Betrieb + Praxis

Guter Draht zum Kunden

Thorsten Jochim ©
Vertriebsexpertin Claudia Dietl

Messen verschoben, Veranstaltungen abgesagt, persönliche Treffen fast schon tabu: In Coronazeiten gewinnen Telefonate auch bei der Kundenbetreuung an Bedeutung. Vertriebsexpertin Claudia Dietl erklärt, was zu beachten ist.

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 05/2021

Frau Dietl, kann ein Telefonat oder ein Videocall ein Ersatz für ein persönliches Kundengespräch sein?
Auf Messen, bei Seminaren oder Netzwerkevents trifft man bestehende Kunden. Es entstehen aber auch neue, zufällige Kontakte. Das lässt sich virtuell kaum auffangen. Natürlich kann und sollte ein Vertriebsmitarbeiter seine bestehenden Kunden einzeln anrufen. Aber das ist deutlich unproduktiver als etwa ein Messetag – allein schon, weil die Erreichbarkeit schwieriger ist.

Vorab per E-Mail einen Termin zu vereinbaren, ist natürlich möglich, aber auch aufwendiger. Dazu kommt, dass sich ein Verkäufer oder Außendienstmitarbeiter, der den persönlichen Kundenkontakt gewohnt ist, am Telefon zunächst schwerer tut.

Woran liegt das?
Der offensichtliche große Nachteil eines Telefonats ist ja, dass die nonverbalen Informationen verloren gehen, weil man den Gesprächspartner am Telefon nun einmal nicht sehen kann. Gerade Menschen, die es gewohnt sind, über ihre körperliche Präsenz zu wirken, haben daher am Telefon Nachteile. Sie müssen allein auf Stimme und Rhetorik setzen, um das Verkaufsgespräch zu gestalten. Zudem können sie die Stimmung und die Reaktionen ihres Gesprächspartners schlechter einschätzen.

Der Aufbau eines Vertriebsgesprächs am Telefon ist anders, es gibt weniger Raum und auch Input für Smalltalk, allein schon, weil man eben nicht wie bei einer persönlichen Begegnung einiges an Informationen aufnehmen kann, bis man im Besprechungsraum oder Büro seines Gesprächspartners Platz nimmt.

Sind Videocalls dann besser geeignet für Vertriebsgespräche?
Zunächst einmal sind sie aufwendiger, weil sie ja im Vorfeld organisiert werden müssen. Und auch beim Videocall gehen im Vergleich zu einem persönlichen Gespräch noch viele körpersprachliche Informationen verloren. Auf jeden Fall ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Technik reibungslos funktioniert. Im Hintergrund sollte idealerweise das Logo des Unternehmens, besser noch ein Produkt oder etwas für den Kunden Interessantes zu sehen sein.

Dank ausgefeilter Konferenzsoftware können Unternehmen mittlerweile durchaus virtuelle Konferenzen, Workshops oder Präsentationen mit vielen Teilnehmern organisieren, die sich in verschiedene Chaträume, an virtuelle Tische oder in Lounges klicken können. Das kann tatsächlich ein kleiner Ersatz für die vielen abgesagten Events sein.

Wie kann man telefonisch Kontakt zu bestehenden Kunden halten, ohne ihnen auf die Nerven zu gehen?
Kunden reagieren vor allem dann genervt auf Anrufe von Vertriebsmitarbeitern, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Gesprächspartner etwas von ihnen will. Das ist ein Resultat der alten Schule des Verkaufens, bei der ein Vertriebsmitarbeiter sich für das Gespräch ein Ziel setzt, sich darauf vorbereitet und dieses Ziel dann ruckzuck erreichen möchte.

Besser ist es, dem Kunden zuzuhören und herauszufinden, wie es ihm geht, wo er steht, was bei ihm los ist. Damit nervt man keinesfalls, das trägt vielmehr dazu bei, eine stabile Beziehung aufzubauen. Nicht zu viel erreichen zu wollen, ist daher ein Erfolgsfaktor für Vertriebstelefonate.

