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Gesund trotz Corona

Reichhart Logistik ©
Schwierige Planung für 2021 – Michael Jackl, Geschäftsführer von Reichhart Logistik

Reichhart Logistik bekam die Auswirkungen der Pandemie rasch und hart zu spüren. Klare Strukturen, ein hoher Digitalisierungsgrad, aber auch intensive interne Kommunikation waren beim Krisenmanagement wichtig.

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 02/21

Dass er mitunter mehrmals pro Woche einen Podcast aufnehmen würde, hätte sich Michael Jackl (60), Geschäftsführer der Reichhart Logistik GmbH, noch vor gut einem Jahr kaum vorstellen können. Doch dann kam Corona und seither ist der »Podcast der Geschäftsführung« ein wichtiges Instrument, mit dem der Logistikdienstleister die knapp 1.000 Mitarbeiter regelmäßig über interne Coronamaßnahmen sowie die aktuellen geschäftlichen Entwicklungen des Unternehmens informiert. Klickzahlen und Verweildauer belegen, dass dieses Informationsangebot gut ankommt. »Gerade in Krisenzeiten halte ich eine schnelle, kontinuierliche und offene interne Kommunikation für extrem wichtig«, sagt Jackl, der das Unternehmen gemeinsam mit Alexander Reichhart (48) führt.

Fragen an die Geschäftsführung direkt stellen

Jenseits des Podcasts können sich die Mitarbeiter auch im Intranet auf dem Laufenden halten. »Wir haben dort einen Coronabereich angelegt, in dem die Mitarbeiter Anworten auf häufige Fragen finden, aktuelle Entwicklungen nachlesen oder Fragen an die Geschäftsführung einreichen können«, sagt Regina Hunziger (31), Leiterin Unternehmenskommunikation und Markenstrategie. Gleichzeitig lag von Anfang an ein Schwerpunkt auf der Kommunikation an und durch die Führungskräfte. »Sie können noch so viele Podcasts, Info-Mails oder Videobotschaften an die Mitarbeiter verschicken – wenn sich die Führungsmannschaft nicht entschieden zeigt, aussagekräftig ist und sehr gut an ihre Teams kommuniziert, läuft ihre Botschaft ins Leere.«

Darüber hinaus legt Hunziger Wert darauf, die Mitarbeiterperspektive abzubilden, und publizierte unter anderem eine interne Reportage, in der ein Reichhart-Logistikmitarbeiter über seine Erfahrungen mit Kurzarbeit berichtet: »Die Reportage stieß auf große Resonanz.«

Geschlossene Standorte

Aus gutem Grund: Im Zuge des ersten Lockdowns waren im April und Mai des vergangenen Jahres 58 Prozent der Mitarbeiter in Kurzarbeit. »Das ging leider nicht anders, da sieben unserer 19 Logistikstandorte durch den jeweiligen Auftraggeber komplett geschlossen wurden«, sagt Geschäftsführer Jackl. Dort wickelt das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Gilching längst nicht mehr nur klassische Lagerdienstleistungen ab, sondern übernimmt auch Montagetätigkeiten sowie die produktionssynchrone Bereitstellung von Einzelteilen für Automobilhersteller und Industrieunternehmen.

Ausgesetztes Geschäft

Unterbrechen die Auftraggeber ihre Produktion, wie es während des ersten Lockdowns der Fall war, bleibt auch Reichhart nichts anderes übrig, als das operative Geschäft am jeweiligen Standort entsprechend auszusetzen. Im zweiten Hauptgeschäftsfeld des Unternehmens, der Transportlogistik, führte die Pandemie ebenfalls zu spürbaren Rückgängen.

Mit virtuellen Meetings vertraut

Dass Reichhart einige Jahre zuvor die Digitalisierung intensiv vorangetrieben und 2014 sogar ein eigenes IT-Unternehmen gegründet hatte, erleichterte den Umgang mit der Pandemie. »Unsere Mitarbeiter in der Verwaltung waren bereits lange vor Corona mit Laptops ausgestattet und mit virtuellen Meetings vertraut«, sagt Jackl. »Daher verlief der rasche Wechsel vom Büro ins Homeoffice reibungslos.« Hilfreich waren auch die klaren internen Organisationsstrukturen und Abläufe des Unternehmens mit kurzen Entscheidungs- und Informationswegen. »Dadurch haben wir auch die wenigen Coronafälle, die bei uns auftraten, schnell in den Griff bekommen«, so der Geschäftsführer.

