Gutes bewirken für die ganze Branche

Bauunternehmerin Laura Lammel verbindet technisches Know-how mit sozialem Engagement. Die Geschäftsfrau treibt die Digitalisierung voran, kämpft gegen Schwarzarbeit und setzt sich für faire Löhne am Bau ein.
Harriet Austen, Ausgabe 04/2021
Dass Laura Lammel ihre Diplomarbeit an der Stanford University schrieb und danach in San Francisco in einem Ingenieurbüro arbeitete, hat sich im Nachhinein als Glücksfall herausgestellt. Denn in den USA beschäftigte sie sich schon früh mit vernetzten, digitalen Bauplanungs- und Ausführungsprozessen, abgekürzt BIM. »Deshalb war es einfach für mich, diese Themen zu besetzen, als sie hier in der Bauwirtschaft aufkamen«, sagt Lammel.
Passion für digitale Konzepte und BIM
Sie beschloss, ihre Passion für digitale Konzepte in ein Geschäftsmodell zu verwandeln. Seit 2019 berät die studierte Bauingenieurin mit Lammel.digital kleine und mittlere Betriebe, wie sie ihre Prozesse mithilfe der Digitalisierung verkürzen oder modularer machen können. »Die Arbeit kann damit effizienter und kostengünstiger erledigt werden«, sagt Lammel. Ihr Programm hatte sie zuvor im eigenen Unternehmen getestet. Sie weiß genau, »was fehlt und wo man ansetzen kann«, schließlich bringt sie 20 Jahre Erfahrung im Baugewerbe mit.
»Die digitale Baustelle ist auf dem Vormarsch«
Sich neuen Entwicklungen öffnen, Vorträge halten, Menschen mitnehmen und begeistern – das liegt der experimentierfreudigen Chefin. »Die digitale Baustelle ist auf dem Vormarsch«, ist sie überzeugt. Dabei geht es nicht nur um Veränderungen im eigenen Unternehmen, sondern auch um die Vernetzung sämtlicher beteiligter Akteure.
Lammel hat das Geschäft von der Pike auf gelernt. Schon mit 14 Jahren half sie im väterlichen Unternehmen, der Münchner Lammel Bau GmbH & Co. KG, beim Mauern mit. »Auf den Baustellen habe ich mich an den rauen Ton gewöhnt und bin seitdem nicht zimperlich«, sagt sie lachend. Es war für sie selbstverständlich, den 1948 vom Großvater gegründeten Betrieb weiterzuführen, »das verlangt die Familientradition«.
Nach Stanford direkt in die Geschäftsführung
Als Ende der 1990er-Jahre in Deutschland die große Baukrise ausbrach, kam Lammel aus Stanford zurück, stand dem Vater bei und übernahm 2000 die Geschäftsführung des Mittelständler.
Aus den USA brachte sie die Erkenntnis mit, dass man sich spezialisieren muss. Mit Ausdauer, Disziplin und Konsequenz bildete sie sich zur zertifizierten Sachverständigen für Betonschäden und Betoninstandhaltung weiter, startete die Umstrukturierung des Unternehmens und konzentrierte sich fortan auf die Kernkompetenz Stahlbeton. »Mit dieser Expertise stehen wir bis heute für eine außergewöhnliche Qualität im Stahlbetonbau«, sagt die 47-Jährige. Lammel Bau ist in den Bereichen Parkbauten, Gewerbe- und Industriebau sowie Sanierung tätig.
Mehrere Spitzenämter, wie erste Obermeisterin der Bauinnung München
Ermutigt durch die »starken, klugen Frauen« in ihrer Familie – die Großmutter war Unternehmerin, die Mutter Bauingenieurin –, geht Lammel »mit einem Hauch von Nonchalance« durch die von Männern dominierte Branche. Sie weiß, dass man mehr braucht als ein dickes Fell und Humor, um sich Respekt zu verschaffen, nämlich »Wissen, Interesse, technische Expertise, Kompetenz und Ehrgeiz«. Darüber verfügt sie offenbar reichlich. In den unterschiedlichen Verbänden, in denen sich Lammel engagiert, nimmt sie inzwischen Spitzenämter ein. So sitzt sie im Vorstand des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) und ist Vizepräsidentin der Bayerischen Baugewerbeverbände. Erst kürzlich wurde sie zur ersten weiblichen Obermeisterin der Bauinnung München ernannt – »ein größeres Kompliment kann man nicht bekommen«, freut sich die Geschäftsfrau.
»Wege suchen, die meinen Werten entsprechen«
In ihrer Firma, aber auch in ihrer Verbandstätigkeit suche sie stets Wege, »die mir und meinen Werten entsprechen«, sagt sie. Deshalb lässt sie keine Gelegenheit aus, um bei ihren Subunternehmen, aber auch in der gesamten Branche gegen Diskriminierung, Ausbeutung und Schwarzarbeit zu kämpfen und sich für faire Löhne einzusetzen. »Gutes für das Baugewerbe zu erreichen, das liegt mir am Herzen«, sagt die Unternehmerin.
»Mitdenken, mitgestalten«
Ehrenamtliches Engagement schätzt sie. Für sie bedeutet das: bedeutende Persönlichkeiten kennenzulernen, über den Tellerrand zu schauen, vorzeitig über wegweisende politische Themen informiert zu sein, mitzudenken, mitzugestalten. »Das gilt vor allem jetzt in der Coronakrise«, betont Lammel.