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Gesund im Homeoffice: So lassen sich die betrieblichen Angebote anpassen

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Fit und leistungsfähig – betriebliche Gesundheitsprogramme lassen sich ans Homeoffice anpassen

Zahlreiche Beschäftigte arbeiten derzeit häufig von zu Hause aus. Es lohnt sich, das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) darauf abzustimmen – für leistungsfähige Mitarbeiter.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 01/21

In außergewöhnlichen Situationen sind schnelles Handeln und Kreativität von Vorteil. Diese Erfahrung machte der Retailer HSE24 mit Hauptsitz in Ismaning, als die Pandemie das Unternehmen wie viele andere Firmen auch zwang, die Mitarbeiter soweit möglich ins mobile Office zu schicken – und damit de facto zum Arbeiten in die eigenen vier Wände. »Wir mussten von heute auf morgen in vielen Bereichen auf Remote Work und Onlineangebote umstellen, auch beim BGM, beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement«, sagt Senior Manager People & Organisation Development Alexander Fuchs (42), der das firmeninterne BGM des Omnichannel-Versandhändlers verantwortet.

Plötzlich nicht mehr »feelin’ good« wie gewohnt

Präsenzsportkurse und -Vorträge, Massagen, individuelle Beratungen, Personaltraining – vieles, was das Unternehmen im Rahmen seines Gesundheitsprogramms »feelin’ good« den rund 900 Mitarbeitern angeboten hatte, war plötzlich nicht mehr in der gewohnten Form möglich.

Also machten die Trainer ihre Angebote onlinetauglich, packten Yogakurse in virtuelle Formate und die Sicherheitsunterweisung in Videoclips. BGM-Klassiker wie der Gesundheitstag mit Seminaren, Vorträgen und Infos fanden ebenso virtuell statt wie die Aktion »Nimm Dein Herz in die Hand«. Hier sammelten die Teilnehmer Sportpunkte für einen wohltätigen Zweck – jedoch nicht wie sonst im Team, sondern individuell beim Joggen, Radeln, Schwimmen oder Inlinern. Zudem versucht das feelin’-good-Team mit Wettbewerben, Kollegen im mobilen Office über spielerische Elemente zu Bewegung zu animieren.

Mit psychischer Belastung, wie Vereinsamung umgehen

Wie das Feedback aus der Belegschaft zeigt, gelingt das bisher überraschend gut. Allerdings gibt es bei der Betreuung der Mitarbeiter über die Distanz einige Besonderheiten: »Ohne persönlichen Kontakt ist es noch schwieriger, Bewegungsmuffel zu erreichen«, merkt Fuchs an. Zudem verändert sich die psychische Belastung bei Heimarbeitern.

Einige stresst die fehlende Trennung von Job und Familie, andere leiden unter Vereinsamung. »Hier sind vor allem die Vorgesetzten gefragt, die wir im gesunden Führen schulen. Sie fördern den Austausch, etwa über Small-Talk-Termine und animieren zur Teilnahme an feelin’-good-Angeboten wie unseren virtuellen Gesundheitslunches und Achtsamkeitskursen«, erläutert Fuchs, der selbst Psychologe ist.

BGM neu denken

Das Beispiel zeigt: Wer Angestellte längerfristig oder wiederkehrend im Homeoffice oder Mobile Office beschäftigt – ob gezwungenermaßen wie derzeit pandemiebedingt oder gewollt, weil er die Vorteile dieser Arbeitsformen erkannt hat –, muss sein BGM neu denken. Denn auch dort gilt es, auf die Gesundheit zu achten«, sagt IHK-Gesundheitsreferentin Gabriele Lüke. »Sich ausreichend zu bewegen und gesund zu ernähren gehört unbedingt dazu. Und da im Homeoffice zudem die sozialen Kontakt eingeschränkt sind, darf auch die psychische Gesundheit nicht aus dem Blick geraten.«

