Betrieb + Praxis

Handeln auf der Plattform

Monika Moosreiner ©
Ein Onlineshop ist für lokale Händler wichtig, sagt Christine Frehe-Reynartz, Geschäftsführerin von Auryn Naturfashion

Für viele stationäre Einzelhändler ist der Verkauf über einen E-Commerce-Marktplatz sinnvoll. Wie können Händler die zahlreichen Marktplätze nutzen?

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 10/20

Seit einem knappen Vierteljahrhundert verkauft die Auryn Naturfashion GmbH im Münchner Gärtnerplatzviertel organisch und fair hergestellte Kinder- und Damenbekleidung, Spielzeug, Accessoires und Dekoartikel. Anfang 2019 ging der Onlineshop auryn-shop.com ans Netz. »Auch wenn der Aufwand groß ist: Selbst als kleiner, lokaler Händler ist der Onlineshop für uns wichtig«, sagt Gründerin und Geschäftsführerin Christine Frehe-Reynartz. »Immer mehr Kunden informieren sich dort, bevor sie in den Laden kommen.«

#kauflokal als Ursprung

Während der Coronaschließung war die Unternehmerin ausgesprochen froh über diesen Kanal. »Da haben die Kunden viel im Onlineshop bestellt.« Seit einigen Wochen ist Auryn nun auch auf dem Onlinemarktplatz Kauflokal.com vertreten. »Vielleicht wäre es sinnvoll, Amazon zu nutzen«, so Frehe-Reynartz. »Aber mir sind lokale Initiativen, die dafür sorgen, dass die kleinen Läden überleben können, wesentlich lieber.« Diese Anforderung erfüllt Kauflokal.com perfekt: Der Marktplatz entstand aus der Aktion #kauflokal, bei der sich Marken aus Mode, Handwerk, Genuss und Lifestyle 2016 zunächst beim Herrenausstatter Hirmer und später auch bei anderen großen Münchner Traditionshäusern einige Wochen lang präsentierten. Während des Lockdowns setzten die #kauflokal-Initiatoren gemeinsam mit der E-Commerce-Agentur Norisk Group den Marktplatz binnen 14 Tagen auf. Er startete mit über 300 angebundenen Händlern – vom kleinen Schmuckladen ohne eigenen Onlineshop bis hin zum Traditionsbuchhändler Hugendubel.

Lohnende Plattformen für Local Commerce

»Local Commerce ist derzeit ein großes Thema – auch bei Onlinemarktplätzen«, sagt Ralph Hübner (45), Partner der ecom consulting GmbH aus München und einer der Autoren der Studie »Marktplatzwelt 2020«. Die Untersuchung zeigt, dass es mittlerweile erstaunlich viele dieser Internet-Verkaufsplattformen gibt. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind es mehr als 170 Marktplätze, weltweit über 480. Dort bieten Händler wie Hersteller Produkte an. »Die Transaktion verläuft in der Regel direkt zwischen dem Verkäufer und seinem Kunden«, erklärt Hübner. Der Marktplatz ermöglicht den Verkauf und kassiert dafür eine Provision.

Für Einzelhändler kann dies äußerst lohnend sein. »Wegen der hohen Wettbewerbsintensität und der Transparenz sind Marktplätze vor allem für Handelsunternehmen mit eigenen Labels und partiell auch mit Sortimenten jenseits der Standardware geeignet«, sagt der Experte. »Sie können damit überregional oder sogar international verkaufen und neue Zielgruppen erreichen, aber auch Überhänge, Sonderposten oder Einzelartikel vertreiben.«

Seit zwei Jahren stetige Marktplatzentwicklung

Laut Hübner hat die Marktplatzentwicklung in Deutschland vor allem in den vergangenen beiden Jahren Fahrt aufgenommen. Der Lockdown sorgte für weiteren Rückenwind. Dynamik brachten zudem neue Marktplätze etwa von internationalen Anbietern, die deutschsprachige Varianten etablierten, oder von Handelsgrößen, die ihr Geschäft um einen Marktplatz erweitert haben. Dazu zählen unter anderem Breuninger, Douglas, Metro, Media-Saturn und Zalando.

