Betrieb + Praxis

Fit für den nächsten Boom

zinkevych/Adobe Stock ©
Zum Krisenmanagement gehört auch die Analyse der Firmenstrategie

Mit welcher Strategie gelingt der Weg aus der Krise? Von der Marktanalyse bis zur Prozessoptimierung – so finden Unternehmen wieder zurück zum Erfolgskurs.

Monika Hofmann, Ausgabe 07/2021

Gerade noch rechtzeitig: Für Sandra Schottel, Restrukturierungsberaterin und Wirtschaftspsychologin, war es höchste Zeit, die Spur zu wechseln (anonymisiert, der richtige Name ist der Redaktion bekannt). Während der Pandemie liefen ihre Geschäfte glänzend – so gut, dass die 45-jährige Oberbayerin fast unter der Last zusammenbrach. Daher nahm sie sich eine Auszeit und nutzte diese, um ihre Firmenstrategie gründlich zu überdenken.

Dabei halfen ihr die Krisenberatung und die Strategietools der IHK für München und Oberbayern. Vor allem die Stärken und-Schwächen-Analyse zeigten ihr klar: Sie kann perfekt mit Kennzahlen und Bilanzen umgehen, sie identifiziert überaus gern für Firmen hilfreiche Rettungswege, sie liebt Betriebsanalysen und noch mehr die Gespräche darüber.

Allerdings wollte sie schon immer einen Schritt weitergehen und eine Beratung offerieren, die tiefer geht. »Wie fühlen sich die Unternehmer, wenn sie in der Krise stecken oder Insolvenzen durchleben?« Diese Idee hat die Wirtschaftspsychologin inzwischen umgesetzt. Sie bietet neben einer analysierenden zusätzlich eine stärkende Beratung an. »In der Krise erleben die Firmenchefinnen und -chefs oft psychische Tiefs«, erklärt sie. »Es geht darum, die Persönlichkeiten so zu kräftigen, dass sie wieder den nächsten Boom und die nächste Krise meistern können.«

Verschiedene Risikoszenarien durchgerechnet

Zunächst rechnete Schottel in einem Geschäftsplan, den sie neu verfasste, verschiedene Risikoszenarien für ihre neuen Schwerpunkte durch. Sie stellte einen zusätzlichen Mitarbeiter für die Restrukturierungsberatung ein, so dass sie sich nun verstärkt ihrem Fokus als Wirtschaftspsychologin widmen kann. Zudem plant sie ein weiteres Standbein: Sie bietet künftig wirtschaftspsychologische Beratung und Kurse für internationale Teams an. Über die ersten Aufträge aus den beiden neuen Geschäftsfeldern freut sie sich besonders. »Damit fühle ich mich gut gewappnet für die unternehmerischen Herausforderungen der nächsten Jahre.«

Eine Last: zu wenige oder zu viele Aufträge

Corona nimmt gerade kleine, aber auch mittelständische und größere Firmen von zwei Seiten in die Mangel: Einerseits klagen viele darüber, dass zahlreiche Aufträge wegfallen, andererseits zerbrechen in anderen Branchen viele nahezu unter der Last eines massiv gestiegenen Auftragsvolumens. Beide Varianten können zu betrieblichen Krisen führen. Um das zu vermeiden, ist es besonders wichtig, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und sich zunächst grundsätzliche Gedanken über die Firmenstrategie zu machen:

  • Passen die ursprünglichen Strategien noch zu den veränderten Marktbedingungen?
  • Inwieweit sollten sie angepasst werden?
  • Was bedeutet das für die Angebote und die Strukturen?

»Sobald im ersten Schritt die Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise umgesetzt sind, die Liquidität dadurch gesichert und eine Anpassung der Bilanzstruktur erfolgt ist, muss sich im zweiten Schritt die Frage nach strategischen Maßnahmen stellen«, betont Klaus Hofbauer, Betriebsberater bei der IHK für München und Oberbayern.

Es gehe vor allem darum zu klären, mit welchen Strategien sich die Krise meistern und eine erneute kritische Lage verhindern lässt. Hofbauer rät, sich bewusst zu machen, welcher Art die Krise ist: Handelt es sich eher um eine Liquiditäts-, eine Absatz- oder eine Kostenkrise? Je nach Antwort sind unterschiedliche Strategien gefragt, die tragfähig für die Zukunft sein sollten. »Als disruptives Ereignis erschüttert die Pandemie fast alle Märkte und erfordert von manchen Firmen sogar einen Neustart mit angepassten Geschäftsschwerpunkten und neu gestalteter Struktur«, erklärt Hofbauer.

