Nachfolge in der Group7 AG: Viel Zeit zum Einarbeiten
Günther Jocher, Gründer der Group7 AG, hat die familieninterne Nachfolge langfristig vorbereitet. Eine Abweichung im 10-Jahresplan zeichnet sich zur Halbzeit bereits ab.
IHK-Magazin 09/2024
Dass ihr Vater viel gearbeitet hat, haben Julia und Daniel Jocher in ihrer Kindheit durchaus mitbekommen. „Wir haben aber auch gemerkt, wie viel Spaß ihm das gemacht hat und mit welcher Begeisterung und Leidenschaft er bei der Sache war“, sagt Julia Jocher. Diese positive Grundhaltung hat sich offenbar übertragen: Heute schwärmen beide von den vielfältigen Aufgabenfeldern, den spannenden Herausforderungen und Chancen in der Logistik.
Eigentlich wenig überraschend, dass sie sich nun seit Jahren darauf vorbereiten, die Nachfolge ihres Vaters Günther Jocher bei der Group7 AG anzutreten. Der gründete den Logistikdienstleister 2006 und führt ihn seither auf striktem Wachstumskurs. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen mehr als 700 Mitarbeitende an bundesweit 9 Standorten.
Kinder sind bestens vorbereitet
Tochter Julia machte eine Ausbildung zur Speditionskauffrau, allerdings nicht im Familienunternehmen, sondern in einem großen Logistikkonzern. Anschließend absolvierte sie ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Logistik und Internationales Supply Chain Management. Erst danach stieg sie bei Group7 ein. „Das war die perfekte Vorbereitung“, sagt sie heute.
Ihr Bruder Daniel arbeitete bereits als Schüler in den Ferien bei Group7. Dort startete er 2015 mit einem Dualen Studium – BWL mit Schwerpunkt Logistik. Anschließend war er 3 Monate für Group7 in Asien unterwegs und kümmerte sich gemeinsam mit den Partnern vor Ort um die Neukundenakquise und die Betreuung von Bestandskunden.
Über das Interesse seiner Kinder an der Logistik freut sich Günther Jocher verständlicherweise sehr. „Wir hatten aber nie das Gefühl, dass wir ins Unternehmen einsteigen müssen“, betont Julia Jocher. „Es wäre auch okay gewesen, wenn wir uns anders entschieden hätten.“ Nachdem Tochter und Sohn die einschlägigen fachlichen Qualifikationen erworben hatten und sich auch vorstellen konnten, eines Tages die Firma zu übernehmen, entwickelte Günther Jocher einen 10-Jahresplan für den Generationswechsel.
3er-Team für den Übergang
Demnach sollten Julia und Daniel Jocher zunächst jeden Bereich und jede Abteilung durchlaufen. „Und wenn 2025 unser Neubau in Schwaig fertig ist, werden wir zu dritt in einem Büro sitzen und das Unternehmen von dort aus gemeinsam leiten“, sagt Günther Jocher.
Sind 10 Jahre Übergangszeit nicht ein bisschen lang? „Ganz und gar nicht“, findet Daniel Jocher. „Das gibt uns ausreichend Zeit, das komplette Leistungsspektrum kennenzulernen und alle Prozesse genau zu verstehen.“ Schließlich möchten sowohl er als auch seine Schwester die unternehmerische Verantwortung nicht ohne das dafür erforderliche Fachwissen übernehmen.
Umfangreiche Angebote
Angesichts des breiten Dienstleistungsangebots und der heterogenen Kundenstruktur des Unternehmens lässt sich nachvollziehen, dass dies eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Group7 koordiniert nicht nur den Transport von Waren per Lkw, Bahn, Schiff und Flugzeug, sondern entwickelt auch kundenindividuelle Logistikkonzepte rund um Beschaffung und Distribution.
Ein weiteres Standbein sind Logistikdienstleistungen, zu denen auch Montagetätigkeiten zählen. „Für einige Kunden holen wir zum Beispiel die Einzelteile für die Fertigung bei den Lieferanten ab, übernehmen Montage und Endkontrolle und liefern die fertigen Produkte zu Händlern oder Konsumenten in die ganze Welt“, erklärt Daniel Jocher. „Unsere Kunden können sich dadurch auf Entwicklung, Marketing und Vertrieb konzentrieren.“
Raum für eigene Projekte
Für andere Auftraggeber lagert Group7 nicht nur die Produkte ein, sondern sorgt auch dafür, dass die Bestellungen ausgeliefert und Retouren wieder aufbereitet werden. Außerdem bietet das Unternehmen Supply-Chain-Beratung. „Das heißt, wir designen Warenströme entlang der Wertschöpfungsketten, indem wir Prozesse neu denken – und zwar für Kunden fast aller Branchen und Größenordnungen“, sagt Daniel Jocher.
Innovationsteam gegründet
Während sich die designierten Nachfolger in die einzelnen Bereiche einarbeiteten, verfolgten sie zusätzlich eigene Projekte: Julia Jocher gründete ein Innovationsteam, das sie seither leitet. Es analysiert unter anderem, welche Ideen und Konzepte von Start-ups für Group7 relevant sein können. Darüber hinaus modernisierte sie das Fachkräfte-Recruiting und baute in Zusammenarbeit mit der Marketingabteilung die Social-Media-Präsenz des Unternehmens aus.
Azubi-Recruiting verstärkt
Daniel Jocher ist für das Thema Nachwuchskräfte verantwortlich: Das Unternehmen bildet junge Menschen in 7 Ausbildungsberufen und 3 Dualen Studiengängen aus. Durch aktives Recruiting konnten im letzten Ausbildungsjahr alle 32 Lehrstellen besetzt werden.
Wichtiges Zukunftsthema: Nachhaltigkeit
Darüber hinaus kümmert er sich um den Neubau des neuen Logistikzentrums, das mit 60.000 Quadratmetern Logistik- und 5.000 Quadratmetern Büroflächen weiteres Wachstum ermöglicht und die Vorgaben des Goldzertifikats der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) erfüllen soll. Nachhaltigkeit ist Daniel Jocher generell wichtig: „Da gibt es noch große Hebel in der Branche.“
Konfliktfrei? Durch Eigenverantwortung!
Zu größeren und kleineren Konflikten zwischen den Generationen sei es bisher nicht gekommen, versichern alle 3 Familienmitglieder. „Ich lasse der jungen Generation viele Freiheiten und hinterher diskutieren wir, was gut und was vielleicht nicht so gut gelaufen ist“, sagt Günther Jocher. Dass sie ein hohes Maß an Eigenverantwortung tragen und in viele Entscheidungen eingebunden werden, aber auch ihren eigenen Führungsstil entwickeln und eigene Projekte verfolgen können, betonen beide Kinder. „Das Vertrauensverhältnis ist einfach da“, sagt Julia Jocher.
Senior möchte gern länger bleiben
Sämtliche Aktien der Group7 AG sind in Familienbesitz. Der 10-Jahresplan sieht vor, dass die Anteile nach dem endgültigen Ausscheiden ihres Vaters an Julia und Daniel Jocher übertragen werden. Für seine ältere Tochter, die in der Kunstberatung tätig ist, fand Günther Jocher bereits eine faire finanzielle Lösung.
Derzeit, quasi zur Halbzeit, sieht es also ganz so aus, als ob der 10-Jahresplan reibungslos umgesetzt würde. Eine Änderung gibt es allerdings: Günther Jocher wird sich in fünf Jahren wohl nicht in den Ruhestand verabschieden. „Die Zusammenarbeit mit meinen Kindern macht so viel Spaß, dass ich gern noch länger mit an Bord bleibe.“