Stabile Beziehung aufbauen, statt zu nerven

Der zweite besteht darin, nicht zu oft anzurufen. Penetranz erhöht die Wirkung keinesfalls. Anstatt zum Beispiel stur einmal pro Woche nachzuhaken, ist es besser, dem Kunden Raum zu geben und vielleicht sogar zu warten, bis er von sich aus wieder auf das Unternehmen zukommt. Dazu gehört natürlich auch, dass die Geschäftsführung Druck herausnimmt und nicht auf bestimmten Quoten besteht.

Es sollte aber schon einen konkreten Grund oder Anlass für einen Anruf geben, oder?
Grundsätzlich ja. Bei langjährigen Kunden kann man mitunter aber durchaus anrufen und sich danach erkundigen, wie es ihnen geht. Doch selbst wenn die Vertriebsarbeit aktuell größtenteils per Telefon oder Videocalls erledigt wird, ist ein systematisches Vorgehen sinnvoll. In jedem Unternehmen sollte klar sein, was in welchem Schritt des Vertriebsprozesses passieren soll.

Daraus ergibt sich dann auch der Grund für einen Anruf. Idealerweise werden diese Prozesse durch praxisgerechte CRM- oder ERP-Systeme unterstützt. Auch wenn sich ein Interessent oder ein Bestandskunde meldet, muss die gesamte Organisation wissen, wie mit diesem Anruf zu verfahren ist: An wen wird der Kunde durchgestellt? Wer bekommt die Telefonnotiz mit Rückrufbitte? Wer verschickt Informationsmaterial? Wenn Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, ist das besonders wichtig.

Stichwort Homeoffice: Worauf sollten Unternehmen achten, wenn der Vertrieb von zu Hause aus arbeitet?
Präsenzzeiten, in denen Vertriebsmitarbeiter garantiert erreichbar sind, machen vieles leichter. Außerhalb dieser Zeiten sollte es eine zentrale Stelle geben, bei der Kundenanrufe eingehen. Schwierig kann es werden, wenn der Vertriebsprozess mit Avataren, automatischen Rufannahmen und -weiterleitungen so automatisiert wurde, dass ein Kunde nur mit viel Geduld einen menschlichen Ansprechpartner ans Telefon bekommt.

Gerade bei Neukunden, Reklamationen und Supportanfragen ist der direkte Kontakt wichtig – und der sollte persönlich, konkret und lösungsorientiert sein. Egal, ob der Mitarbeiter beim Kunden sitzt oder im Homeoffice. Und vor Aktionen sollten die Kontaktpfade besonders gut getestet werden.

Was wird bei der telefonischen Kundenbetreuung häufig unterschätzt?
Es mag banal klingen: Ehrliche Freundlichkeit und Zugewandtheit sind und bleiben wichtig – egal, auf welcher Stufe des Vertriebsprozesses sich der Kunde befindet. So sollte ein Unternehmen zum Beispiel routinemäßige Zufriedenheitsanrufe nur von einem Mitarbeiter erledigen lassen, der sich tatsächlich für den Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung interessiert. Im Grunde geht es bei Vertriebsarbeit immer auch darum, eine stabile Kundenbeziehung aufzubauen. Und das gelingt durchaus auch am Telefon.

IHK-Service: Kundendaten schützen

Die Datenschutz-Grundverordnung macht klare Vorgaben zur Zulässigkeit einer Datenverarbeitung und zu den Informationspflichten rund um die Verarbeitung und Weitergabe von Kundendaten. Unter anderem muss der Kunde die Möglichkeit haben, davon Kenntnis zu nehmen, wie das Unternehmen mit seinen Daten verfährt, und auch über seine Widerspruchsmöglichkeiten gegen eine Datenverarbeitung informiert werden.

Checklisten, Leitfäden und weitere Informationen dazu gibt es auf der DSGVO-Webseite der IHK

Zur Person: Claudia Dietl

Claudia Dietl (53) berät unter der Marke »Art of Sales« mittelständische Unternehmen rund um Neukundengewinnung, Vertriebsstrategie, Datenbankmanagement und Wirkung am Telefon. Dietl studierte nach dem kaufmännischen Fachabitur Politikwissenschaft, Englisch und Soziologie und arbeitete acht Jahre als Führungskraft in einem mittelständischen Baufachverlag, bevor sie sich 2004 selbstständig machte.

Verwandte Themen