Märkte und Wettbewerber analysieren

Für diese Analyse sammeln Firmen Daten, recherchieren Informationen und schätzen auf der so gewonnenen Basis ihre Marktchancen ein.

  • Ziele definieren: Firmen sollten sich vorab über die Ziele klar werden, die sie mit der Markt- und Wettbewerbsanalyse verfolgen, und welche Fragen sie so beantworten wollen. »Meist geht es darum, einen Markt und seine Potenziale zu beschreiben«, erläutert Hofbauer. Das bedeutet, Chancen und Risiken in verschiedenen Szenarien aufzuzeigen sowie dafür die jeweiligen Absätze und Umsätze mit einem neuen Produkt oder Geschäftsmodell zu prognostizieren. »Die Ergebnisse lassen sich dazu nutzen, Pläne für die Markterschließung zu entwickeln, einen Businessplan zu schreiben – oder über die Einführung eines Produkts zu entscheiden«, ergänzt Hofbauer.
     
  • Markt eingrenzen: Für welches Produkt, für welche Branche, Zielgruppe soll der Markt analysiert werden?
     
  • Bestehende Daten einbeziehen: Am besten nutzen Betriebe dafür vorhandene Marktstudien und Infoquellen von Kammern, Verbänden, aus dem Internet und aus Bibliotheken sowie aus der Fachliteratur, von statistischen Ämtern, Banken, Branchenbriefen sowie Auskünfte von Kunden und Lieferanten.
     
  • Daten auswerten und aufbereiten: Genauso müssen Betriebe Informationen sammeln, wenn es um Wettbewerbsanalysen geht. Dabei nehmen sie die Methoden, das Verhalten und die Produkte unter die Lupe, mit denen Wettbewerber auf den angepeilten Märkten operieren. »Ziel ist es, das Verhalten der Anbieter einzuschätzen, mit denen der Konkurrenzkampf am intensivsten ist«, erklärt Betriebsberater Hofbauer.

    Besonders interessant ist dabei, warum Käufer bestimmte Marken bevorzugen. Zudem sollten die Betriebe herausfinden, welche Eigenschaften die Konkurrenten stark machen und wo möglicherweise eigene Schwächen liegen: »So lassen sich Alleinstellungsmerkmale der anderen Anbieter erkennen«, erklärt Hofbauer. »Am besten identifizieren sie damit zugleich, was sie selbst einmalig und stark im Wettbewerb macht.«
Kunden und Lieferanten prüfen

Mit der ABC-Analyse lässt sich eine gute Grundlage schaffen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei werden alle Kunden, Produkte, Lieferanten oder Einkaufsobjekte nach ihrer Bedeutung für den Betrieb sortiert und nach ihrer Priorität klassifiziert. »Diese Methode spielt vor allem für Unternehmen, die ihre Kosten drücken wollen, eine besondere Rolle, denn damit lassen sich sehr schnell Schwerpunkte für Einsparpotenziale erkennen«, weiß IHK-Betriebsberater Hofbauer.

Am häufigsten nutzen Firmen diese Methode im Vertrieb und in der Beschaffung. Dabei sortieren sie zum Beispiel Kunden anhand einer ausgewählten Kenngröße wie Umsatz in drei Kategorien: A steht für sehr wichtige Käufer mit hohen Umsatzanteilen, B für wichtige und C für weniger wichtige. »Diese Analyse hilft, knappe Ressourcen zielgerichtet dort einzusetzen, wo sie den größten Effekt versprechen«, so Hofbauer. Daher ist es sinnvoll, den Kunden der Klasse A eine intensivere Betreuung, bessere Lieferbedingungen, höhere Rabatte zugutekommen zu lassen. Dennoch gilt es, immer unter strategischen Gesichtspunkten abzuwägen: »So kann unter den aktuellen C-Kunden ein Neukunde sein, dessen Erstbestellung zahlreiche Folgekäufe auslöst.« Auf gleiche Weise lassen sich die Lieferanten mit der ABC-Analyse unter die Lupe nehmen.