»Weiteren Absatzkanal testen - ohne gleich eigenen Onlineshop zu eröffnen«

Wie Händler die Marktplätze in der Praxis nutzen können, zeigt das Beispiel der Hofmann&Losch Retail GmbH. Das Münchner Unternehmen ist Franchisenehmer der britischen Textilhandelskette Superdry und betreibt fünf Filialen in Süddeutschland. Seit Mitte 2019 verkauft es über Zalando Connected Retail. »Angesichts der Veränderungen im stationären Handel wollten wir einen weiteren Absatzkanal testen, ohne gleich einen eigenen Onlineshop zu eröffnen«, sagt Operations Manager Alex Coelho (33).

Das wäre auch schwierig, da der Onlineshop superdry.de schon von der Superdry Internet Limited betrieben wird. Der Verkauf auf Zalando verläuft bestandsorientiert. »Wir erhalten die Bestellungen von Artikeln, die weder Zalando noch Superdry vorrätig haben«, erklärt Coelho. Trotz dieser Priorisierung war Hofmann&Losch mit den Marktplatzverkäufen von Anfang an zufrieden. Durch Corona gab es einen Wachstumsschub. »Aktuell erwirtschaften wir auf Zalando fast so viel Umsatz wie in einer kleinen Filiale«, so Coelho.

Zusätzlicher Pluspunkt, ein Nachteil

Dank des vorhandenen Warenwirtschaftssystems war die Anbindung an Zalando relativ einfach. »Allerdings müssen wir extrem darauf achten, dass die Bestände minutengenau aktualisiert werden«, erklärt Coelho. Die Bestellungen werden von allen Filialen aus verschickt. Dass die Mitarbeiter damit während des Lockdowns zumindest teilweise beschäftigt werden konnten, bildet für Coelho einen zusätzlicher Pluspunkt des neuen Verkaufskanals. Lediglich die Retourenquoten findet er weniger erfreulich: »Die sind tatsächlich so hoch, wie immer beschrieben wird.« Um sie zu senken, verkauft Hofmann&Losch besonders kritische Teile wie etwa Damenbademode nicht mehr über Zalando. 

IHK-Service: Sieben Tipps für Einzelhändler online

Was sollten mittelständische Handelsunternehmen beim Verkauf auf Onlinemarktplätzen beachten? Experte Ralph Hübner von ecom consulting hat folgende Empfehlungen:
1. Erarbeiten Sie eine Marktplatzstrategie: Was wollen Sie durch den Verkauf auf einem Marktplatz erreichen? Welche Teile Ihres Sortiments eignen sich dafür? Kann der Marktplatz Ihren Onlineshop ergänzen oder ersetzen?

2. Wählen Sie zum Einstieg einen geeigneten Marktplatz aus und nehmen Sie dabei die Perspektive Ihrer Kunden ein. Achten Sie auch auf die Besucher- und Transaktionszahlen sowie die Gebühren und Leistungen des Marktplatzes.

3. Widmen Sie sich dem Thema mit Lust und qualifizierter Manpower. Sie müssen kein E-Commerce-Experte sein, um in den Marktplatzverkauf einzusteigen. Learning by Doing ist durchaus
möglich.

4. Gute Bilder und Produktbeschreibungen sind extrem wichtig.

5. Absolut kritisch sind aktuelle Bestandszahlen. Ohne Warenwirtschaftssystem müssen Sie Ihre Bestände auf dem Marktplatz akribisch pflegen, um zu vermeiden, dass Sie Bestellungen
nicht ausliefern können.

6. Unterschätzen Sie nicht Logistik und Retouren. Sie sind aufwendig und teuer.

7. Bieten Sie bestmöglichen Service in jeder Hinsicht. Onlinekäufer sind von den kundenfreundlichen Standards beim Markführer Amazon verwöhnt. Unzufriedene Kunden geben schlechte
Bewertungen, die Ihrem gesamten Unternehmen schaden können.

Verwandte Themen