initiative 21future gGmbH. Ihr Gründer Tahir Hussain (49) will Jugendlichen zukunftsträchtige Sozial-, Lebens- und Digitalkompetenzen vermitteln. In digitalen Lernreisen erarbeiten Schulklassen Lösungsvorschläge zu Themen, die einen Bezug zu Nachhaltigkeit haben. Sie beschäftigen sich zum Beispiel mit Stromsparen in der Schule oder mit gesunden Pausensnacks. »Dabei entdecken die Schüler schlummernde Talente und Kompetenzen«, sagt Hussain.
Der Vater von zwei Kindern arbeitet am liebsten mit Grund- und Mittelschulen aus Brennpunktvierteln und hat bisher schon mehr als 800 Schüler betreut. Für sein Projekt sucht er ganz gezielt nach Unternehmenspartnern, die pro Lernreise 1.500 bis 2.000 Euro spenden und auch bereit sind, Mitarbeiter als Mentoren und Lernbegleiter freizustellen oder die ganze Klasse im Unternehmen zu empfangen. »Dabei können Firmen sogar von spannenden Ideen der Jugendlichen profitieren«, betont Hussain.
Ungewöhnliches Modell: je 1 Prozent gespendet
Unternehmen, die sich für die Gesellschaft engagieren, »wirken mit an Problemlösungen im Sinne einer gelebten Solidarität, verbessern die Unternehmenskultur und gewinnen ein positives Image bei Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten«, sagt Experte Winter.
Michaela Hámori-Satzinger, Geschäftsführerin der Factory42 GmbH, kann das nur bestätigen. »Wir bekommen ein sehr gutes Feedback für unser soziales Engagement. Der Wunsch, etwas Gutes zu tun, ist bei unseren Mitarbeitern sehr hoch«, berichtet sie. Das auf Customer Relationship Management und digitales Marketing spezialisierte Unternehmen hat sich für ein ungewöhnliches Modell entschieden: Pro Jahr werden ein Prozent des Gewinns, ein Prozent der Produkte und ein Prozent der Arbeitszeit gespendet.
Zu Weihnachten kooperiert Factory42 mit der Aktion Münchner Geschenkeregen und einer Mittelschule. Die Kinder dürfen Weihnachtswunschzettel schreiben, die Mitarbeiter können die Wünsche erfüllen. »Dadurch entsteht eine direkte emotionale Verbindung, die auch Anreiz für ein längerfristiges Engagement ist«, freut sich Hámori-Satzinger.
Hilfe, die lokal wirkt
Den größten Nutzen haben Geld-, Sach- und Zeitspenden, wenn sie mittel- bis langfristig angelegt sind, Teil der Unternehmenskultur sind, strategisch geplant werden, die Mitarbeiter einbinden und auf Augenhöhe mit den Partnern umgesetzt werden, erklärt Experte Winter. »Dann wirkt es nach innen und außen seriös, ernsthaft und glaubwürdig.« Vielen Unternehmen ist noch etwas anderes wichtig: »Wir möchten uns lokal einsetzen. Es gibt auch in einer reichen Stadt wie München Not, die man oft nicht sieht«, beschreibt Hámori-Satzinger ihre Motivation, mit finanziellen Mitteln und Laptops der Tafel, Heimatstern e.V., der Mittelschule oder dem Kältebus unter die Arme zu greifen.
Diesem Aspekt trägt auch das Projekt fit4future natur der Cleven-Stiftung aus München Rechnung. »Unsere Baupflanzaktion ruft höchstes Interesse hervor, weil sie vor der Haustür stattfindet«, sagt Geschäftsführer Malte Heinemann, der »ganz niederschwellig« um Spenden wirbt. Vereinfacht gesagt, sammelt die Cleven-Stiftung Geld, um Bäume zu pflanzen, aktuell im Großraum München und Oberbayern. Die Kosten pro Baum betragen fünf Euro.
Die Pilotprojekte in Baden-Württemberg (105.000 Bäume) und Niederbayern (7.000 Bäume) hätten gezeigt, dass es funktioniert. »Wir waren total überrascht vom Erfolg«, sagt Heinemann. Die fit4future-Wälder entsprechen dem Zeitgeist, sind einfach zu kommunizieren und entspringen einem nachvollziehbaren Grundgedanken: »Was bringt es, Kinder fit zu machen für die Zukunft, wenn wir nicht gleichzeitig unsere Umwelt fit machen für die Kinder?«, so Heinemann.
Und wie wählen Firmen die passende Einrichtung für ihr Engagement aus? Für Unternehmerin Widmaier steht die Seriosität der Organisation an erster Stelle. »Ich setze mich im Vorfeld intensiv mit dem Spendenempfänger auseinander und informiere mich gründlich«, betont sie. Sie will sich darauf verlassen können, dass das Geld vor Ort auch ankommt. Außerdem prüft sie, ob die Zielgruppe »für uns passt« und nicht zu viele Bereiche abgedeckt werden. »Ich habe mein Thema gefunden, bei uns ist das eine runde Sache geworden.«