Flexibel bleiben

Die Coronakrise zwingt Mittelständler ihre Geschäftsmodelle schnell anzupassen. Vier Unternehmen aus Oberbayern zeigen ihr Vorgehen.
Sabine Hölper, Ausgabe 12/20
Absatzmärkte brechen weg, Kundenwünsche verändern sich, Hygienevorgaben und andere Einschränkungen begrenzen den unternehmerischen Spielraum immer wieder neu – viele Firmen stehen in der Pandemie vor großen Aufgaben. Einigen Betrieben ist die Geschäftsgrundlage verloren gegangen; sie müssen erfinderisch werden, um überleben zu können. Andere Unternehmen verzeichnen nur geringe oder gar keine Einbußen und erschließen neue Geschäftsfelder, die erst durch die Pandemie entstanden sind.
Vier Unternehmen zeigen hier, wie sie der Krise begegnen. Die Beispiele machen auch deutlich, dass es manchmal nur Zwischenlösungen gibt, die immer wieder angepasst werden müssen. Die IHK für München und Oberbayern bietet betriebswirtschaftliche Beratung für alle Unternehmensphasen an und unterstützt dabei auch Firmen, die ihr Geschäftsmodell anpassen wollen.
Dr. Hönle AG, Gräfelfing: Neues Geschäftsfeld erschlossen
Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt sich die Dr. Hönle AG mit UV-Technologie. Das Unternehmen bietet für namhafte Kunden zum Beispiel aus der Lebensmittelindustrie UV-Trocknungs- und Entkeimungslösungen an. Für Finanzvorstand Norbert Haimerl (58) lag es nach Ausbruch der Coronapandemie somit nahe, ein neues Geschäftsfeld zur Bek ämpfung der Covidviren zu erschließen. Denn die Viren werden, so Haimerl, durch die Bestrahlung mit UV-C abgetötet. Eine Studie, die das Unternehmen beim Institut für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt in Auftrag gegeben hat, bestätige dies.
Neu entwickeltes Gerät zur Desinfektion der Raumluft
Um den neuen Markt erschließen zu können, hat die Gruppe Anfang Oktober die österreichische Sterilsystems GmbH übernommen, einen weltweit tätigen Pionier in der Entwicklung von hocheffektiven UV-C-Systemen zur Luft- und Oberflächenentkeimung. Gemeinsam haben sie ein Gerät zur Desinfektion der Raumluft entwickelt. Laut Haimerl ist es geräuschlos, schön gestaltet und vor allem: wirksam. Das 60 mal 60 Zentimeter große Gerät eigne sich zum Einsatz in Arztpraxen, Schulen, in der Hotellerie und ähnlichen Einrichtungen. Das »SteriAir« ist bereits auf dem Markt und werde, so Haimerl, gut angenommen. Derzeit verkauft das Unternehmen das Gerät nur in Deutschland, aber in Kürze »wollen wir weltweit präsent sein«.
Hundt Consult GmbH, München: Kundennachfragen gaben den Anstoss
Hundt Consult ist ein Spezialist für Aufzüge und Fahrtreppen. Er berät zur Neueinrichtung, dem laufenden Betrieb und der Modernisierung dieser Anlagen. Als sich das Coronavirus immer weiter verbreitete, kamen bald Aufzugbetreiber sowie Unternehmen, in deren Aufzügen Personen befördert werden, auf die Berater zu und fragten, wie man die engen Kabinen sicherer gestalten könne. Tim Gunold (47), Geschäftsführer der Hundt Consult GmbH, berichtet, dass das Unternehmen nach Lösungen gesucht und schließlich den »Elevatair« entwickelt hat: einen Luftreiniger, der mit Plasmatechnologie die Raumluft in den Aufzugskabinen von Corona- und anderen Viren befreien soll.
Zudem sorgt die Desinfektion der Luft für weniger keimbelastete Oberflächen und Hände und verringert so die Infektionsgefahr im Aufzug. Der Elevatair, geräuscharm und einfach im Fahrstuhl zu montieren, ist seit September auf dem Markt und wird seit Oktober in Fahrstühle eingebaut. Für diesen neuen Geschäftszweig hat Gunold eine eigene Firma gegründet, die LIFT INNOTEC mit Sitz in Pullach. Im Vorfeld stand die IHK für München und Oberbayern dem Unternehmen beratend zur Seite, etwa bei Fragen zu Finanzierung und Marketing.