Fast ein Drittel der Jüngeren wünscht sich Unterstützung vom Arbeitgeber

Mit all dem setzen sich offensichtlich gerade auch jüngere Angestellte auseinander, wie die Studie »Gesundes Homeoffice« der mhplus Krankenkasse und der SDK Süddeutsche Krankenversicherung zeigt, an der mehr als 1.500 Arbeitnehmer teilgenommen haben. Mehr als jeder Vierte der 18- bis 34-Jährigen wünscht sich demnach Schulungen zu Ernährung, gesunder Sitzhaltung und Bewegung im Homeoffice. Noch klarer sind die Ergebnisse bei Fragen zu Schulungen zu Zeitmanagement und Arbeitsplanung: Fast ein Drittel der Jüngeren erhofft sich hier Unterstützung vom Arbeitgeber.

»Das Betriebliche Gesundheitsmanagement darf den Blick nicht länger nur nach innen richten«, sagt Oliver Schwab, Leiter Firmenvertrieb bei der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK). »Damit Arbeitnehmer auch in den eigenen vier Wänden langfristig gut und vor allem gesund arbeiten, sollten sie bestmöglich unterstützt werden.«

»Die wenigsten Arbeitsplätze zu Hause sind ergonomisch eingerichtet«

Denn nur gesunde und zufriedene Mitarbeiter sind auf Dauer leistungsfähig. In manchen Punkten ist der Arbeitgeber auch grundsätzlich dafür verantwortlich. Stichwort Ergonomie: »Der Arbeitgeber muss sich bei echten Homeoffice-Arbeitsplätzen davon überzeugen, dass diese den gesetzlichen Vorgaben entsprechen«, erläutert Johanna Dumitru (48). Die freie Innenarchitektin aus München weiß jedoch auch: »Nur die wenigsten Büroarbeitsplätze zu Hause sind tatsächlich ergonomisch eingerichtet.«

Zudem gelten nicht nur im Homeoffice, sondern auch fürs mobile Office unter anderem das Arbeitsschutz- und das Arbeitszeitgesetz. »Der Unternehmer ist also für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter zuständig, egal, ob diese im Betrieb tätig sind, von zu Hause aus oder anderswo arbeiten«, erläutert IHK-Arbeitsrechtlerin Frauke Kamp.

Förderung, auch für KMU ist möglich

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, BGM-Maßnahmen finanziell fördern zu lassen. So sind Krankenkassen verpflichtet, Leistungen zur präventiven Gesundheitsförderung in Betrieben zu erbringen und die Umsetzung in den Unternehmen zu begleiten. Aber auch Sozialversicherungsträger wie die Unfall- und Rentenkasse fördern Gesundheitsmaßnahmen in Firmen. »Zudem gibt es gerade für kleine und mittelständische Unternehmen EU-Fördermittel sowie Zuschüsse oder auch Know-how-Unterstützung«, sagt Volker Nürnberg, Professor für BGM an mehreren Hochschulen und Leiter des Fachbereichs Gesundheitswirtschaft der BDO AG in Frankfurt/Main.

Vorteil: Ohne Kamera "unsichtbar" mitturnen

HSE24 hat mit Mobile Work gute Erfahrungen gemacht. Nach Corona will die Firma daher dieses Arbeitsmodell dort, wo es möglich ist, weiterhin ergänzend anbieten und das BGM langfristig darauf ausrichten. »Aktuell prüfen wir die Möglichkeit, noch mehr Online-Live-Kurse mit einem erweiterten Netzwerk anzubieten«, erklärt der BGM-Verantwortliche Fuchs. Er kann dem virtuellen Training einiges abgewinnen. So würden nicht nur manche Mitarbeiter von ihrer Familie zu Hause zum Mitmachen bei den Aktionen motiviert. Fuchs kennt auch einen weiteren Vorteil: »Weil man ohne Kamera quasi unsichtbar mitturnen kann, ist die Hemmschwelle geringer und die Teilnahmequote höher.«

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