Individuelle Hygienekonzepte

Für jeden Standort wurden individuelle Hygienekonzepte entwickelt. Dafür stattete die Geschäftsführung die Mitarbeiter in Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz mit erweiterten Kompetenzen und Weisungsbefugnissen aus. »Die meisten Mitarbeiter sind sehr vernünftig und halten sich an die Regeln«, sagt Jackl. Allerdings gab es anfangs gewisse Herausforderungen: Gewöhnungsbedürftig waren insbesondere die versetzten Pausen inklusive Abstandhalten sowie Begrüßungen ohne Händeschütteln oder Umarmungen, wie sie im gewerblichen Bereich vor Corona durchaus üblich waren. Externe Fahrer taten sich zunächst schwer damit, dass sie nun in ihren Fahrzeugen warten müssen, bis sie be- oder entladen können.

»In den ersten Wochen mussten die Mitarbeiter aus Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit einige Male disziplinarisch durchgreifen und Ermahnungen oder gar Abmahnungen aussprechen«, erinnert sich Jackl. Zu Kündigungen wegen Verstößen gegen die Hygienemaßnahmen kam es aber nicht.

Bei der Bewältigung der Auswirkungen von Corona spielte auch das Controlling eine wichtige Rolle: Taggenaue und präzise Reports zum operativen Geschäft und den Veränderungen bei den Kostenstrukturen sind für Geschäftsführung und Führungskräfte in Coronazeiten besonders wichtig, um schnell reagieren zu können. »Trotz Kurzarbeit und Einsparmaßnahmen muss das Unternehmen schließlich handlungsfähig bleiben, um das bestehende Geschäft aufrechtzuerhalten«, betont Jackl. Fixkosten konnten vor allem durch das vorübergehende Stilllegen von Lkws und das Aussetzen von Full-Service-Verträgen für die Gabelstaplerflotten gesenkt werden.

»Probates und wirksames Instrument«

Darüber hinaus lobt Jackl Kurzarbeit als »probates und wirksames Instrument«. Dass es in Österreich und Frankreich ähnliche Programme gibt, erleichterte das Vorgehen an den internationalen Standorten. »Da das Kurzarbeitergeld jedoch nicht das gesamte Gehalt und keinerlei Spesen ausgleicht, ist insbesondere die finanzielle Situation unserer Fahrer in Kurzarbeit schwierig«, so Jackl. Das Unternehmen bezahlte ihnen 2020 daher einen Ausgleich für die entfallenen Spesen.

Gesunde Eigenkapitalstrategie

Jenseits der Kurzarbeit nutzte Reichhart keine weiteren Coronahilfsprogramme. »Für ein Unternehmen in unserer Größenordnung wäre das auf einen Kredit hinausgelaufen«, sagt der Geschäftsführer. »Da wir Freunde einer gesunden Eigenkapitalstrategie sind, konnten wir die Auswirkungen von Corona bislang aus eigener Kraft stemmen.«

Aufgrund der Standortschließungen schrumpfte der Umsatz 2020 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 17 Prozent. Die sukzessive Eröffnung der Logistikstandorte im Juni 2020 verhinderte einen stärkeren Einbruch. Sie wurden binnen weniger Tage wieder auf Volllast gefahren. Bei den Transportdienstleistungen hielten die Nachwehen von Corona länger an: Da es durch Grenzschließungen und Produktionsrückgänge weniger zu transportieren gab, kam es im Gesamtmarkt zu einem extrem hohen Überhang bei den Transportkapazitäten, was zu einem starken Rückgang der Transportpreise führte. Erst nach und nach stiegen Auslastung und Preise, Ende 2020 waren sie wieder auf relativ hohem Niveau.

Zeit des Lockdowns genutzt

Der zweite Lockdown zog zumindest in den ersten Wochen noch keine Standortschließungen nach sich und auch die Transportvolumina gingen kaum zurück. Dazu kam, dass nicht alle Auftraggeber des Unternehmens von Corona betroffen waren. »So war die Nachfrage zum Beispiel bei Kfz-Teilen und -Zubehör ungebrochen, sodass unsere Auftraggeber im Kfz-Ersatzteilmarkt von der Krise nur in geringem Maße beeinflusst waren«, sagt Jackl. Auch die Belieferung von Filialen und Wiederverkaufskunden im Lebensmittelbereich fand weiterhin statt. »Und unsere Führungskräfte haben die Zeit des Lockdowns dafür genutzt, produktionssteigernde Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen«, sagt Jackl.

Das Jahr 2021 zu planen, sei dagegen ausgesprochen schwierig gewesen. Die Geschäftsführung des Logistikdienstleisters sei dabei »vorsichtig optimistisch« von einem durchgängigen Betrieb ohne erneute Standortschließungen ausgegangen. »Dennoch«, so Jackl, »werden wir das Niveau von 2019 auch in diesem Jahr noch nicht wieder erreichen.«

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