Grenzen der ABC-Analyse

Gerade in Krisen sollten Unternehmen wissen, welche Kunden und Lieferanten für sie besonders wichtig sind. Und dafür bringt diese einfache Methode schnelle Ergebnisse. Genau darin sieht der Berater aber auch die Grenzen der ABC-Analyse. Denn die Einstufung basiert auf wenigen Kriterien und verengt so den Blickwinkel. »Zudem fokussiert sie nur die Ist-Situation, deshalb sollten die Firmen stets auch die Potenziale im Blick behalten, die sie beispielsweise mit C-Kunden mobilisieren können.«

Stärken und Schwächen erkennen

Mit der Stärken-Schwächen-(SWOT-)Analyse ist es möglich, die eigene Position zu bestimmen und Strategien zu entwickeln, die darauf aufbauen. Als Chancen versteht man dabei die Möglichkeiten, mit Innovationen oder verbesserten Produkten und Dienstleistungen neue Kunden zu gewinnen oder Stammkunden zu halten. Zugleich gibt es Risiken, wenn etwa Wettbewerber mit verlockenden Angeboten auf den Plan treten.

Genauso können der Fortschritt oder wirtschaftspolitische Veränderungen die Chancen gefährden. Sobald die Risiken zu groß werden oder sich neue Optionen abzeichnen, gilt es zu handeln. »Welche Aktionen für die Firma am besten passen, richtet sich nach ihren Stärken und Schwächen im Vergleich zum Wettbewerb«, erklärt Hofbauer.

Auch wichtig: Budget-, Erfolgskontrolle

Mit der SWOT-Analyse prüfen Betriebe ihr Umfeld sowie ihre Märkte auf Chancen und Risiken. »Damit schärfen sie ihr Bewusstsein für die eigenen Stärken und Schwächen«, betont er. In der Frage, wie sie handeln, um angepeilte Chancen zu realisieren oder Risiken zu vermeiden, sieht er bedeutende strategische Entscheidungen. »Wichtig ist aber nicht nur die Festlegung der Maßnahmen, sondern auch der Budgets – und die Erfolgskontrolle«, unterstreicht Hofbauer.

Interne Stärken und Schwächen sind Ergebnis der eigenen strategischen und organisatorischen Entscheidungen. Bei der externen Analyse geht es hingegen um die Unternehmensumwelt: Welche Chancen und Gefahren ergeben sich aus Marktveränderungen und aus der technologischen, sozialen oder ökologischen Umwelt? »Nur wer diese Änderungen rechtzeitig erkennt, kann darauf reagieren und die Strategie anpassen«, so der IHK-Experte.

Prozesse optimieren

»In der Krise ist es wichtig, alle operativen Prozesse und strategischen Entscheidungen zu prüfen«, erklärt Hofbauer. »Gerade in Krisen haben Unternehmen dadurch Hebel für Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne in der Hand.« Große Potenziale liegen meist im Beschaffungs- und im Kundenmanagement. So kann E-Procurement, also die internetbasierte Beschaffung, die Beschaffungskosten deutlich reduzieren. »Mit der automatisierten Kommunikation mit Lieferanten lassen sich zum Teil erhebliche Einsparpotenziale realisieren und mehr Transparenz schaffen«, sagt Hofbauer. Zudem ist es sinnvoll, beim Einkauf die Bedarfe zu bündeln und so Preisvorteile zu realisieren. Dabei ermöglicht die ABC-Analyse, die Lieferanten nach ihrer Bedeutung zu klassifizieren.

Ähnliches gilt für die Kunden. »Das Unternehmen konsequent an den Anforderungen der Kunden auszurichten, erlaubt, neue Umsätze zu generieren«, erläutert der Berater. Daher ist es wichtig, das eigene Angebot kundenorientiert zu differenzieren und besonderen Service zu bieten. Dazu gilt es, potenzielle Käufer und Stammkunden nach ihren Bedürfnissen zu fragen. »So lassen sich die Strategie und das Angebot neu ausrichten«. Dabei sollten Firmen ihre Beschäftigten einbeziehen. »Gerade sie stellen das Fundament der Strategie dar, sie sind schließlich der Kontaktpunkt zum Kunden und vermitteln die Werte«, so Hofbauer.

IHK-Services zum Krisenmanagement

Umfassende Ratgeber, Checklisten, Tipps und Tools nicht nur zum frühen Erkennen von Krisen, sondern auch zur integrierten Geschäftsplanung, zur Liquiditätsplanung und -sicherung, zum Forderungsmanagement sowie zur Finanzierung und Förderung gibt es auf der IHK-Website zum Krisenmanagement.

Telefonische Beratung:
Eine Erstberatung als Basis für eine weiterführende Beratung bietet die IHK über die Hotline Tel. 089 5116-0 und Email beratung(at)muenchen.ihk.de

Hier können die Unternehmen Fragen zur jetzigen Situation stellen, die Ansprechpartner geben ihnen fundierte Antworten zu allen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Themen.

Verwandte Themen