Mobilität | Standortpolitik

Helfer für den Umbau

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Mitten im Wandel – die Automobilindustrie

Wie lässt sich der technologische Wandel in der Automobilindustrie meistern? Der »Transformationslotse Automotive Bayern« will den Zulieferunternehmen der Branche neue Wege aufzeigen.

Josef Stelzer, Ausgabe 06/2021

Die bayerischen Automobilzulieferer stehen vor enormen Herausforderungen. Da E-Fahrzeuge zunehmend Marktanteile gewinnen, sinkt der Bedarf an Bauteilen und Komponenten klassischer Benzin- und Dieselfahrzeuge. Gleichzeitig werden immer mehr Batteriezellen und -materialien sowie komplette Batteriesysteme samt Software eingesetzt. Überdies entwickeln sich weitere Alternativen im Antriebsstrang, etwa synthetische Kraftstoffe oder Brennstoffzellen.

Im Zuge dieses Wandels stellen viele Zulieferbetriebe Innovations- und Herstellungsprozesse sowie Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Denn häufig sind neue Produkte, Dienstleistungen und Fertigungsanlagen notwendig, damit Hersteller die Marktpotenziale der alternativen Antriebssysteme nutzen können.

Um die Unternehmen bei der Neuausrichtung zu unterstützen, startete die Bayern Innovativ GmbH im Herbst vergangenen Jahres daher den »Transformationslotsen Automotive Bayern«. Er dient als neutrale Anlaufstelle im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung, der Unternehmen der Automobilindustrie durch alle Stationen ihres Transformationsprozesses begleitet. Dabei kann er zum Beispiel Zugang zu Förderung, Zukunftsthemen und Kooperationspartnern ermöglichen und so den Wandel vorantreiben. »Wir unterstützen solche Vorhaben, da auf diesem Weg den Unternehmen geholfen werden kann, neue Expertise aufzubauen und dabei die Belegschaften mitzunehmen«, sagt Frank Dollendorf, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der IHK für München und Oberbayern.

Einige hundert Unternehmen in Bayern betroffen

Bayernweit machte die Initiative einige hundert Unternehmen ausfindig, die vor allem Bauteile für Diesel- und Benzinantriebe produzieren und deshalb massiv vom Wandel betroffen sind. Denn Elektrofahrzeuge benötigen weder Kolben noch Zylinder, Einspritzanlagen, Kraftstoffpumpen oder Lichtmaschinen, die Getriebe sind weitaus einfacher gebaut. In Stromern reduziert sich zudem der Verschleiß bei Bremsen und Bremsbelägen aufgrund der Rekuperation merklich, was den Ersatzteilbedarf stark verringert.

2030: Hälfte der BMW-Neuwagen rein elektrisch unterwegs

Während die Verkaufszahlen bei Verbrennern sinken, werden Elektro-Pkws dank staatlicher Zuschüsse, steigender Reich-weiten und einer immer besseren Ladeinfrastruktur immer beliebter. Bundesweit wurden 2020 laut Kraftfahrtbundesamt fast 395.000 Autos mit elektrischem Antrieb neu zugelassen – das entspricht einem Anteil von 13,5 Prozent aller Neuzulassungen. Die bayerischen Automobilhersteller bauen entsprechend ihre Elektroauto-Produktion massiv aus. Bis 2025 will die Audi AG den Anteil elektrifizierter Fahrzeuge am Absatz auf 40 Prozent erhöhen. Planungen der BMW Group sehen vor, dass im Jahr 2030 mindestens die Hälfte der BMW-Neuwagen rein elektrisch unterwegs sind.

Bewusstsein wecken, dass Transformation auch enorme Chancen bietet

Wie nun können die Zulieferer die Herausforderungen des Wandels in den Griff bekommen? Holger Czuday (52), Leiter des Transformationslotsen, nimmt gemeinsam mit seinen Kollegen die Innovationsfähigkeit der Betriebe unter die Lupe und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf: »Wir prüfen, inwieweit die Kernkompetenzen der Unternehmen ausreichen, etwa für Entwicklung, Herstellung oder Vertrieb von E-Mobility-Produkten, und welche Potenziale sich damit ergeben.« Bei zahlreichen Gesprächen zeige sich die Branche durchaus offen für neue Ansätze und Strategien. Ebenfalls im Blick seien die Potenziale durch die Digitalisierung, so Czuday. »Wir wollen Bewusstsein dafür wecken, dass die Transformation den Automobilzulieferunternehmen auch enorme Chancen bietet.«

Hilfe für die Betriebe auch mit »Förderprogramm KoPa 35c«

Rat und Hilfe verspricht er bei der Suche nach Partnern, mit denen die Zulieferer ihre Transformationsaktivitäten voranbringen können, sowie in puncto Fördermittelberatung. Dazu gehören Fragen rund um das neue »Förderprogramm KoPa 35c« des Bundeswirtschaftsministeriums, das auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Zulieferindustrie sowie der Fahrzeughersteller abzielt. Es soll die Unternehmen im Transformationsprozess unterstützen, etwa beim Umstieg auf alternative Antriebe, auf eine digitalisierte, nachhaltige Produktion oder beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Die Transformationslotsen bieten den Betrieben überdies Cluster-Treffen und weitere Formate an, sodass die Zulieferbetriebe ihre Produkte und Dienstleistungen vor Ort bei potenziellen Kunden oder Geschäftspartnern präsentieren können.

Fördergelder, Rat und Unterstützung kommen dabei letztlich nicht nur der Zulieferbranche zugute, sondern dem gesamten Standort. IHK-Experte Dollendorf formuliert es so: »Der Erfolg Bayerns rollt auf vier Rädern.«

Forderungen an die Politik - ifo-Studie

Mit dem Wandel in der Autoindustrie beschäftigt sich auch die ifo-Studie »Fahrzeugbau – wie verändert sich die Wertschöpfungskette?« im Auftrag der bayerischen IHKs. Um die Transformation voranzubringen, gibt das Papier der Politik unter anderem folgende Handlungsempfehlungen:
In der Material- und Batterieforschung sowie für Pilotprojekte rund um autonomes Fahren sollten Forschungsaktivitäten vorangetrieben und die Forschungsförderung intensiviert werden. Für die Emissionsminderung bei Verbrennungsmotoren stellt die Auslastung der Fahrzeuge einen Hebel dar.

Daher sollten Mobilitätskonzepte unterstützt werden, die insgesamt die Zahl der Leerfahrten reduzieren und darauf abzielen, mehrere Gäste pro Fahrt zu transportieren. Mobilitätsdienstleistungen sind so zu regulieren, dass die öffentlichen Nahverkehrsnetze in Städten effizienter und attraktiver werden. Es sollte geklärt sein, wie sich das Eigentum an Daten, die beim Fahrzeugbetrieb entstehen, wirtschaftlich effizient gestalten lässt.

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