Silk & Honey Couture Atelier, Rosenheim: Immer wieder nachsteuern
Seit sechs Jahren präsentieren die Modedesignerin Konstanze Grabmayr (41) und die Schneidermeisterin Agnes Zeller (45) stilvolle Braut- und Abendkleider in ihrem Atelier in Rosenheim. Dabei verkaufen sie nur Roben, die sie selbst entworfen und geschneidert haben. Als sie ihr Geschäft Mitte März 2020 im Lockdown schließen mussten, fragten sich die beiden, wie sie ihre Fixkosten begleichen können, wenn sie keine Einnahmen generieren. Die noch existierenden Aufträge arbeiteten sie ab. Danach hatten sie Zeit, sich etwas Neues zu überlegen.
»Nähen ist ja unser Thema«, sagt Grabmayr. »Da erschienen uns Mund-Nasen-Bedeckungen als das Nächstliegende.« Die beiden Unternehmerinnen wählten einen hochwertigen, besonders atmungsaktiven Jerseystoff aus und probierten dann verschiedene Schnitte aus. Schließlich nähten sie hochwertige, gut sitzende Masken in diversen Farben und Größen. Sie boten sie im Fünferpack an – »für jeden Wochentag eine«, sagt Schneidermeisterin Zeller.
Abgrenzung von Billigwettbewerbern
Die Sets verkauften sie vor allem an Firmen in der Gegend, die ihren Mitarbeitern die Masken zur Verfügung stellten. Aber auch Privatkunden aus ganz Deutschland orderten die Produkte online. Der Laden ist längst wieder geöffnet. Dennoch läuft das Kerngeschäft nur schleppend. Wer braucht schon Abendmode, wenn kaum Bälle oder Hochzeiten stattfinden können?
Da anders als zu Beginn der Pandemie jetzt aber auch Billigmasken in Hülle und Fülle vorhanden sind, läuft das Geschäft mit den Mund-Nasen-Bedeckungen ebenfalls nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Monaten. Die beiden Unternehmerinnen reagieren und setzen auf Marketing. Sie wollen nun »die Masken noch einmal stärker bewerben«, erklärt Grabmayr. Auf diese Weise können sie die Vorteile ihrer hochwertigen Mund-Nasen-Bedeckungen besser herausstellen und sich von Billigangeboten der Wettbewerber stärker abgrenzen.
mbco, Messe Bauer und Companions GmbH, München: Mit Trennwänden die Krise überbrücken
Josef Schleibinger erfuhr in Mailand, dass die Welt – und damit auch sein Geschäft – aus den Fugen geraten war. Als er Ende Februar im Hotel eincheckte, teilte ihm der Portier mit, dass die Messe, für die er geschäftlich angereist war, abgesagt worden war. Wegen Corona.
Schleibinger ist Gesellschafter des Münchner Messe- und Ausstellungsbauers mbco. Der Mittelständler gestaltet seit fast 25 Jahren Stände von namhaften Firmen. Ein Auftrag bedeutet zum Teil mehrere Hunderttausend Euro Umsatz. Sieben Monate nach der Enttäuschung in Italien sagt Schleibinger im Gespräch, dass dem Betrieb bereits zwei Millionen Euro Umsatz entgangen seien.
»Ich wurde überrannt mit Anfragen«
Wie soll ein Unternehmen das auffangen, wie die Angestellten bezahlen und die 4.500 Quadratmeter große Lagerfläche? Schleibinger (63) ist kein Zauderer, sondern er packt Aufgaben pragmatisch an. Er hat einen Weg gefunden, der zumindest bis zum Lockdown light im November gut funktionierte: Seine Firma stellt Trennwände aus Plexiglas für die Gastronomie her. Sie ermöglichten den Restaurants und Schänken, ihren Betrieb trotz nötiger Abstandsregeln aufrechtzuerhalten und gut auszulasten. Denn eine Trennscheibe hebt den Mindestabstand von 1,50 Metern auf.
Über die zu berücksichtigenden Auflagen informierte er sich bei der IHK. »Ich wurde überrannt mit Anfragen«, sagte der technische Leiter. Vor allem, als es wetterbedingt nicht mehr angenehm war, draußen zu sitzen, kam er mit der Lieferung kaum noch hinterher. Das Unternehmen hat etliche Gastronomiebetriebe mit den Scheiben ausgestattet, unter anderem den Augustinerkeller in München. »Viele Wirte haben mir gesagt, dass sie ohne unser Produkt pleite wären«, so Schleibinger. Ähnlich ergeht es seiner Firma: Das neue Angebot kann das ursprüngliche Kerngeschäft zwar nicht ersetzen, überbrückte aber zumindest zeitweise die coronabedingte Messeflaute.