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Gut gekühlt

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Konstante Temperatur – für viele Transporte entscheidend

Wer temperatursensible Lebensmittel, Arzneien und andere Produkte verschickt, ist auf einwandfreie Kühlketten angewiesen. Die Anforderungen sind gewachsen.

Stefan Bottler, 07/20

Vermutlich jedes Pharmaunternehmen kennt das Kürzel GDP. Die drei Buchstaben stehen für Good Distribution Practice und sind Leitlinien der Europäischen Union. Von jedem Unternehmen, das Arzneimittel vertreibt, fordert die EU unter anderem ein Qualitätsmanagement, regelmäßige Personalschulungen – und eine Überwachung der gesamten Transportkette »unter Einhaltung der vorgegebenen Temperaturbedingungen«.

Ausgefeilt für lückenlose Überwachung

Mit diesem ursprünglich für Großhändler konzipierten Regelwerk arbeiten mittlerweile auch viele Logistikdienstleister. Die Anforderungen an den Transport temperaturempfindlicher Waren sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Logistikunternehmen haben sich darauf eingestellt und bieten ausgefeilte Lösungen, um die Bedingungen während des Transports konstant zu halten und lückenlos zu überwachen. »Wir haben uns 2019 in einem aufwendigen Verfahren zertifizieren lassen«, sagt Wilhelm Racz (63), Münchner Niederlassungsleiter der Luft- und Seefrachtspedition QCS-Quick Cargo Service GmbH. »GDP ist auf dem Weg zum Standard und sollte auch von Unternehmen, die wenig Pharmaprodukte umschlagen, beachtet werden. « Bei QCS machen Arzneimittel, Pharmagrundstoffe und sonstige Healthcare-Produkte bis zu fünf Prozent des Transportaufkommens aus.

Temperaturführung auch für Kosmetik, Klebstoffe, chemische Produkte

Mit GDP will die EU unter anderem sicherstellen, dass Verbraucher und Anwender alle Pharmaprodukte in einwandfreier Qualität erhalten. Viele Artikel sind sehr wärme- beziehungsweise kältesensibel und müssen temperaturgeführt transportiert und gelagert werden. Ähnlich strenge Anforderungen formulieren – ebenfalls auf Basis einer EU-Richtlinie – die Lebensmittelhygieneverordnung (LHV) sowie weitere gesetzliche Vorschriften für Fleisch, Käse, Obst und andere Frischeprodukte. Diese müssen in der Regel bei vier bis acht Grad Celsius gelagert und transportiert werden. Für Tiefkühlkost sind Mindesttemperaturen von –18 Grad Celsius vorgeschrieben. Auch für manche Kosmetikartikel, Klebstoffe und chemische Produkte ist Temperaturführung obligatorisch.

Strenge Anforderungen, sonst Totalschaden

Die meisten Kühllogistiker transportieren und lagern mit drei Temperaturzonen, einige, wie der Lebensmittellogistikkonzern Nagel Group, haben sogar fünf. Jeder Dienstleister muss durchgängige Kühlketten mit lückenlosen Temperaturnachweisen konzipieren. Vor allem Luftfrachtspediteure stehen hier vor einer Herausforderung. Viele ausländische Empfänger und Behörden stellen besonders strenge Anforderungen. »Wenn die Kühlkette auch nur an einer Stelle unterbrochen ist, haben wir einen Totalschaden«, sagt Racz. Die Sendung muss dann entsorgt werden. Spezialcontainer und Datenlogger, die regelmäßig Temperatur- und andere Daten messen und aufzeichnen, sollen eine reibungslose Überwachung gewährleisten. Viele Spediteure bieten ihren Kunden an, Sendungsdaten regelmäßig abzurufen, was allerdings bei längeren See- und Luftwegen nicht immer möglich ist.

Verfolgung über Datenlogger und RFID

Wesentlich preiswerter als Containerladungen sind Einzelsendungen, die mit Trockeneis und Kühlakkus in Styropor und Verbundfolien verpackt werden. »Manche Akkus kühlen vier bis fünf Tage lang«, sagt Richard Anfang (39), Inhaber der Anfang & Forster Verpackungsservice GmbH. Das Unternehmen am Münchner Flughafen wirbt mit einem Full Service für Land-, Luft- und Seefracht: Der Kunde muss lediglich Verkehrsträger und Sendungstemperaturen nennen, alle übrigen Services, inklusive Dokumentation, übernimmt der 2017 gegründete Verpackungsdienstleister. Auch Datenlogger stellt er zur Verfügung. Alternativ können Einzelsendungen mit RFID-Transpondern überwacht werden.

Ein Lkw, unterschiedliche Temperaturzonen

Im Vergleich dazu sind temperaturgeführte Straßenverkehre einfacher zu kontrollieren. Viele Kühlfahrzeuge werden serienmäßig mit Telematikgeräten inklusive zertifiziertem Temperaturschreiber gebaut, einige können auch mit Mehrkammersystemen ausgestattet werden. Der Lkw transportiert dann Waren in unterschiedlichen Temperaturzonen. Auch für Transporter, die vor allem von Pharmalogistikern eingesetzt werden, gibt es solche Lösungen.

Wohl auch wegen dieses hohen Zusatzaufwands wird der Markt für temperaturgeführte Transporte von wenigen Unternehmen dominiert. In der Lebensmittellogistik sind die internationalen Branchenriesen Dachser und Nagel Group inklusive der Tiefkühllogistiktochter Transthermos führend. Im Pharmatransport geben die bundesweiten Expressdienste Trans-o-Flex und Go! Express & Logistics den Ton an.

Chancen für KMU

Kleine und mittlere Unternehmen haben trotzdem eine Chance, wenn sie vorhandene Marktlücken schließen. So hat die Schmitt-Kühltransporte GmbH in Garching (Landkreis München) mit Zustellungen binnen 24 Stunden nach Bestellungseingang in der Lebensmittellogistik eine Nische ausgemacht.

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